Für seine fanatische Anhängerschaft war Elon Musk lange nichts weniger als ein real gewordener Superheld wie etwa Tony Stark, ein genialer Unternehmer, der die Gesellschaft zum Guten verändern will. Er war der zu Fleisch gewordene Traum vieler Jungs und junger Männer: ein visionäres Genie mit eigener Weltraumfirma, der ganz casual die Welt rettet.
Ob mit Tesla und angeblichen Umweltambitionen oder durch Starlink, womit auch entlegenste Regionen endlich Zugang zu Internet erhalten sollen – für seine Anhänger*innen war Musk das Ausnahmetalent des Jahrtausends, das die Menschheit zu einer multiplanetaren Spezies führen – und somit das Leben von uns allen und für immer verändern würde. Medien berichteten anerkennend über Musks Innovationsfreude, die Kassen des Multimillardärs klingelten.
Auch heute ist der Techmilliardär in aller Munde – aber die Stimmung wendet sich zunehmend. Mit dem Kauf und der Umstrukturierung von Twitter in die Plattform X hat Musk ab 2022 ein nahezu uneingeschränktes Sprachrohr für Hass, Hetze und Verschwörungstheorien aller Art geschaffen. Spätestens seit dem jüngsten Vorfall, als Musk bei Präsident Trumps Inauguration den Hitlergruss zeigte, dämmert es auch den treusten Anhänger*innen: Der reichste Mann der Welt ist zugleich einer der gefährlichsten Persönlichkeiten unserer Zeit.
Als Kopf des neu geschaffenen Departement für Regierungseffizienz unter Präsident Trump hat sich der Techmilliardär nun offiziell in die politische Sphäre begeben. Auch international versucht er in der Politik mitzumischen, zum Beispiel, als er kürzlich öffentlich für die rechtsextreme AfD plädierte und behauptete, nur sie könne Deutschland retten.
Viele seiner ehemaligen Fans haben realisiert: Die Einflussnahme des reichsten Menschen auf die Weltpolitik ist nur aufgrund seines Kapitals möglich.
Die Stimmung um den derzeit reichsten Menschen des Planeten ist gekippt und selbst seine treusten Fans, denen sein Grössenwahn und neoliberales Unternehmertum kein Dorn im Auge waren, springen langsam vom Hype-Train ab.
Kann der Verlust seines Ansehens die Macht des rechtsextremen Multimilliardärs eindämmen?
Musks Image bröckelt schon lange
Wer sich durch das Forum Reddit scrollt, auf dem sich die ehemalige und gegenwärtige – vor allem männliche – Fangemeinschaft von Musk tummelt, der*dem wird schnell klar: Das Ansehen des Milliardärs befindet sich schon länger auf absteigendem Ast.
Ein Wendepunkt für viele frühere Musk-Fanatiker*innen war die „Thai Rescue“-Geschichte 2018. Als eine Jugendfussballmannschaft in einer Höhle eingeschlossen war, bot Musk an, ein Mini-U-Boot zur Rettung entwickeln zu lassen. Der britische Taucher Unsworth nannte dies einen „PR-Stunt“, worauf Musk gekränkt reagierte und ihn in einer Reihe Tweets haltlos als pädophil beschimpfte. Diese Entgleisung beschädigte schon damals die Reputation des Multimilliardären erheblich.
In Deutschland sank die Zahl verkaufter Teslas im Februar 2025 um 76,3 Prozent, in der Schweiz um 66,6 Prozent.
Für viele ehemalige Fans war auch Musks Verhalten während der Covid-19-Pandemie ein Kippmoment ihrer Haltung gegenüber ihrem ehemaligen Vorbild: Die verhängten Ausgangsbeschränkungen bezeichnete er als „faschistisch“ und verbreitete Desinformationen zu den Impfungen. Andere betrachten Musks frühere Forderung nach politischer Neutralität auf X als Wendepunkt – ein ironischer Anspruch angesichts der inzwischen einseitigen politischen Färbung der Plattform. Auch Musks Nähe zu Trump, Putin und nun der AfD kritisieren viele.
An dem Bild des grossen Ausnahmetalents kratzt auch, dass Musk Tesla nicht gegründet, sondern nur gekauft hat und seinen Erfolg massgeblich der reichen Familie verdankt, in die der Milliardär reingeboren wurde. Viele seiner ehemaligen Fans haben realisiert: Die Einflussnahme des reichsten Menschen auf die Weltpolitik ist nur aufgrund seines Kapitals möglich.
Vom Hype zur Scham
Musks offen rechtsextreme Gesinnung und die Umgestaltung von X führten dazu, dass grosse Werbepartner*innen wie Nestlé und Lego die Plattform verliessen. Auch Politiker*innen, Institutionen und Journalist*innen kehrten der Plattform den Rücken. Mit dem sogenannten „eXit“ verkündeten über 60 namenhafte deutschsprachige Persönlichkeiten ihren Ausstieg aus der Plattform X.
All das hat weitreichende Folgen: Laut dem Finanzdienstleistungsunternehmen Fidelity beträgt der aktuelle Wert von X nur noch etwa ein Fünftel des ursprünglichen Kaufpreises von 44 Milliarden Dollar.
Um Musks Vermögen zu erreichen, müsste eine Person in der Schweiz 4,6 Millionen Jahre lang arbeiten.
Auch die Nutzer*innenzahlen von X gehen stark zurück. Nur noch etwa 330 Millionen Menschen besuchen die Plattform monatlich. Musks neue Moderationspolitik auf X bewirkt vor allem eines: Rechtsextreme und Verschwörungstheoretiker fühlen sich pudelwohl und dominieren die Plattform. Zahlreiche zuvor gesperrte rechtsextreme Akteure sind zurückgekehrt, darunter viele der Identitären Bewegung – auch das bekannte Gesicht Martin Sellner.
Musks braunes Image färbt auf seine Firmen ab, und die Verkaufszahlen in Europa brechen im Vergleich zu den Vorjahresmonaten drastisch ein: In Deutschland sank die Zahl verkaufter Teslas im Februar 2025 um 76,3 Prozent, in der Schweiz um 66,6 Prozent. Auch in anderen europäischen Ländern wie Frankreich und Norwegen entwickelt sich die Zahl an Tesla-Neuzulassungen rückläufig. Nur im Vereinigten Königreich steigerte Tesla den Verkauf im Vergleich zum Vorjahresmonat um 21 Prozent.
Anti-Elon-Sticker mit Aufschriften wie „I bought this before Elon went crazy“ (ich habe das [Auto] gekauft, bevor Elon verrückt wurde) werden dahingegen zum Verkaufsschlager, wobei immer mehr Tesla-Besitzende den Aufkleber an ihren Fahrzeugen anbringen. Vielen Langzeitbesitzer*innen ist es offensichtlich mittlerweile peinlich, einen Tesla zu fahren. Andere beschmieren Tesla Autos, Fabriken und Ladesäulen mit Sprüchen gegen Musk oder setzen Fahrzeuge in Brand.
Trump bezeichnete den sinkenden Aktienkurs diese Woche als inländischen Terrorismus und „illegalen und geheim geplanten Boykott“ von Tesla-Fahrzeugen und versprach seinem Freund, am nächsten Tag „einen brandneuen Tesla“ zu kaufen. „Das ist die Pipeline zwischen Kapitalismus und Faschismus“, schreibt die Politikwissenschaftlerin Julia Schramm dazu auf Instagram. Der freie Markt sei eine Illusion, ein Spielchen der Milliardäre. „Denn wenn der Markt frei ist, wird er autoritär eingeschränkt.“
Geschützt vom Kapital
Seit Trumps Inauguration im Januar schrumpft Musks Vermögen. Tesla- und SpaceX-Aktien, die ca. drei Viertel von seinem Gesamtvermögen ausmachen, brechen ein. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, könnte Musk in wenigen Tagen nicht mehr reichster Mensch der Welt sein. Ein ernsthafter finanzieller Schaden würde ihm jedoch nur dann zugefügt werden, wenn die Aktienkurse Richtung Null sinken.
Trotz Verschwörungserzählungen, Hass und Hitlergruss „arbeiten“ die Vermögenswerte von Unternehmen wie Tesla oder SpaceX für den Multimilliardär weiter und häufen sein Kapital mit jeder Sekunde. „Musks Reichtum ist selbstverstärkend“, erklärt Autor und Digitalökonomie-Experte Timo Daum „da er einen erheblicher Anteil seiner Unternehmensaktien selbst besitzt“. Daneben investiere er horrende Summen in andere Unternehmen und profitiere von deren Renditen. Steigt der Aktienkurs, wächst auch sein Vermögen, was ihm wiederum mehr Kapital für Investitionen und Innovationen verschafft – ein exponentiell wachsender Zyklus.
Ob jemand als „Weltretter“ auftritt, den Hitlergruss zeigt oder beides gleichzeitig, spielt für das Wachstum seines Kapitals keine Rolle.
Musk verdient an einem einzigen Tag etwa 679-mal so viel wie eine durchschnittliche Person in der Schweiz in einem ganzen Jahr: 73’000 CHF im Median. Um Musks Vermögen zu erreichen, müsste eine Person in der Schweiz 4,6 Millionen Jahre lang arbeiten.
„Eine einfache Möglichkeit, Musks Einflussnahme auf die Gesellschaft zu stoppen, gibt es nicht“, sagt der Experte für Digitalökonomie. Seine Macht hänge von seinem Kapital ab. Unternehmen wie Tesla und SpaceX hätten sich in der Vergangenheit als äusserst resilient gezeigt. „Auch Musks erratisches Verhalten ist nicht neu – dennoch wachsen seine Unternehmen weiter“. Ein möglicher Grund dafür sei der innovative Kern, der den Firmen eine so starke Marktposition ermögliche.
Die Grenzen des Sag- und Machbaren immer wieder bewusst zu überschreiten, menschenverachtend und rechtsextrem zu sein, stellt im Kapitalismus keinen geschäftsschädigenden Faktor dar. Ob jemand als „Weltretter“ auftritt, den Hitlergruss zeigt oder beides gleichzeitig, spielt für das Wachstum seines Kapitals keine Rolle.
Laut Daum ist Musks Aufstieg keine historische Ausnahme sondern eine logische Konsequenz des kapitalistischen Systems. Denn egal wie verpönt der reichste Mensch der Welt ist, er wird an seiner Unbeliebtheit nicht untergehen – die Marktlogik und sein Kapital schützen ihn. Und selbst wenn Elon Musk als reichster Mensch seinen Platz verlassen sollte, wird der nächste Milliardär nachrutschen. Kritik an einzelnen Kapitalist*innen, ohne die Klassengesellschaft generell infrage zu stellen, ist also nicht zielführend. Viel wichtiger sei eine grundsätzliche Verhandlung über die Überwindung genereller kapitalistischer Verhältnisse, so Daum.
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