Ein und dasselbe Mail ging vor ein paar Tagen bei der Jungen SVP, den Jungen Grünliberalen, der Jungen CVP, den Jungfreisinnigen, der Jungen EVP, der Juso, der Jungen BDP und den Jungen Grünen ein. Absender: das Lamm. Wir stellten den Jungparteien folgende Frage:
Guten Tag zusammen
Mich würde es interessieren, ob eure Parteileitung an den kommenden Klimastreiks anzutreffen sein wird. Falls ja: Wieso findet ihr dieses Engagement wichtig? Falls nein: Wieso geht ihr nicht hin?
Ich bin gespannt auf eine Antwort, wünsche euch ein schönes Wochenende und verbleibe mit freundlichen Grüssen
Das Lamm
Und hier nun die Antworten darauf!
Für die Jungen Grünen kommen die Klimastreiks genau zum richtigen Zeitpunkt
Wenig überraschend sind die Jungen Grünen Feuer und Flamme für die Klimastreiks. Co-Präsident Luzian Franzini schreibt uns folgende Zeilen zurück:
Viele Mitglieder der Jungen Grünen sind seit Tag 1 bei der Organisation der Klimastreiks dabei. Wie bereits bei den vorhergehenden Streiks werden wir unsere Mitglieder zur Teilnahme aufrufen. Wir sind momentan daran, in verschiedenen Kantonen Vorstösse und Petitionen zur Ausrufung des Klimanotstandes einzureichen und unterstützen die Forderungen der Bewegung.
Die Klimastreik-Bewegung kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Wir stehen in der Klimapolitik am Scheideweg. Mit einem konsequenten Ausstieg aus den Fossilen Energien bis 2030 lassen sich die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise noch verhindern. Wir sind jung und fordern eine Politik mit Zukunft!
Zum richtigen Zeitpunkt kommen die Streiks für die Jungen Grünen wahrscheinlich nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern auch aus parteistrategischen. Das Motto für das Wahljahr 2019 lautet bei den Grünen nämlich „Klimawahl“. Je mehr Aufmerksamkeit das Thema bis zu den Wahlen im Oktober erhält, desto mehr Stimmen werden sie im Herbst einsacken können.
Auch die Jungen Grünliberalen nutzen die Klimawelle
Ähnlich sieht es bei den Jungen Grünliberalen aus. Ihr Co-Präsident Tobias Vögeli antwortet uns:
Vertreter von der JGLP werden in der ganzen Schweiz an den Klimastreiks teilnehmen – oder sind sogar für die Organisation mitverantwortlich. Innerhalb der JGLP haben wir für jede Stadt eine Ansprechperson, die an den Demos dabei ist und an welche sich unsere Mitglieder wenden können, damit sie nicht allein hingehen müssen.
Auch die Grünliberalen erhoffen sich zu Recht, dass sie bei den anstehenden Wahlen kräftig zulegen können – vor allem dank der grossen Aufmerksamkeit, die dem Klima gerade zuteilwird. Auch wegen der Klimastreiks. Es wäre verwunderlich, würde die JGLP diese Chance nicht nutzen. Aber das Engagement der Partei ist sicherlich nicht nur auf wahltaktische Gründe zurückzuführen: Es scheint aufrichtig.
Die Jungfreisinnigen müssen leider arbeiten gehen
Anders sieht das bei der FDP aus. Auch sie will neuerdings auf der Klimawelle reiten, allerdings wenig glaubwürdig. Anders als die Mutterpartei könnten sich die Jungfreisinnigen jedoch glaubhaft als ‚klimabesorgt‘ positionieren: Ihre Mitglieder sind jünger und werden von den Folgen des Klimawandels deshalb stärker betroffen sein. Trotzdem sind die Klimastreiks bei den jungen Liberalen nicht besonders beliebt.
Die Jungfreisinnigen Schweiz könnten aus statuarischen Gründen nicht zu einer Teilnahme an den globalen Klimastreiks aufrufen, erklärt uns Maja Freiermuth, Generalsekretärin der Jungfreisinnigen Schweiz. Hierfür bräuchte es zuerst ein Positionspapier zum Thema Klimapolitik. Die Leitlinien für ein solches Positionspapier würden jedoch erst am diesjährigen nationalen Kongress der Jungfreisinnigen vom 16. bis 17. März festgelegt werden. Also ein Tag nach den weltweiten Klimastreiks.
Aber auch mit einem solchen Positionspapier sei es eher unwahrscheinlich, dass die Partei dereinst zu einer Teilnahme an den Streiks aufrufen würde, da sich der Vorstand der Jungfreisinnigen laut Freiermuth noch nie offiziell an einer Demo beteiligt oder zur Beteiligung aufgerufen habe – auch nicht bei typisch liberalen Themen wie für ein höheres Rentenalter oder gegen Netzsperren. Streiks und Demos gehören bei den Jungfreisinnigen offensichtlich nicht zu den beliebtesten Methoden, um sich Gehör zu verschaffen. Ob man aber schlussendlich an den Klimastreiks mitlaufe oder nicht, sei natürlich jedem und jeder einzelnen der neun Vorstandsmitglieder selbst überlassen. Diese scheinen jedoch laut Freiermuth alle auf Parteikurs zu sein:
Vom Vorstand wird am 15. März niemand teilnehmen können. Es sind alle entweder arbeitsbedingt verpflichtet oder nicht an einer Teilnahme interessiert.
Trotzdem unterstützten die Jungfreisinnigen die Klimastreiks, meint die Generalsekretärin, da...
… wir es toll finden, wenn sich junge Menschen in die Politik einmischen und sie mitgestalten wollen. Wir hoffen aber auch, dass die Leute merken, dass es, um etwas zu bewirken, harte Arbeit braucht, die nach einem Streik nicht einfach aufhört.
Unterstützung auf der einen Seite und Desinteresse auf der anderen? Es scheint, als hätten die Jungfreisinnigen noch keine klare Position zu den Klimastreiks gefunden. Der Kongress am kommenden Samstag und die bis dato noch fehlenden Leitlinien bezüglich Klimapolitik werden da vielleicht Klarheit schaffen können.
Die Junge CVP zieht die politische Allianz der Strasse vor
Genau wie die Jungfreisinnigen wird man auch die Junge CVP an den Klimastreiks vom kommenden Freitag vergebens suchen. Dennoch scheint man sich bei der Jungen CVP bereits klarer positioniert zu haben als bei den jungen Liberalen. Josko Pekas, der Generalsekretär der Jungen CVP Schweiz, schreibt uns nämlich folgende Antwort:
Die JCVP Schweiz wird nicht an den Klimastreiks teilnehmen. Wir setzen uns aber dennoch für dringend notwendige Massnahmen ein. Im Rahmen der Jungallianz für das Klima kämpft die JCVP Schweiz für ein griffiges CO2-Gesetz und versucht damit nicht nur Medienaufmerksamkeit zu generieren, sondern direkt auf die politische Entscheidungsfindung Einfluss zu nehmen.
Ähnlich wie bei den Jungfreisinnigen gehören Demos und Streiks offensichtlich auch bei der Jungen CVP nicht in das politische Interventionsrepertoire. Dass ihnen der Klimaschutz trotzdem ein Anliegen sei, scheint aber keine leere Worthülse zu sein, denn die Junge CVP engagiert sich in der erwähnten Jungallianz für das Klima, ein überparteiliches Komitee aus Juso, Junge Grüne, JEVP, JBDP, JCVP und JGLP. Zusammen wollen diese Jungparteien in der kommenden Session mit harter politischer Arbeit dafür sorgen, dass ein griffiges und innovatives CO2-Gesetz verabschiedet wird. Nicht im Komitee dieser Jungallianz vertreten sind neben den Jungfreisinnigen nur noch die Leute von der Jungen SVP. Anders jedoch als die Jungfreisinnigen positioniert sich die Junge SVP ziemlich deutlich – jedoch auf der Basis von falschen Zahlen.
Die Junge SVP ist schlecht informiert
Folgendes Mail von Benjamin Fischer, Präsident der Jungen SVP Schweiz, erreichte die Lamm-Redaktion:
Nein, die Junge SVP wird nicht an den Klimademos anzutreffen sein, weil die populistische Hysterie nichts bringt. Umweltprobleme lösen wir nur mit Forschung und technologischem Fortschritt. Schweizer Unternehmen leisten grossartige Arbeit für eine bessere Umwelt.
In der Schweiz wird pro Kopf nur halb so viel CO2 ausgestossen wie etwa in Deutschland. Der Einfluss der Schweiz auf das Weltklima ist gleich Null. Wir wehren uns gegen Planwirtschaft und sind gegen höhere Abgaben für Benzin oder das Fliegen.
Leider hat der Vorstand der Jungen SVP die Entscheidung, den Klimastreiks fern zu bleiben, auf Basis falscher Informationen getroffen. Zwar lagen die Treibhausgasemissionen, welche im Jahr 2016 auf Schweizer Territorium ausgestossen wurden, mit 5.8 Tonnen pro Person (nicht eingerechnet ist der internationale Flug- und Schiffsverkehr) tatsächlich tiefer als die Emissionen auf deutschem Territorium (8.88 Tonnen CO2 pro Person). Aber: In der Rechnung, die diesen Zahlen zugrunde liegt, fehlen all die Emissionen, die anderswo auf der Welt bei der Produktion von Gütern entstehen, die schlussendlich in der Schweiz konsumiert werden.
Bezieht man diese ausländischen Emissionen mit ein, dann steigen die Pro-Kopf-Emissionen von Herrn und Frau Schweizer auf 14 Tonnen. Und das ist nicht nur deutlich höher als der weltweite Durchschnitt von 6 Tonnen, sondern auch weit entfernt von den 0.6–1.5 Tonnen, welche die Atmosphäre laut dem Bundesamt für Umwelt maximal ertragen würde.
Der Einfluss der Schweizerinnen und Schweizer auf das Klima ist also nicht gleich Null. Unsere Pro-Kopf-Emissionen sind unter Berücksichtigung unseres Konsums grösser als diejenigen unserer Nachbarn – und zehnmal grösser, als sie sein dürften.
Zudem kann es natürlich sein, dass die Technologie einen Beitrag leisten wird zur Lösung gewisser klimabedingter Probleme. Aber auch für mehr Forschung in Sachen Klimatechnologie könnte man auf die Strasse gehen.
Die Juso erhofft sich eine bessere Welt
Ganz anders tönt es hingegen bei den JungsozialistInnen. Die Teilnahme an den Klimastreiks sei ein logisches Engagement, um für eine gerechtere Welt einzustehen. Julia Baumgartner, Zentralsekretärin Juso Schweiz, schreibt uns folgende Zeilen:
Unsere Geschäftsleitungsmitglieder werden sicher auch an den Klimastreiks in den unterschiedlichen Städten anzutreffen sein – wie auch schon bei den vergangenen Streiks. Wir gehen jedoch nicht koordiniert, sondern alle auf Eigeninitiative.
Wir unterstützen die Klimastreikbewegungen klar. Die Klimakrise ist die dringlichste Herausforderung unserer Zeit. Das grosse Engagement dieser jungen Menschen, die aufstehen für ihre Zukunft, macht Hoffnung auf eine Welt, in der endlich die Bedürfnisse der Menschen und die Sorge für unsere Umwelt im Zentrum stehen, statt Profite. Wir teilen die Überzeugung der Schülerinnen und Schüler, dass es für eine ernsthafte Umweltpolitik endlich einen Systemwechsel in der Wirtschaft braucht. Wir wünschen ihnen weiterhin viel Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen bei diesem wichtigen Einsatz für unsere Welt und unsere gemeinsame Zukunft.
Dass der Kampf gegen den Klimawandel viel damit zu tun hat, wieviel Profit die CEOs und AktieneignerInnen der grossen Firmen in Zukunft noch abzügeln können, ist nicht an den Haaren herbeigezogen. Laut einem Artikel des Guardian sind es gerade einmal 100 Firmen, die zusammen für 71% der industriell entstandenen Treibhausgase verantwortlich sind. Müssten diese Firmen für die Schäden aufkommen, die sie durch den Ausstoss dieser Klimagase verursachen, dann würden die Profite von ExxonMobil, Shell, BP, RWE, Glencore und Co. ziemlich schnell absacken. Und exorbitante Managerlöhne würden genauso der Vergangenheit angehören wie grosszügige Ausschüttungen an die AktienbesitzerInnen.
Die Junge BDP will, dass die Jugendlichen in die Entscheidungsfindung einbezogen werden
Von Angelika Ruider aus dem Vorstand der Jungen BDP erreichte uns folgendes Statement:
Das politische Engagement der Jungen freut uns sehr. […] Das Thema Klimawandel lässt uns nicht kalt! Zu Streiks rufen wir — unabhängig vom Thema — generell nicht auf; es werden morgen dennoch einzelne Mitglieder unserer Partei an den zahlreichen Protestmärschen anzutreffen sein. Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass wir als Partei der Vernunft immer bereit sind, Hand zu Lösungen zu bieten. Unsere Fraktionspräsidentin hat darum am 12.03.2019 auch folgenden Vorstoss eingereicht: „Klima-Demonstrierende in Lösungsprozesse einbinden.“ Diese Herangehensweise erachten wir auf lange Sicht als nachhaltiger als Schuleschwänzen.
In dem von der BDP-Nationalrätin Rosmarie Quadranti eingereichten Vorstoss wird der Bundesrat damit beauftragt zu prüfen, wie man die demonstrierenden Schülerinnen und Schüler in die Lösungen bezüglich Klimawandel einbeziehen könnte. Das sei sinnvoll, da die demonstrierenden Jugendlichen grosses Potenzial, viel Know-how und kreative Lösungsansätze hätten.
Bei der Jungen EVP soll jeder selbst entscheiden, ob es sich lohnt
Auch die letzte Jungpartei, die wir gefragt haben, will laut eigenen Angaben, dass sich die Wirtschaft stärker am Gemeinwohl orientiert statt nur am Gewinn. Aber gehen sie dafür auch auf die Strasse? Die Antwort von Raphael Hählen, Generalsekretär der Jungen EVP, ist vermittelnd, sympathisch und differenziert. Aber vielleicht fast ein bisschen zu differenziert:
Es ist so, dass wir nicht als Partei dazu aufrufen, an den Klimastreiks teilzunehmen. Für uns ist der Klimaschutz wirklich ein wichtiges Thema, und wir setzen uns konsequent für einen verbesserten Klimaschutz ein. Betreffend des Klimastreiks werden sicher Parteimitglieder daran teilnehmen bzw. sie haben bereits teilgenommen. Ich denke, das soll jeder mit sich selbst vereinbaren, ob es sich für ihn lohnt zu „streiken“, und was der Nutzen davon ist. Die Leute, welche gehen, möchten ein Zeichen setzen und mit dem Streik einen gewissen Druck ausüben. Die Leute, welche nicht gehen, sind nicht gegen Klimaschutz, sondern sehen vielleicht andere alternative Wege, sich für einen Klimaschutz zu engagieren.
Natürlich gibt es viele Wege, sich für das Klima einzusetzen. Und die Junge EVP gibt durch ihr Engagement bei der Jungallianz für das Klima gerade selbst einen dieser Wege vor.
Ob man jedoch nur dann an den Streiks teilnehmen sollte, wenn man denkt, dass es sich für einen persönlich „lohnt“, ist fraglich. Denn für die meisten Menschen in der Schweiz, auch für die Jugendlichen, wird globale Gerechtigkeit in Sachen Klima zuerst einmal heissen, dass wir auf einiges, was heute selbstverständlich ist, verzichten müssen. Einen direkten, individuellen Nutzen wird kaum eineR der Schweizer Klimastreikenden aus seinem oder ihrem Engagement ziehen können.
Die Möglichkeit, dadurch aber sowohl weitere Hitzesommer und Herbststürme wie auch klimabedingte Mehrausgaben, die in der Schweiz laut einer Studie der ETH Lausanne bis zu 10 Milliarden jährlich betragen könnten, zu verhindern, wiegt diesen Verzicht mehr als auf.
Dass sich die Jungen nun nicht nur in Form der Klimastreiks, sondern auch im politischen Rahmen zu einer breiten, überparteilichen Allianz zusammengefunden haben, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Schade ist nur, dass noch nicht alle dabei sind.