«Sans-Papiers müssen arbeiten, bis sie tot umfallen»

Gut jede 100. Person in der Schweiz hat keinen gültigen Aufent­halts­status. Bea Schwager hat die Zürcher Anlauf­stelle für Sans-Papiers 20 Jahre lang geleitet. Im Gespräch erzählt sie, was ein Leben im Verbor­genen bedeutet und warum die Schweiz nichts gegen das Elend dieser Menschen unternimmt. 
«Ich bin müde», sagt Bea Schwager nachdem sie 20 Jahre lang die Sans-Papiers-Anlaufstelle Zürich (SPAZ) aufgebaut und geleitet hat. Ende Juli 2025 ging sie in Rente und übergab an ihre Nachfolgerin. (Bild: Kira Kynd)

Das Lamm: Bea Schwager, laut Schät­zungen leben hier­zu­lande 90’000 Sans-Papiers. Sie haben intensiv mit diesen Menschen zusam­men­ge­ar­beitet. Wer sind die Sans-Papiers?

Bea Schwager: Sans-Papiers sind Migrant*innen ohne gere­gelten Aufent­halts­status in der Schweiz, die in abso­luter Preka­rität leben. Das fehlende Papier ist also nicht der Pass, sondern die Aufent­halts­be­wil­li­gung. Wir unter­scheiden zwei Kate­go­rien: die «primären» und die «sekun­dären» Sans-Papiers. Primäre haben nie über eine Aufent­halts­be­wil­li­gung verfügt, weil sie keine Chance dazu haben. Die Mehr­heit unter ihnen sind Frauen, die in privaten Haus­halten arbeiten. Dort über­nehmen sie alles, was anfällt: von Bügeln, Kochen, Kinder­be­treuung über Pflege bis zu Garten­ar­beit. Die zweite Gruppe, die «sekun­dären» Sans-Papiers, sind Menschen, die in der Vergan­gen­heit eine Aufent­halts­be­wil­li­gung hatten, diese wurde aber nicht verlän­gert oder wieder entzogen. Die meisten Sans-Papiers sind «Dritt­staats­an­ge­hö­rige», also Menschen, die nicht aus einem EU- oder EFTA-Staat kommen.

Es über­rascht, dass die Mehr­heit Frauen sind.

Das trifft vor allem auf die «primären» Sans-Papiers zu. «Sekun­däre» hingegen haben zuvor eine Bewil­li­gung gehabt. Diese – meistens eine B‑Bewilligung – erlaubte es ihnen zu arbeiten. Die B‑Bewilligung ist jedoch an einen Zweck gebunden. Sobald dieser entfällt, geht der Aufent­halts­status verloren.

Dieser Zweck wäre zum Beispiel die Arbeitsstelle?

Es kann eine Arbeits­stelle sein. In vielen Fällen ist es aber eine Heirat. Wenn eine Ehe nicht lange genug hält oder die*der Partner*in verstirbt, wird ihre Aufent­halts­be­wil­li­gung nicht verlän­gert. Zu den «sekun­dären» gehören aber auch abge­wie­sene Asyl­su­chende. Bei diesen gibt es wiederum zwei Kate­go­rien: Die einen können sofort ausge­schafft werden. Sie sind gezwungen, «unter­zu­tau­chen». Die anderen können nicht ausge­schafft werden und leben in soge­nannten Nothilfe-Regimen. Sprich, in Unter­künften mit mini­maler Unter­stüt­zung, in denen oftmals massiv Druck auf sie ausgeübt wird, dass sie die Schweiz «frei­willig» verlassen.

«Sans-Papiers leben ohne Sicher­heit und sind auf das Wohl­wollen ihrer Mitmen­schen angewiesen.»

Bea Schwager, ehema­lige Leiterin der Sans-Papiers Anlauf­stelle Zürich

Weshalb können sie nicht ausge­schafft werden?

Entweder ist ihre Iden­tität nicht geklärt oder zwischen ihrem Herkunfts­land und der Schweiz besteht kein Migra­ti­ons­ab­kommen. In diesen Fällen nehmen die Länder sie nur zurück, wenn sie frei­willig einreisen.

«Primäre» Sans-Papiers haben dagegen kein Bewil­li­gungs­ver­fahren durch­laufen. Diese Menschen haben sich also bewusst für ein Leben im Verbor­genen entschieden.

Vielen ist das anfangs gar nicht bewusst. Ihnen wird einfach gesagt: «Komm in die Schweiz, hier findest du Arbeit.» Erst mit der Zeit wird ihnen bewusst, was das für ein Leben bedeutet.

Wie sieht dieses Leben aus?

Es ist ein Leben in abso­luter Preka­rität. Sans-Papiers leben ohne Sicher­heit und sind auf das Wohl­wollen ihrer Mitmen­schen ange­wiesen. Jemanden muss ihnen Wohn­raum zur Verfü­gung stellen, da sie selbst keine Wohnung mieten können. Dabei müssen sie hoffen, dass sie nicht eine horrende Miete für eine Abstell­kammer zahlen müssen. Sie wissen nie, ob sie am näch­sten Tag noch einen Job haben, und es besteht die Gefahr zur Ausbeu­tung. Schwierig ist auch, dass sie keinen Zugang zur Justiz haben. Das führt vor allem bei Frauen oft dazu, dass sie in gewalt­för­migen Bezie­hungen ausharren, weil sie keine Alter­na­tive dazu haben. Hinzu kommt die stän­dige Angst, kontrol­liert, entdeckt und ausge­schafft zu werden. Viele Sans-Papiers sind buch­stäb­lich krank vor Angst.

Trotzdem bleiben sie in der Schweiz.

Sie bleiben, weil die Bedin­gungen im Herkunfts­land noch schlimmer sind. Viele «primäre» Sans-Papiers sind allein­er­zie­hende Mütter. In ihrem Herkunfts­land haben sie oft keine Chance auf Erwerbs­ar­beit. Sie setzen deshalb alles daran, dass es ihren Kindern in Zukunft besser geht.

«Für Sans-Papiers gelten die Menschen- und Grund­rechte. Das Problem ist nur, dass sie sich nicht wehren können, ohne die Gefahr, dass sie aufge­deckt und ausge­schafft werden.»

Bea Schwager, ehema­lige Leiterin der Sans-Papiers Anlauf­stelle Zürich

Kann man etwas dazu sagen, wie alt diese Frauen sind?

Als ich vor 20 Jahren ange­fangen habe, waren die meisten Frauen zwischen 20 und 50. Sie kamen in der Hoff­nung, hier ein paar Jahre zu arbeiten, Geld zur Seite zu legen und dann zurück­zu­kehren. Doch dieser Plan geht meistens nicht auf, da sie zu wenig verdienen. Viele sind deshalb geblieben und fühlen sich heute hier zuhause. Einige haben bereits das Pensi­ons­alter erreicht. Da ihre Arbeitgeber*innen jedoch keine Sozi­al­ver­si­che­rung für sie einge­zahlt haben, besteht kein Anspruch auf eine Rente. Obwohl sie ihr ganzes Leben hart gear­beitet haben. Das heisst, sie müssen arbeiten, bis sie tot umfallen. Gleich­zeitig steigen ihre Gesund­heits­ko­sten und es wird schwie­riger, einen Job zu finden, da ihre Kräfte nachlassen.

Grund­sätz­lich ist es jedoch möglich, dass Arbeitgeber*innen Sozi­al­bei­träge für Sans-Papiers einzahlen.

Das ist ein wich­tiger Pfeiler unserer Bera­tung. Immer wieder kamen auch Arbeitgeber*innen auf uns zu und fragten, wie sie bessere Bedin­gungen schaffen können. Neben Sozi­al­bei­trägen empfehlen wir ein faires Gehalt und einen Arbeitsvertrag.

Wer sind denn die Arbeitgeber*innen?

Das lässt sich nicht kate­go­ri­sieren. Es können migran­ti­sche Leute sein, die ihre Lands­leute herholen. Es gibt aber auch soli­da­ri­sche «hiesige» Menschen, die sich bewusst dafür entscheiden und auch ange­messen bezahlen. Dann gibt es aber auch Gutver­die­nende, die sehr schlecht zahlen.

«Die Schweiz könnte ein Regime wie Trump fahren und Sans-Papiers gezielt aufspüren, verhaften und ausschaffen. Das tut sie aber nicht. Statt­dessen profi­tiert sie von der irre­gu­lären Arbeit.»

Bea Schwager, ehema­lige Leiterin der Sans-Papiers Anlauf­stelle Zürich

Welche Rechte haben Sans-Papiers?

Für sie gelten die Menschen­rechte und die Grund­rechte. Dazu gehören etwa das Recht auf Bildung für die Kinder, das Recht auf Gesund­heits­ver­sor­gung oder das Recht auf Wohnen. Das Problem ist nur, dass sie sich nicht wehren können, ohne die Gefahr, dass sie aufge­deckt und ausge­schafft werden. Deshalb wurde unter anderem die Anlauf­stelle für Sans-Papiers gegründet. Wir unter­stützen sie, ihre Rechte einzufordern.

Die Kinder dürfen also in öffent­liche Schulen. Anson­sten leben die Fami­lien im Verbor­genen. Wie funk­tio­niert das?

Die Einschu­lung läuft meistens über uns. Obwohl es gesetz­lich fest­ge­legt ist, dass die Kinder in die Schule dürfen, müssen wir viele Gemeinden und Schul­be­hörden erst aufklären und sicher­stellen, dass sie keine Daten weiter­geben. Trotzdem haben wir nie eine Garantie.

Es hängt also stark von einzelnen Personen ab.

Genau. Oftmals müssen wir auch hart dafür kämpfen. Wenn es gelingt, ist es jedoch umso schöner zu sehen, wie die Kinder aufblühen. Denn ausser­halb der Schule haben sie oft keinen Kontakt zu Gleich­alt­rigen, weil Sans-Papiers den offenen Raum meistens vermeiden.

Wer hat denn Inter­esse, dass Sans-Papiers ein Schat­ten­da­sein führen?

Das ist eine schwie­rige Frage. Denn die Schweiz weiss grund­sätz­lich, dass die Sans-Papiers hier leben. Sie könnte deshalb ein Regime wie Trump fahren und Sans-Papiers gezielt aufspüren, verhaften und ausschaffen. Das tut sie aber nicht. Statt­dessen profi­tiert sie von der irre­gu­lären Arbeit. Das ist heuch­le­ri­sche Politik.

Diesen Sommer wurde im Parla­ment eine Motion ange­nommen, die eher in Rich­tung Trump geht. Diese fordert, dass künftig die Daten von Kran­ken­kassen oder Sozi­al­ver­si­che­rungen mit den Migra­ti­ons­äm­tern ausge­tauscht werden. Mit dem Ziel «die Anwe­sen­heit von ‚ille­galen’ Migranten in der Schweiz dauer­haft zu bekämpfen», wie es in der Motion heisst.

Es hat mich schockiert, dass diese Motion mit so klarer Botschaft durch­ge­kommen ist. Für Sans-Papiers ist das eine Kata­strophe. Der Bundesrat hat nun zwei Jahre Zeit, sie umzu­setzen. Wir hoffen sehr, dass er zum Schluss kommt, dass sie nicht umsetzbar ist.

Mit welcher Begründung?

Sie verstösst gegen die Menschen­rechte. Der Bund hat die Aufgabe, für Menschen, die hier leben, zu sorgen. Dazu gehört auch eine Gesund­heits­ver­sor­gung. Zudem würde das Recht auf Bildung verun­mög­licht, weil die Schulen verlangen, dass Kinder versi­chert sind.

Die Kran­ken­kasse ist schon heute ein grosses Problem. Wie funk­tio­niert das bisher?

Dank einer Weisung müssen Kran­ken­kassen seit 2002 Sans-Papiers aufnehmen und dürfen Daten nicht weiter­geben. In der Praxis können sich die meisten Sans-Papiers aber keine Versi­che­rung leisten. Ihr Medi­an­lohn liegt bei circa 1500 Franken im Monat. Sie hätten deshalb Anspruch auf eine Prämi­en­ver­bil­li­gung, doch viele Kantone verwei­gern diese nach wie vor.

Einen anderen Weg wählte die Stadt Zürich. Sie verlän­gerte kürz­lich einen Pilot­ver­such, der es Sans-Papiers erlaubt, sich ohne Kran­ken­ver­si­che­rung behan­deln zu lassen.

Das ist sehr hilf­reich. So können sich Sans-Papiers bis zu 15’000 Franken ohne Kran­ken­ver­si­che­rung behan­deln lassen. Denn für viele ist die Versi­che­rung eine zusätz­liche Bela­stung. Wenn sie die Kosten nicht mehr zahlen können, droht die Betrei­bung und damit wiederum die Aufdeckung.

Was passiert, wenn Sans-Papiers entdeckt werden?

Als erstes werden sie verhaftet. Früher war dann klar, dass sie inner­halb weniger Tage ausge­schafft wurden. Mitt­ler­weile hat sich diese Praxis zumin­dest in Zürich etwas gelockert. Die Leute bekommen, wenn sie Glück haben, eine Auffor­de­rung, die Schweiz inner­halb weniger Stunden zu verlassen. Danach werden sie wieder frei­ge­lassen. Doch auch diese Situa­tion ist schwierig, weil die Behörden dann Kenntnis und Adresse der Person haben und diese sich in der Folge eine neue, versteckte Existenz aufbauen muss.

«Der Zugang zur Berufs­lehre für Sans-Papiers-Kinder war ein grosser Meilenstein.»

Bea Schwager, ehema­lige Leiterin der Sans-Papiers Anlauf­stelle Zürich

Die Motion zum Daten­aus­tausch wurde mit 33 zu 10 Stimmen im Stän­derat und 121 zu 59 im Natio­nalrat deut­lich ange­nommen. Hat sich die Stim­mung gegen­über Sans-Papiers verhärtet?

Ganz offen­sicht­lich. Schockie­rend ist auch, dass zum Beispiel Daniel Jositsch von der SP oder Tiana Ange­lina Moser von der GLP dafür gestimmt haben. Beide waren früher sehr offen für die Anliegen der Sans-Papiers. Auch in Mitte­par­teien findet sich kaum mehr Unterstützung.

Wie war die Stim­mung, als Sie vor 20 Jahren die Anlauf­stelle für Sans-Papiers aufge­baut haben?

In den frühen 2000er traten die Sans-Papiers erst­mals aus dem Schatten. Damals waren die Behörden insbe­son­dere in der Deutsch­schweiz jedoch sehr restriktiv und viele Insti­tu­tionen wussten nicht, wer die Sans-Papiers sind. Dank viel Aufklä­rungs­ar­beit wurde das Thema einer breiten Öffent­lich­keit bekannt. Das macht es heute zumin­dest in Städten einfa­cher, Anliegen durch­zu­bringen, wie etwa die Zürich City Card. Diese ermög­licht Menschen einen Ausweis, unab­hängig ihres Aufenthaltsstatus.

Was war damals Ihre persön­liche Moti­va­tion, die Stelle aufzubauen?

Ich bin in einem Indu­strie­dorf aufge­wachsen, in dem es viele Migrant*innen gab. Bereits als Jugend­liche hat es mich schockiert, welche Unge­rech­tig­keit diese Menschen erfahren. Also habe ich begonnen, mich für sie einzusetzen.

Sie haben bereits die Zürich City Card erwähnt. Gab es in den letzten Jahren weitere posi­tive Entwicklungen?

Der Zugang zur Berufs­lehre für Sans-Papiers-Kinder war ein grosser Meilen­stein. Damit hat zumin­dest die zweite Gene­ra­tion eine Chance auf einen regu­lären Status. Zudem gab es viele Einzel­fälle, in denen wir etwas bewirken konnten. Oft waren es Klei­nig­keiten, wie ein Schul­ein­tritt oder eine Ehe, die geschlossen werden konnte. Wir haben diese Momente immer bewusst gefeiert, auch um über all die nega­tiven Ereig­nisse hinwegzukommen.

«Viele Sans-Papiers haben aber gar nicht die Möglich­keit, eine Sprache zu lernen, weil sie den ganzen Tag arbeiten.»

Bea Schwager, ehema­lige Leiterin der Sans-Papiers Anlauf­stelle Zürich

Was waren die häufig­sten Anliegen, mit denen Menschen zu Ihnen kamen?

Eine Frage, die alle Sans-Papiers mit sich tragen, ist die Frage nach einem Aufent­halts­status. Denn niemand will als Sans-Papiers leben. Wir fordern deshalb eine kollek­tive Regularisierung.

Das heisst?

Alle Sans-Papiers sollen eine regu­läre Aufent­halts­be­wil­li­gung bekommen. Dazu gehört unter anderem auch, dass sie Zugang zur Sozi­al­hilfe haben oder regulär Steuern zahlen. Von letz­terem würden auch Städte und Gemeinden profitieren. 

Was war Ihre Antwort auf die Frage nach einem gere­gelten Aufenthaltsstatus?

Im Einzel­fall kann es möglich sein, doch die Anfor­de­rungen sind hoch. Das Sprach­ni­veau ist zum Beispiel im Kanton Zürich auf A2 ange­setzt. Viele Sans-Papiers haben aber gar nicht die Möglich­keit, eine Sprache zu lernen, weil sie den ganzen Tag arbeiten. Noch weiter entfernt sind wir von einer kollek­tiven Regu­la­ri­sie­rung. Andere Länder wie Italien oder Grie­chen­land haben bereits punk­tu­elle Regu­la­ri­sie­rungen durch­ge­führt und gezeigt, dass es möglich wäre. Die Schweiz hat für eine solche Lösung jedoch nie Hand geboten.

Die Gegner*innen argu­men­tieren, dass die Zahl der Sans-Papiers massiv steigen würde, wenn alle einen Aufent­halts­status bekämen.

Studien zeigen, dass sich eine Regu­la­ri­sie­rung positiv auf unsere Sozi­al­werke auswirkt. Eine Unter­su­chung aus dem Südtirol kam zudem zum Schluss, dass die meisten Sans-Papiers inner­halb von zehn Jahren nach der Regu­la­ri­sie­rung in ihrem Job geblieben sind und diese Sog-Wirkung nicht einge­treten ist. 

Trotzdem versteht sich die Schweiz als Rechts­staat und das geltende Recht verbietet es vielen Migrant*innen, sich hier nieder­zu­lassen und zu arbeiten. Wie recht­fer­tigen Sie eine kollek­tive Regu­la­ri­sie­rung vor diesem Hintergrund? 

Wenn ein Staat die lang­jäh­rige irre­gu­läre Anwe­sen­heit nicht verhin­dern konnte, dann ist er verpflichtet, die Situa­tion zu «heilen», also zu lösen. Da die Sans-Papiers sowieso hier sind, wäre der rich­tige Weg eine kollek­tive Regularisierung

Rechte Politiker*innen spre­chen von «ille­galen Migrant*innen». Linke dagegen, wie auch Sie, verwenden den Begriff «Sans-Papiers». Was steckt dahinter?

Wir spre­chen von «Sans-Papiers», weil die Menschen sich selbst so nennen. Der Begriff entstand in den 1970er-Jahren in Frank­reich. Damals war die Rede von «Les Clan­destins», den «Ille­galen». Betrof­fene wehrten sich und haben gesagt, dass sie keine Verbrecher*innen seien. Ihnen fehle ledig­lich ein Papier. Die Sprache der Rechten instru­men­ta­li­siert und verletzt die Betrof­fenen. Denn es macht einen Unter­schied, ob man sagt «jemand ist illegal» oder «der Person fehlt der Aufenthaltsstatus».

Zum Schluss eine persön­liche Frage: Vor wenigen Monaten sind sie in Rente gegangen. Mit welchem Gefühl haben Sie die Anlauf­stelle verlassen?

Als ich die SPAZ vor 20 Jahren aufge­baut habe, hatte ich die Hoff­nung, dass es uns heute nicht mehr braucht oder die Situa­tion sich zumin­dest mass­geb­lich verbes­sert hat. Die letzten Jahre waren ein stän­diges Auf und Ab und wir haben einiges erreicht. Doch in den letzten Monaten hat das Pendel stark in die andere Rich­tung ausge­schlagen. Das ist frustrie­rend und ich muss sagen, ich bin müde.


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