Rüstungsunternehmen stehen nicht gerne im Rampenlicht: Wenig ist bekannt über ihre aktuelle Situation und die laufenden Geschäfte. Auch jetzt, während die COVID-19 Krise die Schweizer Wirtschaft fest im Griff hat. Zurückfeuern ist zudem ausnahmsweise unmöglich – gegen die aktuelle Bedrohung sind die weltweit beliebten Schweizer Waffen nutzlos. Wir wollten dennoch wissen, was mit der Waffenproduktion passiert: Wurde sie durch die Massnahmen des Bundes eingeschränkt? Wurde vielleicht gar beschlossen, auf die Herstellung überlebenswichtiger Geräte, wie etwa Beatmungsmaschinen, umzustellen? Oder bestehen Nachfrage und Angebot der Kriegstreiberindustrie von der Pandemie unberührt weiter fort? Wir haben nachgefragt – und stiessen einmal mehr vor allem auf eines: Schweigen.
Noch am 18. März teilte die deutsche Rheinmetall aus Düsseldorf stolz mit, dass im vergangenen Jahr ihre Rüstungssparte die Einbussen in der schwächelnden Automobilindustrie wettmachte. Rheinmetall übernahm im Jahr 1999 die Waffenproduktion von Oerlikon-Bührle und produziert weiterhin Waffen in Zürich. Oerlikon-Bührle wurde durch die Verkäufe von Waffen an die Nazis und das Südafrika der Apartheid erfolgreich und öffentlich bekannt. Auf unsere Anfrage, ob die Produktion weiterhin stattfindet, antwortete der Konzern: „Momentan ziehen wir es vor, Ihre Fragen nicht zu beantworten.“ Wann die Firma denn bereit sei, die Frage zu beantworten, liess Rheinmetall offen.
Auch die MOWAG aus Kreuzlingen, welche Radwagenpanzer in alle Welt liefert, antwortete auf unsere Anfragen zugeschnürt: „Da wir aktuell unsere internen Geschäftsleitungsressourcen schonen müssen, können wir nur dringendste Medienanfragen beantworten. Daher nehmen wir zu Ihren Fragen keine Stellung.“ Und die innerschweizer Firma Pilatus, welche zuletzt durch ihre Wartung von Schulungsflugzeugen der saudi-arabischen Armee in die Kritik geriet, verwies einzig auf eine allgemeine Medienmitteilung. In dieser verkündete sie, dass „ca. 1000 Mitarbeitende ab Montag, den 23. März 2020 in die Kurzarbeit gehen müssen“.
Einzig die RUAG machte genauere Angaben zu einem Teil der eigenen Produktion. Wegen einer bevorstehenden Privatisierung wurde der Konzern kürzlich zweigeteilt: in einen Bereich für die Belieferung der Armee und in einen anderen Bereich für die Belieferung Externer. Die Antworten der RUAG betreffen nur die Produktion, die der Belieferung der Schweizer Armee dient. Sie laufe im Grossen und Ganzen wie gehabt. Diese Belieferung sei systemrelevant, sagt die RUAG. Tatsächlich steht die Schweizer Armee momentan in der grössten Mobilmachung seit dem zweiten Weltkrieg im Einsatz: in Spitälern, Lazaretten und Testzentren. Es mehren sich zugleich aber die Stimmen, die von einer unnötigen Mobilmachung reden: Die Soldaten sässen meist nur herum und seien für den Spitaleinsatz nicht vorbereitet. Die WOZ berichtete in dem Zusammenhang von nicht eingehaltenen Hygienebestimmungen und infolgedessen von einer „Durchseuchung der Truppe“. Sie zitiert einen Soldaten, der schlussfolgert, dass der gesamte Einsatz „ein Versagen“ gewesen sei.
Erfolgreich oder nicht: Panzer und Kanonen schrecken keinen Virus ab und werden somit auch während der laufenden Mobilmachung nicht gebraucht. Trotzdem sieht die RUAG von einer Umstellung auf die Herstellung anderer Waren ab. Die Waffenproduktion diene der „Erfüllung unseres Kernauftrages, dass die Sicherstellung der Ausrüstung der Schweizer Armee gewährleistet wird“, heisst es von Seiten der Pressestelle. Lewin Lempert, politischer Sekretär der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA), findet die Darstellung der RUAG fragwürdig: „Waffenschmieden sind so oder so nicht systemrelevant.“ Zudem beziehe die Schweiz derzeit sowieso einen Grossteil der Waffen aus dem Ausland. Der Anti-Corona-Einsatz des Militärs zeige vor allem eines: „Die sinnvollen Aufgaben einer Armee müssten gar nicht unter dem Dach der Armee ausgeführt werden, da sie ziviler Natur sind.“ Es sei darum wichtig, einen zivilen Krisenschutz aufzubauen, der gegen „realistische Bedrohungen eingesetzt werden kann“.
Auf die weltpolitische Zukunft und jene der Rüstungsunternehmen angesprochen, entwirft Lempert zwei Szenarien. Gemäss der pessimistischen Version wachsen im Zug der Corona-Krise der Autoritarismus und der Militarismus vieler Regierungen. Dies hätte mehr bewaffnete Konflikte und folglich auch mehr Waffenkäufe sowie naturgemäss eine Zunahme der Produktion zur Folge. Goldige Aussichten für die Rüstungsindustrie. Lempert hofft jedoch auf das aus seiner Sicht optimistischere Szenario. Darauf nämlich, dass jetzt ein Umdenken stattfindet.
„Heute rächt sich der Sparkurs der neoliberalen Politik im öffentlichen Sektor. Wir können nur hoffen, dass die Staaten durch ihre massiven Ausgaben in Folge der COVID-19-Pandemie, weniger Geld für Rüstung übrighaben, die öffentliche Bereitschaft für Ausgaben in dem Bereich sinkt und die restlichen Gelder in sinnvolle Institutionen gesteckt werden.“
Von einem Umdenken ist bisher jedoch wenig zu spüren: Die Rheinmetall verkündete Anfang April stolz einen „Millionenauftrag von einem internationalen Kunden“, die MOWAG einen Fahrzeugauftrag von über 148 Millionen Euro an die deutsche Bundeswehr. Derweil produziert die RUAG im Auftrag der Schweiz weiter Waffen für eine Armee, welche momentan damit beschäftigt ist, PflegerInnen auf die Füsse zu treten und Karten zu spielen.
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