„dAs hAbEn wiR jEtZt vOn DeR MiGrAtioN”

Nach den Angriffen auf Frauen beim Festival „Fête de la Musique” häufen sich erneut rassi­sti­sche Schuld­zu­wei­sungen. Höchste Zeit, die Gewalt gegen Frauen als das zu benennen, was sie ist: ein Männerproblem. 
Männer aller sozialen Schichten, Länder und Religionen wenden Gewalt gegen Frauen an. (Bild: Luca Mondgenast)

Letzte Woche wurde bekannt, dass Männer am Musik­fe­stival „Fête de la Musique” über 140 Frauen mit Spritzen gesto­chen haben. Was genau in den Spritzen war, ist noch unbe­kannt. Genau so unbe­kannt wie die Iden­tität oder die Herkunfts­länder der Täter. 

Trotzdem liest man jetzt in Kommen­taren unter Insta-Posts (und in Insta-DMs von anderen Frauen und mir, aber ja) immer wieder davon, dass „die Migra­tion” schuld an diesen Über­griffen sei. Also: dass nur „Ausländer” solche Gewalt­taten an Frauen begehen. Hätten wir „die” nicht „hier”, gäbe es diese Probleme nicht.

Das Festival fand zwar in Frank­reich statt, aber da diese Diskus­sion auch bei Gewalt­taten an Frauen in der Schweiz immer wieder aufflammt. Let’s fucking talk.

Es sitzen noch heute Männer im Parla­ment, die in den 90ern dage­gen­ge­stimmt haben, dass Verge­wal­ti­gung in der Ehe strafbar wird.

Die Wahr­heit ist: 54 Prozent der ange­zeigten schweren Gewalt­taten wurden 2024 von Menschen – mehr­heit­lich Männern – ohne Schweizer Pass begangen. Wir könnten also darüber spre­chen, weshalb diese Männer Gewalt­taten begehen. Wir könnten darüber spre­chen, wie stark eine Kultur (dazu zählt übri­gens auch ein Fuss­ball­club imfall) den eigenen Umgang mit Gewalt prägt und was es mit einem Menschen machen kann, eine Flucht zu über­leben, und dann in einem anderen Land ohne jegliche Perspek­tive zu leben.

Aber das geht halt gerne mal im Frem­den­hass unter.

Wir könnten (omg wild) ja auch darüber spre­chen, was der viel grös­sere gemein­same Nenner der Täter ist: dass sie Männer sind. Darüber, weshalb Männer Frauen Gewalt antun wollen. Weshalb sie sich in Online-Foren austauschten und dazu aufriefen, Frauen an diesem Festival gezielt anzugreifen.

Wir könnten nicht nur, wir sollten anfangen, diese Gewalt als das zu benennen, was sie ist: ein Männer­pro­blem. Sie nimmt übri­gens global und seit Jahren zu, während man die drin­gend nötigen Schutz­an­ge­bote nicht genü­gend ausbaut oder gar zusammenstreicht.

Es sitzen in der Schweiz heute noch Männer im Parla­ment, die in den 90ern dage­gen­ge­stimmt haben, dass Verge­wal­ti­gung in der Ehe strafbar wird. Männer mit Schweizer Pass wohl­be­merkt. Es sitzen Männer mit Schweizer Pass auf Sesseln in Poli­zei­sta­tionen, die ohne Scham behaupten, dass „die meisten Frauen”, die Sexu­al­straf­taten anzeigen, sowieso lügen. Es sitzen Männer mit Schweizer Pass hinter Rich­ter­pulten, die finden eine Verge­wal­ti­gung „relativ mild”, weil die Tat nur kurz gedauert habe.

Der Faktor Männ­lich­keit wird immer wieder negiert, denn Männer­ge­walt gegen Frauen kennt viele Formen und Ausdrucks­weisen. Sie ist noch immer unte­r­er­forscht, wird viel zu selten als solche aner­kannt und benannt. Aber eins ist sie ganz sicher nicht, egal in welchem Land: importiert.

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