Elon Musk ist gerade allgegenwärtig; kein Weg scheint an dem reichsten Mann der Welt vorbeizugehen. Zuletzt schockierte der Tech-Milliardär mit dem Zeigen des Hitlergrusses an Trumps Inauguration. Und wie es der Zufall so will, habe ich in den letzten Monaten meine ganz eigene Geschichte mit dem selbsternannten Free-Speech-Warrior erlebt.
Die Story beginnt mit einem Account auf X (vormals Twitter) von einem Typen, der sich Adrian Dittmann nennt. Auf den ersten Blick wirkt der Account wie einer von vielen Techbros. Die meisten Posts von Dittmann handeln entweder von KI, Cryptowährungen oder den immer gleichen „Awesome Science Facts“, die mit jedem weiteren Repost weniger awesome werden.
Doch auf den zweiten Blick fallen andere Dinge auf: Dittmann antwortet nicht nur regelmässig auf Elon Musks Posts mit schmeichelhaften Komplimenten an den Multimilliardär, auch seine Stimme klingt in seinen X Spaces – Audio Livestreams, die ähnlich wie Podcasts funktionieren – auch verdächtig ähnlich wie die des Techmilliardärs. Schnell kommt aus allen Ecken der Internet-Community der Verdacht auf, dass Adrian Dittmann ein Alt-Account von Elon Musk ist: Ein Fake-Profil, mit dem er sich als seinen eigenen Fan ausgibt.
Es wäre nicht das erste Mal, dass Elon Musk, der reichste Mann der Welt und neuerdings Präsidenten-Flüsterer, Accounts unter falschem Namen bewirtschaftet. 2023 wurde Musk dabei erwischt einen „Test Account“ zu haben, mit dem er sich als sein eigener, damals zwei jähriger, Sohn X Æ A‑12 ausgab. In der Personifizierung seines Kleinkind-Sohnes hat Musk dann sowohl Hassnachrichten an seine Kritiker*innern gesendet, die er als seine Feinde versteht, als auch sexualisierende Posts über japanische Frauen geschrieben. Natürlich ging Musk nicht davon aus, dass irgendjemand glauben würde, dass die Posts tatsächlich von seinem Sohn stammten; aber das Profil ist exemplarisch für Musks Trolling und bizarren Humor.
Das merkwürdige Verhalten von Dittmann zog in den letzten Monaten zunehmend die Aufmerksamkeit der X‑User*innen auf sich, weswegen die Followerzahlen des mutmasslichen Fakeaccounts in den letzten Monaten auf eine viertel Million anstiegen.
News Artikel darüber, dass Elons und Adrians Stimmen ähnlich klingen und viele User*innen online denken, die beiden seien dieselbe Person, häuften sich mehr und mehr. Vertiefter dazu recherchiert hatte aber scheinbar niemand. Aber so schwer konnte es doch eigentlich nicht sein, den Fake zu entlarven – oder die Gerüchte zu entkräften.
Gibt sich Elon Musk als sein eigener Fanboy aus?
Am 29. Dezember 2024, am Peak des News-Fiebers über Dittmann, habe ich dann genug und fange selbst zu recherchieren an. Als erstes versuche ich mein Glück mit einem Tool, das mich vergangene Datenlecks nach Namen oder E‑Mail Adressen durchsuchen lässt. Für „Adrian Dittmann“ gibt es einen einzigen Treffer: eine E‑Mail- und eine IP-Adresse in Fiji, gefunden in einem Datenleck von den Benutzerdaten eines AI-Tools Anfang 2024.
Mit der gefundenen E‑Mail Adresse können meine Co-Researcherin, Ryan Fae, und ich relativ schnell weitere Online-Accounts von Dittmann ausfindig machen. Bei dem Musk-Fanboy scheint es sich um den Sohn einer deutschen Familie in Fiji zu handeln. Das passt dazu, was Dittmann auf X von sich selbst behauptet: Er postete mehrmals, in Gibraltar aufgewachsen und Deutsch zu sein und jetzt in Ozeanien zu leben.
Faes und meine Recherche ergeben ausserdem, dass die Familie Dittmann die Besitzerin einer Finanzsoftwarefirma mit Sitz in Zug in der Schweiz ist. Bis ca 2015 hatte das Dittmann-Familienunternehmen eine Korrespondenzaddresse in Gibraltar. Diese Information passt also auch zu dem, was Dittmann auf X über sich sagt.
Die Dittmanns spielen ganz oben mit: In Fiji gehört der Familie auch ein „nachhaltiges Forst und Farm Unternehmen“ sowie eine Mineralwassermarke und ein Luxusjachthafen. Wir finden zudem ein YouTube-Video, in dem Dittmann zu sehen ist: Auf dem Kanal der Regierung von Fiji. Präsident Ratu Wiliame Maivalili Katonivere hält eine Rede zur Einweihung des Jacht-Lifestyle-Shops der Dittmanns. Mit etwas Geduld konnten wir einen Ring an Dittmanns Hand in dem YouTube-Video mit demjenigen eines Kochvideos auf Dittmanns X‑Account matchen und seine Identität so noch genauer bestätigen.
Die Beweise sind also eindeutig: Adrian Dittmann gibt es wirklich und er ist nicht Elon Musk.
Von Musk gecancelt
Als unsere Recherche Anfang Januar sowohl in einem Artikel in The Spectator als auch ausführlich in einem Post auf meinem Blog veröffentlicht wurde, empörten sich viele Leser*innen über die Fakten. Offenbar wollten viele X‑User*innen lieber weiter daran glauben, dass es sich bei Adrian Dittmann um Elon Musk handelt, als die Beweislage zu akzeptieren.
Aus Frust über die Erkenntnisse wurde meiner Recherche-Partnerin und mir vorgeworfen, von Musk oder gar China bezahlt zu werden. Andere warfen uns vor, unsere Rechercheergebnisse gefälscht zu haben, weil wir den rechtsextremen Techmilliardär so geil fänden. An dieser Stelle möchte ich ganz klar sein: Ich finde Elon Musk grauenvoll und würde nie Fakten zu seinen Gunsten verdrehen. Aber die Beweise müssen akzeptiert werden, auch wenn es schwer fällt.
11 Stunden nach Veröffentlichung unserer Recherche werden Ryan, eine Freelance-Journalistin für The Spectator und ich für 30 Tage von X gesperrt, unsere Posts zu unserer Recherche gelöscht und alle Links zu den Artikeln deaktiviert. Das alles ist nur durch manuelle Moderation möglich. Musk und sein Team müssen sich aktiv den Aufwand gemacht haben, all diese Informationen zu verbergen.
Somit hat die vermeintliche „Free Speech“-Plattform X drei Journalistinnen gesperrt und ihre Artikel unterdrückt, nur weil sie bewiesen haben, dass eine Person, die unter ihrem vollen Namen postet auch tatsächlich die Person ist – und nicht ein Fakeprofil von Firmeninhaber Elon Musk selbst.
Der Tech-Milliardär scheint aber offenbar nichts vom Streissand-Effekt zu wissen. Denn logischerweise hat diese Cancel-Aktion sofort dafür gesorgt, dass unsere Story noch viel grösser wurde. Sogar CNN berichtete über unsere Recherche und die darauffolgenden Accountsperrungen.
Welches Ziel Musk mit dem Versuch verfolgt, Recherchen zu unterdrücken, die beweisen, dass er auf seiner eigenen Plattform nicht den peinlichen Fanboy von sich selbst spielt, bleibt bis heute ungeklärt. Sein Verhalten scheint generell unwillkürlich zu sein: Nach der Sperrung wurden unsere X‑Accounts frühzeitig entsperrt, dann forderte uns X auf, Posts zu löschen, die gegen keine Richtlinie verstossen, nur um dieselben Beiträge kurze Zeit später wieder aufzuschalten.
Das einzige, was sicher scheint, ist Elon Musks Lust daran, den grossen Herrscher zu spielen. Und dass er die Leute schützt, die ihn anhimmeln. Aber mir bleibt von der Geschichte immerhin ein persönliches Andenken: Mein geiler Elon-Musk-Journalismus-Award (siehe Titelbild).
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