Das geheime
Doku­ment im
Abstim­mungs­kampf

Das geheime
Doku­ment im
Abstim­mungs­kampf

Mehr Geld für Frontex: Das beschlossen die Schweizer Stimmbürger*innen im Mai 2022. Eine geheime Info­notiz zeigt nun: Die Bundes­ver­wal­tung hielt brisante Infor­ma­tionen zurück. Derweil gehen die Menschen­rechts­ver­let­zungen an den EU-Aussen­grenzen weiter.

Von

Jennifer Steiner

und 

Lorenz Naegeli, WAV Recherchekollektiv

Die Bundes­ver­wal­tung hielt im Abstim­mungs­kampf um den Frontex-Ausbau für die Öffent­lich­keit rele­vante Infor­ma­tionen zurück. (Bild: Luca Mondgenast)

Am 4. April 2022 ist der Abstim­mungs­kampf um die Schweizer Frontex-Finan­zie­rung in vollem Gange. An diesem Tag schickt Chri­stian Bock eine vertrau­liche Info­notiz an Bundesrat Ueli Maurer. Er habe soeben den Bericht der EU-Anti­kor­rup­ti­ons­be­hörde über Miss­stände bei der Euro­päi­schen Grenz­schutz­agentur gelesen: „Der Bericht ist für die Medien und die Frontex-Gegner gerade auch im Zusam­men­hang mit der Abstim­mung am 15. Mai 2022 von grossem Inter­esse”. Bock ist zu dem Zeit­punkt Direktor des Bundes­amts für Zoll und Grenz­si­cher­heit, der Schweizer Schnitt­stelle zu Frontex.

Trotz des genannten öffent­li­chen Inter­esses hielt der Bund den Inhalt des Berichts unter Verschluss. Während­dessen versprach Ueli Mauer, dass die Schweiz durch ihre Betei­li­gung an Frontex die Grund­rechts­lage an den euro­päi­schen Aussen­grenzen verbes­sern könne. Was war dieses Verspre­chen wert? 

Nach mehr­jäh­riger Verhand­lung erhielt das WAV Recher­che­kol­lektiv über das Öffent­lich­keits­ge­setz Einsicht in über 1000 Seiten Doku­mente zur Schweizer Mitar­beit bei Frontex. Diese zeigen: Schweizer Frontex-Beamt*innen sind bis heute dort im Einsatz, wo systematisch Menschen­rechte verletzt werden. Und: Trotz hoher Geld­bei­träge hat die Schweiz wenig Mitspracherecht.

Die Frontex-Befürworter*innen und die Behörden sagten im Abstim­mungs­kampf zum Frontex-Refe­rendum, sie wollen die Agentur von innen heraus verbes­sern. Gelingt das tatsäch­lich? Das unter­su­chen wir in dieser vier­tei­ligen Rechercheserie.

Artikel 1: Im Abstimmungskampf

Eine geheime Info­notiz zeigt: Die Bundes­ver­wal­tung hielt brisante Infor­ma­tionen zurück. Ein Blick auf die dama­ligen Verspre­chen und die Situa­tion heute wirft Fragen auf. Wurde die Debatte unvoll­ständig geführt?

Artikel 2: Im Ausseneinsatz

Schweizer Beamt*innen stehen an den Grenzen Europas im Einsatz – dort, wo Menschen­rechte systematisch verletzt werden. Doch ihre Einsatz­be­richte erwähnen keine Verstösse. Wie kann das sein?

Artikel 3: Im Verwaltungsrat

Die Schweiz zahlt Hunderte Millionen an Frontex, hat aber kaum Mitspra­che­recht. Warum akzep­tiert sie diesen Deal? Und: Will sie über­haupt mehr Einfluss?

Artikel 4: Am Scheideweg

Laut Menschen­rechts­ak­ti­vist Amadou M’Bow ist es unmög­lich, Frontex zu refor­mieren. Wie weiter?

Die „No Frontex”-Abstimmung

Am 15. Mai 2022 stimmte die Schweiz über ihre Betei­li­gung bei der EU-Grenz­schutz­agentur Frontex ab. Das Resultat war erdrückend: Über 70 Prozent der Stimmbürger*innen wollten die Frontex-Gelder von damals 14 Millionen auf 61 Millionen jähr­lich aufstocken und auch die perso­nelle Unter­stüt­zung bis 2027 ausbauen.

Dem ging ein unge­wöhn­li­cher Abstim­mungs­kampf voraus: Aktivist*innen und Basis­or­ga­ni­sa­tionen rund um das Migrant Soli­da­rity Network führten als „No Frontex”-Referendumskomitee eine grosse Kampagne. Die Parteien hielten sich dabei auffällig zurück.

Die Frontex-Gegner*innen warnten: Wer Ja sagt zu Frontex, macht sich mitschuldig an Menschenrechtsverletzungen.

Die Kritik rund um Frontex befand sich zu diesem Zeit­punkt euro­pa­weit auf einem Höchst­stand. Zahl­reiche Berichte von Geflüch­teten, Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tionen und Medien brachten die Agentur mit schweren Menschen­rechts­ver­stössen in Zusam­men­hang: Frontex sei systematisch an ille­galen Push­backs von Menschen auf der Flucht betei­ligt und habe eine Führungs­riege, die die Aufklä­rung von Miss­ständen aktiv verhin­dere. Die EU-Kommis­sion leitete eine Unter­su­chung ein.

Erstaun­lich ruhig blieb es in der ganzen Debatte aus der Ecke der verant­wort­li­chen Behörde, dem Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit. 

Die Schweiz unter­stützt Frontex nicht nur finan­ziell, sondern auch mit Personal: Sie schickt seit 2009 Grenzbeamt*innen an die EU-Aussen­grenzen. Zudem sitzt sie mit zwei Vertreter*innen im Frontex-Verwal­tungsrat, dem Führungs­gre­mium der Agentur.

Diese Betei­li­gung sei aus zwei Gründen wichtig, argu­men­tierten die Frontex-Befürworter*innen im Abstim­mungs­kampf. Trage die Schweiz den Ausbau nicht mit, falle man wegen der soge­nannten Guil­lo­tine-Klausel aus dem Schengen und Dublin Abkommen. Und: Man könne sich aus dem Innern der Agentur für den Schutz der Menschen­rechte einsetzen. „Wir enga­gieren uns im Sinne der Rechts­si­cher­heit und der Menschen­rechte”, sagte Bundesrat Maurer in der Abstim­mungs­arena. Dieses Argu­ment vertrat etwas über­ra­schend auch die Opera­tion Libero und forderte Verbes­se­rungen – herbei­ge­führt von der Schweiz.

Erstaun­lich ruhig blieb es in der ganzen Debatte aus der Ecke der verant­wort­li­chen Behörde – dem Bundesamt für Zoll und Grenz­si­cher­heit (BAZG), das bis im Januar 2022 Eidge­nös­si­sche Zoll­ver­wal­tung (EZV) hiess. Das BAZG stellt die beiden Verwal­tungs­räte bei Frontex und schickt Schweizer Grenzschutzbeamt*innen an die Aussen­grenzen. Im Abstim­mungs­kampf traten Vertreter*innen der Behörde kaum in Erschei­nung. Doch hinter den Kulissen war das BAZG durchaus aktiv, wie die vertrau­liche Info­notiz an Ueli Maurer zeigt, die wir über das Öffent­lich­keits­ge­setz einsehen konnten.

Die Infor­ma­ti­ons­lücke

Die Info­notiz von BAZG-Direktor Bock an Bundesrat Maurer macht klar, wie schwer­wie­gend die Miss­stände sind, die der Bericht der EU-Anti­kor­rup­ti­ons­be­hörde (OLAF) aufdeckt. Die Notiz hält fest,

  • dass klare Anzei­chen für ernst­haftes Fehl­ver­halten von drei hoch­ran­gigen Mitar­bei­tenden der Agentur bestehen und dass sowohl OLAF als auch das BAZG diszi­pli­na­ri­sche Mass­nahmen fordern.
  • dass Personen aus dem Frontex-Verwal­tungsrat versucht haben, Menschen­rechts­ver­let­zungen zu vertu­schen und dass sie die Arbeit des Grund­rechts­be­auf­tragten von Frontex behin­dert haben.
  • dass die stell­ver­tre­tende Schweizer Frontex-Verwal­tungs­rätin den Bericht am 7. März 2022 in Brüssel gelesen hat.
  • dass der OLAF-Bericht für die Medien und Frontex-Gegner*innen gerade auch im Hinblick auf die Abstim­mung am 15. Mai 2022 von grossem Inter­esse ist. Da der Prozess im Frontex-Verwal­tungsrat jedoch noch läuft – unter anderem war eine Anhö­rung der betrof­fenen Personen geplant –, kann dieser nicht veröf­fent­licht werden.

Der geheim­ge­hal­tene Bericht hatte Konse­quenzen: Der dama­lige Frontex-Direktor Fabrice Leggeri kam der Forde­rung nach diszi­pli­na­ri­schen Mass­nahmen zuvor und trat noch Ende April zurück. Heute ist Leggeri Euro­pa­ab­ge­ord­neter für die rechts­extreme Partei Rassem­blement National.

Dem WAV Recher­che­kol­lektiv und das Lamm liegen neben der vertrau­li­chen Info­notiz auch die interne Sprach­re­ge­lung vor, die die öffent­liche Kommu­ni­ka­tion der Behörden zum Thema regelt. Diese erwähnt zwar den OLAF-Bericht, schweigt aber dazu, welch kata­stro­phales Zeugnis dieser Frontex ausstellt – und damit die voran­ge­gan­genen Vorwürfe amtlich bestä­tigt: Frontex sei aktiv an ille­galen Push­backs betei­ligt, vertu­sche diese systematisch und hindere das interne Grund­rechts­büro an der Aufklärung.

Ein beson­ders gravie­render Fall ereig­nete sich am 10. April 2020, als Frontex mehrere Boote mit insge­samt 250 Geflüch­teten sich­tete, die malte­si­schen Behörden jedoch tage­lang nicht eingriffen und schliess­lich einen Teil der Menschen nach Libyen zurück­drängten – 12 Menschen starben. Fünf Körper wurden im Boot gefunden, sieben weitere Personen ertranken. Frontex klas­si­fi­zierte den Vorfall bewusst falsch, um eine Unter­su­chung durch das Grund­rechts­büro zu vermeiden.

Die Schweizer Öffent­lich­keit erfuhr erst dank einem Leak vom OLAF-Bericht. Der Abstim­mungs­kampf war da schon lange vorbei.

Ebenso uner­wähnt bleibt in der Sprach­re­ge­lung, dass es sich bei vielen der unter­suchten Fälle um Menschen­rechts­ver­stösse in Regionen handelt, in denen auch Schweizer Frontex-Beamt*innen im Einsatz waren. Oder dass die Schweiz mit zwei Verwaltungsrät*innen in jenem Gremium sitzt, das vom Bericht starke Kritik einstecken muss. Marco Benz, einer eben­jener Verwal­tungs­räte, beteu­erte Mitte April an einer Podi­ums­dis­kus­sion: „Frontex nimmt den Schutz der Grund­rechte sehr ernst.” Was die WOZ Monate später nur vermu­tete, wird mit der vorlie­genden Info­notiz klar: Maurer und die Verwal­tung wussten Bescheid. Aber schwiegen bewusst. 

Was war da los? Wäre es ange­sichts des Zeit­punkts nicht möglich, oder sogar nötig gewesen, die Öffent­lich­keit über den Inhalt der Unter­su­chung zu infor­mieren? Diese erfuhr erst dank einem Leak vom 129-Seiten langen OLAF-Bericht. Dieser wurde im Sommer 2022 dem Spiegel, Light­house Reports und Frag den Staat zuge­spielt und im Oktober in zahl­rei­chen euro­päi­schen Medien veröf­fent­licht. Der Abstim­mungs­kampf war da schon lange vorbei.

Die SP Schweiz sagt heute auf Anfrage: „Es wiegt schwer, dass unter Alt-Bundesrat Ueli Maurer inner­halb des Depar­te­ments abstim­mungs­re­le­vante Infor­ma­tionen unter­drückt wurden.” Auch die Grünen betonen, dass gerade bei Volks­ab­stim­mungen alle rele­vanten Tatsa­chen der Bevöl­ke­rung unter­breitet werden müssten, sofern sie veröf­fent­licht werden dürfen. Gesi­cherte Hinweise über gravie­rende Miss­stände und Fehl­ver­halten, die im Zusam­men­hang mit dem Geschäft stehen, gehörten hier dazu.

Das BAZG will von der Kritik nichts wissen: Der OLAF-Bericht sei ein klas­si­fi­ziertes Doku­ment und die Haltung der Schweiz sei im Rahmen der Möglich­keiten kommu­ni­ziert worden. Die Rolle der Bundes­be­hörde beschränke sich auf sach­liche und ausge­wo­gene Erläu­te­rungen zur Vorlage. Die Frage, ob das BAZG wegen seiner zentralen Rolle aktiver hätte an der Debatte teil­nehmen sollen, lässt die Behörde weit­ge­hend unbeantwortet. 

„Diese Info­notiz so kurz vor der Abstim­mung ist in der Tat brisant”, sagt Silvano Möckli, emeri­tierter Professor für Poli­tik­wis­sen­schaften an der Univer­sität St. Gallen und Experte für Abstim­mungs­fragen. Doch eine recht­liche Pflicht, darüber zu kommu­ni­zieren, gebe es nicht. Und über­haupt: Ange­sichts des deut­li­chen Abstim­mungs­er­geb­nisses hätte eine Veröf­fent­li­chung das Resultat kaum geän­dert. Rele­vant sei aber die Frage, was man daraus lerne.

1) Vertrau­liche Info­notiz von Zoll­di­rektor Chri­stian Bock an Ueli Maurer: In dieser infor­miert Bock Maurer am 4. April 2022 über den Inhalt des OLAF-Berichts.

2) Sprach­re­ge­lung zum OLAF-Bericht: In dieser steht nichts über die in der Unter­su­chung fest­ge­stellten, schwer­wie­genden Miss­stände inner­halb von Frontex.

3) Sprach­re­ge­lung zu früheren Unter­su­chungen bei Frontex: Bereits im Juli 2021 liefen Unter­su­chungen gegen Frontex. In der Kritik stand bereits damals der umstrit­tene Direktor Fabrice Leggeri. Trotzdem hielt die Schweiz bis zu dessen Rück­tritt Ende April 2022 an ihm fest.

Anhal­tende Gewalt 

Aus der Vergan­gen­heit lernen und aktiv Verbes­se­rungen anstreben – das wieder­holten die Frontex-Befürworter*innen im Abstim­mungs­kampf mantra­artig. Doch bis heute reisst die Kritik an Frontex nicht ab, in Menschen­rechts­ver­let­zungen verstrickt zu sein.

Die Agentur solle Leben retten, anstatt seine Infra­struktur für das ille­gale Abfangen von Flüch­tenden auf dem zentralen Mittel­meer zu nutzen. Das fordert Human Rights Watch mit ihrer im April lancierten Kampagne #With­Hu­ma­nity. Frontex über­wacht das Mittel­meer mit einer riesigen Flotte, die anstatt aus Schiffen zuneh­mend aus Flug­zeugen und Drohnen besteht. Wenn sie Boote auf dem Weg nach Europa entdeckt, dann rettet sie diese nicht, sondern infor­miert aus der Luft meist die aus bewaff­neten Milizen hervor­ge­gan­gene liby­sche „Küsten­wache”. Diese fängt die Boote ab – oft mit Gewalt, manchmal gar mit Schuss­waffen – und bringt die Menschen zurück nach Libyen. Dort drohen ihnen Gefängnis, Folter und sexua­li­sierte Gewalt. So doku­men­tieren es Human Rights Watch und die Schweizer Recher­che­agentur Border Foren­sics, oder die Seenot­ret­tungs­or­ga­ni­sa­tion Sea Watch seit vielen Jahren.

„Die Gewalt hat dort, wo Frontex aktiv ist, zugenommen.”

Lena Kara­ma­nidou, Migra­ti­ons­for­scherin und Frontex-Expertin

Im Fokus der Kritik stehen nicht nur die hohe See, sondern auch die Land­grenzen – beson­ders im Drei­län­dereck Türkei-Grie­chen­land-Bulga­rien. Und sie kommt nicht nur von zivil­ge­sell­schaft­li­chen Orga­ni­sa­tionen, sondern auch aus den eigenen Reihen: So empfahl der Grund­rechts­be­auf­tragte von Frontex, die Tätig­keiten in Grie­chen­land entweder auszu­setzen oder ganz einzu­stellen. Dies, weil es immer wieder zu heftiger Gewalt von grie­chi­schen Grenzwächter*innen gegen­über migrie­renden Menschen komme. Beson­ders die Grenze am Fluss Evros ist berüch­tigt: Hunderte Berichte schil­dern, wie Patrouillen Flüch­tende aufgreifen, teils schwer miss­han­deln und anschlies­send über den Fluss zurückdrängen.

Ähnliche Berichte gibt es aus Bulga­rien, wo die Schweiz eben­falls mit Personal statio­niert ist: Flüch­tende werden von bulga­ri­schen Grenzbeamt*innen nackt ausge­zogen, ausge­raubt, tage­lang einge­sperrt, gezwungen, zurück in die Türkei zu schwimmen, mit Hunden ange­griffen und als „Taliban” beschimpft. Das berichtet die Inve­sti­ga­tiv­platt­form BIRN im Februar 2024.

Im Rahmen des Frontex-Ausbaus wurden neu 40 Grundrechtsbeobachter*innen einge­stellt, die die Arbeit des Grund­rechts­be­auf­tragten unter­stützen. Auch weitere Mass­nahmen zum Grund­rechts­schutz hat die Agentur ergriffen. Haben sie keine Wirkung gezeigt? „Nicht wirk­lich”, sagt Lena Kara­ma­nidou, Migra­ti­ons­for­scherin und Frontex-Expertin. „Die Gewalt besteht weiter. Und sie hat dort, wo Frontex aktiv ist, gar noch zugenommen.”

Kara­ma­nidou arbeitet bei der Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tion Border Violence Moni­to­ring Network, die Grenz­ge­walt doku­men­tiert und sich gegen Straf­lo­sig­keit an den EU-Aussen­grenzen einsetzt. Sie spricht von einem System der stillen Aufga­ben­tei­lung: Die Präsenz von Frontex legi­ti­miere und schütze das Vorgehen der lokalen, beispiels­weise grie­chi­schen Grenz­schutz­be­hörden. Diese wiederum führten die Push­backs und Angriffe aus. Kara­ma­ni­dous Haltung ist klar: Würde sich Frontex wegen der Menschen­rechts­ver­let­zungen zurück­ziehen, würde dies eine starke Botschaft senden. „Denn die jahre­lange Präsenz hat die Situa­tion ja nicht verbes­sert”, sagt die Forscherin insbe­son­dere mit Blick auf die Evros-Region.

Kritik an der Schweiz 

Sowohl Befürworter*innen wie die Opera­tion Libero als auch Gegner*innen des Frontex-Ausbaus – etwa die SP und die Grünen – kriti­sieren diese Zustände. Und sie alle sagen auf Anfrage, dass die Schweiz für die anhal­tenden Menschen­rechts­ver­let­zungen mitver­ant­wort­lich sei. Sie müsse ihre Verant­wor­tung wahr­nehmen und sich aktiv für Verbes­se­rungen einsetzen.

Zu den anhal­tenden Verstössen wieder­holt das BAZG auf Anfrage, was es seit Jahren sagt: Probleme könnten nur erkannt werden, wenn man vor Ort präsent sei. Die Zusam­men­ar­beit mit den Einsatz­staaten und deren Behörden sei für die Einhal­tung der Grund­rechte zentral. Auf die Frage nach der Mitver­ant­wor­tung der Schweiz schweigt die Behörde. Nur so viel: Die Schweizer Vertreter*innen von Frontex würden sich im Verwal­tungsrat konse­quent für die Einhal­tung der Menschen­rechte einsetzen. 

Bis heute ist die Schweiz in Bulga­rien und Grie­chen­land mit zahl­rei­chen Grenzschutzbeamt*innen im Aussen­ein­satz. Was machen diese genau? Setzen sie sich für die Menschen­rechte ein? Können sie das über­haupt? Im zweiten Artikel der Serie blicken wir auf die Schweizer Frontex-Einsätze in der Evros-Region. 

Diese Recherche wurde durch zweck­ge­bun­dene Beiträge vom Euro­päi­schen Bürger*innen Forum (EBF) und Soli­da­rité sans fron­tières (SOSF) unter­stützt. Die Unter­stüt­zung ermög­lichte die Auswer­tung von den über 1000 Seiten Doku­menten, die via Öffent­lich­keits­prinzip offen­ge­legt werden konnten. Die Arti­kel­serie wurde redak­tio­nell unab­hängig nach jour­na­li­sti­schen Stan­dards produ­ziert. Jegliche Einfluss­nahme auf den redak­tio­nellen Prozess ist laut Verein­ba­rung ausge­schlossen. Die Recherche wie auch die redak­tio­nelle Umset­zung erfolgte in Zusam­men­ar­beit zwischen dem WAV Recher­che­kol­lektiv und das Lamm.

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