In meiner letzten Kolumne habe ich über die zunehmende Verbreitung von Stalkersoftware berichtet: Immer mehr Privatpersonen überwachen heimlich ihre Kinder oder (Ex-)Partner*innen, indem sie unerlaubt Programme auf den mobilen Geräten installieren. Das ist eine erschreckende und höchst problematische Entwicklung innerhalb sozialer Beziehungen, die erstens fast immer illegal und zweitens extrem missbräuchlich ist.
Eine wichtige Frage habe ich letztes Mal aber offen gelassen: Was kann man tun, wenn man befürchtet von Stalking betroffen zu sein?
Normalerweise ist die Installation von Stalkerware auf einem Gerät nur mit direktem Zugriff möglich. Daher lohnt es sich, einen sicheren Gerätecode oder ein langes Passwort zu verwenden, das sich nicht leicht erraten lässt. Diese Codes und Passwörter sollte man für sich behalten. Ich rate stark davon ab, anderen Personen Zugriff auf ein persönliches Gerät zu geben, sei das via abgespeichertem Fingerabdruck oder indem man den PIN teilt. Auch wenn du der Person vertraust, können sich Umstände immer ändern und auch in einer engen Beziehung verdienen wir alle unsere Privatsphäre.
Es ist kein Vertrauensbruch, eine*n Partner*in nicht an seine Daten zu lassen. Ausserdem macht Gelegenheit Diebe: Wenn niemand die Möglichkeit hat, den anderen auszuspionieren, bleibt auch in schwachen Momenten diese Versuchung aus – und man setzt seine Beziehungen nicht unnötig aufs Spiel.
Wenn man sein Passwort oder PIN in der Vergangenheit aber doch mit jemandem geteilt hat oder befürchtet, eine Person habe sich auf andere Weise digitalen Zutritt verschafft, gibt es einige Dinge, die man überprüfen sollte.
Bevor man anfängt, sein Handy oder Tablet auf die Softwares zu untersuchen, ist es aber ratsam, sich zu überlegen, wo man auf Hilfe zurückgreifen kann. Das können Freund*innen, Familie oder einer Opferhilfsstelle sein. Die Coalition Against Stalkerware bietet aktuelle Informationen für Opfer von Stalkerware sowie eine Liste von Hilfsstellen.
Die politische Dimension des Digitalen ist so gross wie das Netz selbst. Mit einem Mix aus Expertise, Spass und sehr viel Wut auf das System schreibt maia arson crimew über Technologie, Überwachung, Internetkultur und Science Fiction – oder was ihr im digitalen Raum sonst gerade zwischen die Finger gerät. In ihrer Kolumne cyber_punk nimmt sie uns mit in die Untiefen des Internets und zeigt, wie die physische mit der digitalen Welt zusammenhängt.
maia arson crimew ist eine Luzerner Hacktivistin und investigative Journalistin. Auf ihrem Blog publiziert sie Recherchen über die verschiedenen Auswüchse des Überwachungskapitalismus und ist nebenbei auch als DJ unterwegs.
Wenn irgendwie möglich, verwendet beim Hilfesuchen nicht euer möglicherweise infiziertes Gerät. Denn wenn ihr wirklich überwacht werdet, weiss der*die Täter*in sonst sofort, dass ihr Verdacht schöpft. Das Entfernen der Überwachungssoftware ist üblicherweise von der Täter*in leicht bemerkbar und daher nicht risikofrei.
Praktisch alle modernen Stalkerware Softwares, die Apple iOS unterstützt, funktionieren nicht direkt auf dem Gerät, sondern werden via iPhone-Backups direkt von der iCloud auf das Gerät geleitet. Dies funktioniert entweder über dein eigenes Konto – falls eine Täter*in das Passwort dafür kennt – oder indem die Person heimlich ein zweites iCloud Konto auf deinem Gerät konfiguriert hat. Im ersten Fall sollte es normalerweise reichen, das iCloud Passwort zu ändern und zwei-Faktor-Authentifizierung einzuschalten. Im zweiten Fall müsste sich das unerwünschte iCloud-Konto in den Backup-Einstellungen befinden, wo man es direkt entfernen kann.
Auf Android ist das ganze etwas komplizierter: Apps haben üblicherweise wesentlich mehr Rechte als bei iOS-Geräten und können einfach von Quellen ausserhalb des Play Stores installiert werden. Der erste Schritt, um mögliche Änderungen an einem Gerät festzustellen, ist daher in den Play-Store-Einstellungen den „Play Protect Status“ zu überprüfen. Falls das Antivirus noch nicht eingeschaltet ist, sollte man das nachholen. „Play Protect“ erkennt und warnt vor den meisten Stalkerware-Apps. Falls also jemand heimlich eine Überwachungssoftware bei euch installiert hat, wird der*die Täter*in diese Funktion als Erstes ausgeschaltet haben.
Da Überwachungssoftwares viel Zugriff auf das infizierte Androidgerät benötigen, findet man die Stalker-Apps normalerweise unter den Systemeinstellungen für Bedienungshilfen und unter „Geräte- und App-Benachrichtigungen“ beziehungsweise unter „Apps“ und „Spezieller App-Zugriff“. Dort könnt ihr verdächtigen Apps, die ihr nicht kennt, alle Berechtigungen entziehen und direkt entfernen.
Systemapps – also vorinstallierte Apps wie zum Beispiel die Uhr und der Rechner auf Android-Geräten – müssen nicht nach diesen Berechtigungen fragen. Stalkerapps tarnen sich oft als solche Systemapps mit Namen wie „System Service“, „Google Services“, „Accessibility“. Wenn es möglich ist, verdächtige Apps zu deinstallieren, könnt ihr sicher sein, dass es sich nicht um echte Systemapps handelt, sondern um Drittsoftware.
Eine weitere spezielle Androidfunktion, die man überprüfen sollte, sind „Apps zur Geräteverwaltung“ (in den Systemeinstellungen unter „Sicherheit“), diese Funktion erlaubt es zum Beispiel in einem Geschäftsumfeld Arbeitsgeräte aus der Ferne zu verwalten und erlaubt weitreichenden Zugriff auf das Androidsystem. Spionageapps verstecken sich auch hier häufig unter Namen wie „System Service“ oder „Device Admin“.
Üblicherweise haben Privatpersonen keine Geräteverwaltungsapps auf ihren persönlichen Geräten. Findet man doch welche, kann man bedenkenlos alle Berechtigungen dieser Apps ausschalten.
Grundsätzlich ist es ratsam, die Berechtigungen aller Apps, die man nicht kennt, auszuschalten. Es lohnt sich also, sich in den Systemeinstellungen durch alle installierten Apps zu scrollen und diejenigen, die man nicht erkennt, zu deinstallieren.
Besonders genau hingucken sollte man bei Apps mit vielen Berechtigungen, wie der Zugriff auf den Standort, Anrufe, Kontakte und so weiter. Bereits gesammelte Daten bleiben zwar für Stalker zugänglich, aber nach dem Entfernen der Überwachungsapps sollten keine neuen Daten mehr gesammelt werden können.
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