Läge die Schweiz in der Arktis, sie würde untergehen. Ein deutsch-amerikanisches Forscherduo hat berechnet, dass ein Flug von Frankfurt nach San Francisco und zurück fünf Quadratmeter Arktiseis verschwinden lässt. Die Schweizer Bevölkerung fliegt doppelt so viel wie die der Nachbarländer: 9’000 Kilometer pro Jahr und Kopf – das entspräche zweieinhalb Quadratmetern Eis. Während die Statistiken zeigen, dass Schweizer Haushalte in vielen Bereichen ökologischer werden, ist die Luftfahrt die am stärksten wachsende Emissionskategorie. In den letzten fünf Jahren hat sie sich fast verdoppelt, ihr Anteil am Schweizer Klimaeffekt beträgt 18 Prozent.
Die Menschheit bläst heute so viele Treibhausgase in die Atmosphäre, dass die mittlere Temperatur bis zum Ende des Jahrhunderts laut der Uno um 4 Grad steigen könnte. Das wäre ein Armageddon. Millionen Menschen würden ihr Zuhause verlieren, Tierarten aussterben, Dürren ganze Landstriche in Wüsten verwandeln.
Mit dem Horrorszenario im Rücken verabschiedete die Pariser Klimakonferenz im letzten Jahr ein Klimaabkommen mit dem Vorsatz, die Erderwärmung pauschal unter 2 Grad zu halten. Auch die Schweiz ist dabei. Der Vertrag ist ein Fortschritt. Die Konferenz stellte sich hinter Ziele, die Entschlossenheit ausdrücken und Hoffnung schüren, dass die Welt nicht ohne einen Rettungsversuch dem menschlichen Versagen ausgeliefert bleibt – Ein starker Kontrast zur Passivität der letzten Jahre.
Doch im Hinblick auf die düsteren Prognosen der Wissenschaft ist das Abkommen schwach: In den meisten Ländern bleiben staatliche Subventionen für fossile Energieträger unangetastet und die Luftfahrt wird mit keiner Silbe erwähnt. Hier hat der Wille zum Kompromiss ein Ende. Keine Regierung geht die Fliegerei freiwillig hart an. Sie haben gute Gründe. Die globale Wirtschaft ist auf die Flugzeuge angewiesen, wie die Landwirtschaft auf ihre Traktoren. Und jede kluge Regierung weiss: Versuche nie, einem Bauern den Traktor wegzunehmen.
Der Preis macht den Markt
Wäre die Luftfahrt im Klimaabkommen eingeschlossen, würden die wenigsten westlichen Industrienationen ihre hochgesteckten Ziele erreichen. Auch die Schweiz als Streberin unter den Klimasündern hätte grösste Mühen. Der Bundesrat denkt zwar laut darüber nach, Ölheizungen oder Dieselmotoren zu verbieten, um damit den Erwartungen der Klimaziele gerecht zu werden, die Luftfahrt als Umweltsau hingegen bleibt im grünen Schatten des Pariser Abkommens unangetastet. Emissionen, die im Klimazeugnis nicht bewertet werden, zählen für die Schweizer Politik nicht. Derzeit unternimmt kein Land genug, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Auch die Schweiz nicht.
Der eigentliche Skandal: Die Schweiz lässt die Luftfahrtbranche nicht nur in Ruhe, sondern sie subventionieren sie auch indirekt. Die internationale Luftfahrt ist von den Mehrwert- und Mineralölsteuern befreit, die beim Autobenzin über die Hälfte des Preises ausmachen. Hinzu kommt, dass der europäische Binnenmarkt den Aufstieg von Billigairlines wie Easyjet ermöglicht und so traditionelle Fluggesellschaften einem enormen Preisdruck ausgesetzt hat. Fliegen war noch nie so billig. Die tiefen Preisen begünstigen die globalen Handelsströme und füttern die Mobilitätswut einer jungen Generation, die es in die Ferne zieht.
Wie kann die Schweiz verhindern, dass die Flugemissionen weiter rasant zunehmen? Die Lösung ergibt sich aus dem Problem. Die Preise müssen wieder drastisch steigen: Kerosin muss wie alle anderen Mineralöle besteuert, die Mehrwertsteuer aufgeschlagen werden. Es braucht eine zusätzliche Ticketsteuer, wie sie bereits alle wirtschaftsstarken europäischen Staaten kennen. Das umweltschädliche Verkehrsmittel wurde zu lange verhätschelt und ökonomische Befindlichkeiten haben angesichts der drohenden Katastrophe keine Berechtigung mehr. Das Shoppingwochenende am anderen Ende der Welt wird dann keinen Spass mehr machen, wenn kein Geld zum Einkaufen übrigbleibt.
Der Staat kann seine Bürger zwar mit Steuern bestrafen wie Pawlov seinen Hund und hoffen, dass er irgendwann begreift. Doch die Schmerzensgrenze liegt in der reichen Schweiz hoch. Am Ende entscheidet immer der Konsument, die Konsumentin. Die Verantwortung liegt bei ihnen. Es mag Gründe geben, die das Fliegen rechtfertigen. Die Liebe. Das Flüchtlingsprojekt. Ausreden, Erklärungen sind viele zur Hand. Lohnt es sich dafür die hohen Emissionen in Kauf zu nehmen? Stellen Sie sich bei nächsten Ticketkauf vor, ihr Zuhause wäre eine Eisscholle von der Grösse ihres Schlafzimmers. Würden Sie jetzt noch in ein Flugzeug steigen?
Dieser Beitrag erschien bereits auf Elias persönlichem Blog.
Journalismus kostet
Die Produktion dieses Artikels nahm 8 Stunden in Anspruch. Um alle Kosten zu decken, müssten wir mit diesem Artikel CHF 676 einnehmen.
Als Leser*in von das Lamm konsumierst du unsere Texte, Bilder und Videos gratis. Und das wird auch immer so bleiben. Denn: mit Paywall keine Demokratie. Das bedeutet aber nicht, dass die Produktion unserer Inhalte gratis ist. Die trockene Rechnung sieht so aus:
Wir haben einen Lohndeckel bei CHF 22. Die gewerkschaftliche Empfehlung wäre CHF 35 pro Stunde.
CHF 280 → 35 CHF/h für Lohn der Schreibenden, Redigat, Korrektorat (Produktion)
CHF 136 → 17 CHF/h für Fixkosten (Raum- & Servermiete, Programme usw.)
CHF 260 pro Artikel → Backoffice, Kommunikation, IT, Bildredaktion, Marketing usw.
Weitere Informationen zu unseren Finanzen findest du hier.
Solidarisches Abo
Nur durch Abos erhalten wir finanzielle Sicherheit. Mit deinem Soli-Abo ab 60 CHF im Jahr oder 5 CHF im Monat unterstützt du uns nachhaltig und machst Journalismus demokratisch zugänglich. Wer kann, darf auch gerne einen höheren Beitrag zahlen.
Ihr unterstützt mit eurem Abo das, was ihr ohnehin von uns erhaltet: sorgfältig recherchierte Informationen, kritisch aufbereitet. So haltet ihr unser Magazin am Leben und stellt sicher, dass alle Menschen – unabhängig von ihren finanziellen Ressourcen – Zugang zu fundiertem Journalismus abseits von schnellen News und Clickbait erhalten.
In der kriselnden Medienwelt ist es ohnehin fast unmöglich, schwarze Zahlen zu schreiben. Da das Lamm unkommerziell ausgerichtet ist, keine Werbung schaltet und für alle frei zugänglich bleiben will, sind wir um so mehr auf eure solidarischen Abos angewiesen. Unser Lohn ist unmittelbar an eure Abos und Spenden geknüpft. Je weniger Abos, desto weniger Lohn haben wir – und somit weniger Ressourcen für das, was wir tun: Kritischen Journalismus für alle.
Einzelspende
Ihr wollt uns lieber einmalig unterstützen?