Von Musk gecancelt

Gibt sich Firmen­in­haber Elon Musk auf seiner Platt­form X mit einem Fake-Account als sein eigener Fanboy aus? Das vermu­tete die X‑Community in den letzten Monaten. Unsere Kolum­ni­stin und Hackerin maia arson crimew hat die Vorwürfe unter­sucht; und wurde kurz darauf auf X gesperrt. 
11 Stunden nach Veröffentlichung ihrer Recherche wurde unsere Kolumnistin manuell auf X gesperrt. (Bild: Luca Mondgenast)

Elon Musk ist gerade allge­gen­wärtig; kein Weg scheint an dem reich­sten Mann der Welt vorbei­zu­gehen. Zuletzt schockierte der Tech-Milli­ardär mit dem Zeigen des Hitler­grusses an Trumps Inau­gu­ra­tion. Und wie es der Zufall so will, habe ich in den letzten Monaten meine ganz eigene Geschichte mit dem selbst­er­nannten Free-Speech-Warrior erlebt.

Die Story beginnt mit einem Account auf X (vormals Twitter) von einem Typen, der sich Adrian Ditt­mann nennt. Auf den ersten Blick wirkt der Account wie einer von vielen Tech­bros. Die meisten Posts von Ditt­mann handeln entweder von KI, Cryp­to­wäh­rungen oder den immer glei­chen „Awesome Science Facts”, die mit jedem weiteren Repost weniger awesome werden.

Doch auf den zweiten Blick fallen andere Dinge auf: Ditt­mann antwortet nicht nur regel­mässig auf Elon Musks Posts mit schmei­chel­haften Kompli­menten an den Multi­mil­li­ardär, auch seine Stimme klingt in seinen X Spaces – Audio Live­streams, die ähnlich wie Podcasts funk­tio­nieren – auch verdächtig ähnlich wie die des Tech­mil­li­ar­därs. Schnell kommt aus allen Ecken der Internet-Commu­nity der Verdacht auf, dass Adrian Ditt­mann ein Alt-Account von Elon Musk ist: Ein Fake-Profil, mit dem er sich als seinen eigenen Fan ausgibt.

Es wäre nicht das erste Mal, dass Elon Musk, der reichste Mann der Welt und neuer­dings Präsi­denten-Flüsterer, Accounts unter falschem Namen bewirt­schaftet. 2023 wurde Musk dabei erwischt einen „Test Account” zu haben, mit dem er sich als sein eigener, damals zwei jähriger, Sohn X Æ A‑12 ausgab. In der Perso­ni­fi­zie­rung seines Klein­kind-Sohnes hat Musk dann sowohl Hass­nach­richten an seine Kritiker*innern gesendet, die er als seine Feinde versteht, als auch sexua­li­sie­rende Posts über japa­ni­sche Frauen geschrieben. Natür­lich ging Musk nicht davon aus, dass irgend­je­mand glauben würde, dass die Posts tatsäch­lich von seinem Sohn stammten; aber das Profil ist exem­pla­risch für Musks Trol­ling und bizarren Humor.

Die Stimmen von Musk-Fanboy Ditt­mann und die des Multi­mil­li­ar­därs selbst klingen auffal­lend ähnlich.

Das merk­wür­dige Verhalten von Ditt­mann zog in den letzten Monaten zuneh­mend die Aufmerk­sam­keit der X‑User*innen auf sich, weswegen die Follo­wer­zahlen des mutmass­li­chen Fake­ac­counts in den letzten Monaten auf eine viertel Million anstiegen.

News Artikel darüber, dass Elons und Adrians Stimmen ähnlich klingen und viele User*innen online denken, die beiden seien dieselbe Person, häuften sich mehr und mehr. Vertiefter dazu recher­chiert hatte aber scheinbar niemand. Aber so schwer konnte es doch eigent­lich nicht sein, den Fake zu entlarven – oder die Gerüchte zu entkräften.

Gibt sich Elon Musk als sein eigener Fanboy aus?

Am 29. Dezember 2024, am Peak des News-Fiebers über Ditt­mann, habe ich dann genug und fange selbst zu recher­chieren an. Als erstes versuche ich mein Glück mit einem Tool, das mich vergan­gene Daten­lecks nach Namen oder E‑Mail Adressen durch­su­chen lässt. Für „Adrian Ditt­mann” gibt es einen einzigen Treffer: eine E‑Mail- und eine IP-Adresse in Fiji, gefunden in einem Daten­leck von den Benut­zer­daten eines AI-Tools Anfang 2024.

Mit der gefun­denen E‑Mail Adresse können meine Co-Rese­ar­cherin, Ryan Fae, und ich relativ schnell weitere Online-Accounts von Ditt­mann ausfindig machen. Bei dem Musk-Fanboy scheint es sich um den Sohn einer deut­schen Familie in Fiji zu handeln. Das passt dazu, was Ditt­mann auf X von sich selbst behauptet: Er postete mehr­mals, in Gibraltar aufge­wachsen und Deutsch zu sein und jetzt in Ozea­nien zu leben.

Faes und meine Recherche ergeben ausserdem, dass die Familie Ditt­mann die Besit­zerin einer Finanz­soft­ware­firma mit Sitz in Zug in der Schweiz ist. Bis ca 2015 hatte das Ditt­mann-Fami­li­en­un­ter­nehmen eine Korre­spon­denz­ad­dresse in Gibraltar. Diese Infor­ma­tion passt also auch zu dem, was Ditt­mann auf X über sich sagt.

11 Stunden nach Veröf­fent­li­chung unserer Recherche werden wir auf X gesperrt.

Die Ditt­manns spielen ganz oben mit: In Fiji gehört der Familie auch ein „nach­hal­tiges Forst und Farm Unter­nehmen” sowie eine Mine­ral­was­ser­marke und ein Luxus­jacht­hafen. Wir finden zudem ein YouTube-Video, in dem Ditt­mann zu sehen ist: Auf dem Kanal der Regie­rung von Fiji. Präsi­dent Ratu Wiliame Maiva­lili Kato­ni­vere hält eine Rede zur Einwei­hung des Jacht-Life­style-Shops der Ditt­manns. Mit etwas Geduld konnten wir einen Ring an Ditt­manns Hand in dem YouTube-Video mit demje­nigen eines Koch­vi­deos auf Ditt­manns X‑Account matchen und seine Iden­tität so noch genauer bestätigen.

Die Beweise sind also eindeutig: Adrian Ditt­mann gibt es wirk­lich und er ist nicht Elon Musk.

Von Musk gecancelt

Als unsere Recherche Anfang Januar sowohl in einem Artikel in The Spec­tator als auch ausführ­lich in einem Post auf meinem Blog veröf­fent­licht wurde, empörten sich viele Leser*innen über die Fakten. Offenbar wollten viele X‑User*innen lieber weiter daran glauben, dass es sich bei Adrian Ditt­mann um Elon Musk handelt, als die Beweis­lage zu akzeptieren.

Aus Frust über die Erkennt­nisse wurde meiner Recherche-Part­nerin und mir vorge­worfen, von Musk oder gar China bezahlt zu werden. Andere warfen uns vor, unsere Recher­che­er­geb­nisse gefälscht zu haben, weil wir den rechts­extremen Tech­mil­li­ardär so geil fänden. An dieser Stelle möchte ich ganz klar sein: Ich finde Elon Musk grau­en­voll und würde nie Fakten zu seinen Gunsten verdrehen. Aber die Beweise müssen akzep­tiert werden, auch wenn es schwer fällt.

11 Stunden nach Veröf­fent­li­chung unserer Recherche werden Ryan, eine Free­lance-Jour­na­li­stin für The Spec­tator und ich für 30 Tage von X gesperrt, unsere Posts zu unserer Recherche gelöscht und alle Links zu den Arti­keln deak­ti­viert. Das alles ist nur durch manu­elle Mode­ra­tion möglich. Musk und sein Team müssen sich aktiv den Aufwand gemacht haben, all diese Infor­ma­tionen zu verbergen.

Das einzig sichere ist Elon Musks Lust daran, den grossen Herr­scher zu spielen.

Somit hat die vermeint­liche „Free Speech”-Plattform X drei Jour­na­li­stinnen gesperrt und ihre Artikel unter­drückt, nur weil sie bewiesen haben, dass eine Person, die unter ihrem vollen Namen postet auch tatsäch­lich die Person ist – und nicht ein Fake­profil von Firmen­in­haber Elon Musk selbst.

Der Tech-Milli­ardär scheint aber offenbar nichts vom Streis­sand-Effekt zu wissen. Denn logi­scher­weise hat diese Cancel-Aktion sofort dafür gesorgt, dass unsere Story noch viel grösser wurde. Sogar CNN berich­tete über unsere Recherche und die darauf­fol­genden Accountsperrungen.

Welches Ziel Musk mit dem Versuch verfolgt, Recher­chen zu unter­drücken, die beweisen, dass er auf seiner eigenen Platt­form nicht den pein­li­chen Fanboy von sich selbst spielt, bleibt bis heute unge­klärt. Sein Verhalten scheint gene­rell unwill­kür­lich zu sein: Nach der Sper­rung wurden unsere X‑Accounts früh­zeitig entsperrt, dann forderte uns X auf, Posts zu löschen, die gegen keine Richt­linie verstossen, nur um dieselben Beiträge kurze Zeit später wieder aufzuschalten.

Das einzige, was sicher scheint, ist Elon Musks Lust daran, den grossen Herr­scher zu spielen. Und dass er die Leute schützt, die ihn anhim­meln. Aber mir bleibt von der Geschichte immerhin ein persön­li­ches Andenken: Mein geiler Elon-Musk-Jour­na­lismus-Award (siehe Titelbild).


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Berühmt und brotlos

Unsere Kolumnistin maia arson crimew ist "die berühmteste Hackerin der Schweiz". Ihre aktivistische und journalistische Arbeit schlug international grosse Wellen. Trotzdem lebt sie am Existenzminimum – und so wie ihr geht es vielen Berühmtheiten heutzutage.