Keine Demo­kratie ohne die Stimmen der Migrant*innen

Salva­tore di Concilio, Arbeiter aus Italien und Mitgründer der Sans-Papiers-Anlauf­stelle Zürich, kam Ende der 60er-Jahre als Jugend­li­cher in die Schweiz. Eine Zeit, in der die Schweiz hände­rin­gend nach Arbeits­kräften suchte, doch die Menschen, die kamen, wie Waren behandelte. 

Salva­tore di Concilio, Arbeiter aus Italien und Mitgründer der Sans-Papiers-Anlauf­stelle Zürich, kam Ende der 60er-Jahre als Jugend­li­cher in die Schweiz. Eine Zeit, in der die Schweiz hände­rin­gend nach Arbeits­kräften suchte, doch die Menschen, die kamen, wie Waren behandelte.

Es war die Zeit vor der Perso­nen­frei­zü­gig­keit, die Zeit des Saison­nier­sta­tuts. Migran­ti­sche Arbeiter*innen durften nicht länger als neun Monate im Jahr in der Schweiz leben, ihre Fami­lien und Kinder nicht zu sich nehmen und waren von poli­ti­schen Prozessen ausgeschlossen.

Mit der Schwar­zen­bach-Initia­tive wurde das Schicksal von bis zu 350’000 Arbeiter*innen in die Hände des stimm­be­rech­tigten männ­li­chen Teils der Schweizer Bevöl­ke­rung gelegt. Den migran­ti­schen Menschen wurde während des zwei­jäh­rigen Abstim­mungs­kampfs tagtäg­lich klar­ge­macht, dass ihre Existenz von der Willkür der stimm­be­rech­tigten Domi­nanz­ge­sell­schaft abhängt.

Mit 54 % Nein-Stimmen wurde die Initia­tive der „Natio­nalen Aktion gegen Über­frem­dung von Volk und Heimat“ am 7. Juni 1970 knapp abge­lehnt. Trotzdem wurden Rassismus und Xeno­phobie mit 46 % Zustim­mung demo­kra­tisch legi­ti­miert und in der diskur­siven Mitte der Gesell­schaft verankert.

Im Jahr 2002, mit der Einfüh­rung des Frei­zü­gig­keits­ab­kom­mens mit der Euro­päi­schen Union, wurde das Saison­nier­statut abge­schafft. Doch trotzdem und obwohl die Schwar­zen­bach-Initia­tive nicht ange­nommen wurde, festigte sich damals eine migra­ti­ons­feind­liche und ausgren­zende Politik, die bis heute fort­ge­führt wird: Am 27. September kommt die wesens­gleiche Begren­zungs­in­itia­tive zur Abstimmung.

 


Jour­na­lismus kostet

Die Produk­tion dieses Arti­kels nahm 32 Stunden in Anspruch. Um alle Kosten zu decken, müssten wir mit diesem Artikel CHF 1924 einnehmen.

Als Leser*in von das Lamm konsu­mierst du unsere Texte, Bilder und Videos gratis. Und das wird auch immer so bleiben. Denn: mit Paywall keine Demo­kratie. Das bedeutet aber nicht, dass die Produk­tion unserer Inhalte gratis ist. Die trockene Rech­nung sieht so aus:

Soli­da­ri­sches Abo

Nur durch Abos erhalten wir finan­zi­elle Sicher­heit. Mit deinem Soli-Abo ab 60 CHF im Jahr oder 5 CHF im Monat unter­stützt du uns nach­haltig und machst Jour­na­lismus demo­kra­tisch zugäng­lich. Wer kann, darf auch gerne einen höheren Beitrag zahlen.

Ihr unter­stützt mit eurem Abo das, was ihr ohnehin von uns erhaltet: sorg­fältig recher­chierte Infor­ma­tionen, kritisch aufbe­reitet. So haltet ihr unser Magazin am Leben und stellt sicher, dass alle Menschen – unab­hängig von ihren finan­zi­ellen Ressourcen – Zugang zu fundiertem Jour­na­lismus abseits von schnellen News und Click­bait erhalten.

In der kriselnden Medi­en­welt ist es ohnehin fast unmög­lich, schwarze Zahlen zu schreiben. Da das Lamm unkom­mer­ziell ausge­richtet ist, keine Werbung schaltet und für alle frei zugäng­lich bleiben will, sind wir um so mehr auf eure soli­da­ri­schen Abos ange­wiesen. Unser Lohn ist unmit­telbar an eure Abos und Spenden geknüpft. Je weniger Abos, desto weniger Lohn haben wir – und somit weniger Ressourcen für das, was wir tun: Kriti­schen Jour­na­lismus für alle.

Ähnliche Artikel

Flucht als Katastrophe

In Europa wird Migration oft als Katastrophe dargestellt, die das Leben der Europäer*innen betrifft, während das tatsächliche Leid der Geflüchteten nebensächlich bleibt. Rohullah Suroosh, geflüchteter Journalist aus Kabul, berichtet von den wahren Katastrophen der Flucht.