Klima­freund­liche Lebenshilfe

Was bedeuten eigent­lich Gera­nien auf dem Balkon für die Biodi­ver­sität? Was ist besser: Regional oder vege­ta­risch essen? Und ist Reis eigent­lich schlimm fürs Klima? Diese und viele weitere Fragen beant­wortet ein neues Buch 
Puritanisch aber doch ganz hilfreich: Das Buch "Weniger ist weniger" von Matthias Plüss

Genau 140 Gramm wiegt das Büch­lein Weniger ist weniger – Klima­freund­lich leben von A‑Z von Matthias Plüss. Es erschien im Jahr 2020 im Echt­zeit Verlag. Plüss ist bekannt für seine Arbeiten als Wissen­schafts­jour­na­list für das Magazin des Tages-Anzeiger.

Das Buch ist die Weiter­füh­rung eines Texts, den Plüss im Magazin veröf­fent­licht hatte. Der Artikel hatte damals noch den Titel „75 Ideen, wie wir den Klima­wandel stoppen können“. Auf dem neuen Buch steht: „Matthias Plüss bietet Lebens­hilfe für den Alltag – leicht­füssig ohne mora­li­schen Ballast.“

Das Buch bewertet alltäg­liche Dinge wie Plastik, Elek­tro­autos und Kinder. Eine Fünf-Punkte-Skala stellt dar, wie gross der Einfluss der Alltags­sache auf den Klima­wandel und den Arten­schwund ist, den gemäss Autor drin­gend­sten Problemen unserer Zeit.

Ein Beispiel: Kompen­sa­tion von Flügen bekommt ein Punkt, Wohn­fläche fünf Punkte. Ein Punkt bedeutet: Wenn ich auf diesen Gegen­stand verzichte, hat das einen kleinen Effekt für den Arten­schwund oder den Klima­wandel. Fünf Punkte bedeuten: Mit kleinem Verzicht kann ich vieles bewirken. Ein weiteres Beispiel: Pflanzen auf dem Balkon erhalten einen Punkt. Das heisst, die Wirkung ist minim. Vor allem auf Gera­nien sollte verzichtet werden. Denn ihnen wurde für eine längere Blüh­zeit der Nektar weggezüchtet.

Weniger ist weniger liest sich schnell und unter­haltsam, die 93 Einträge wech­seln sich ab mit Illu­stra­tionen von Till Lauer. Das Buch besticht nicht durch lange Texte, dafür aber durch Präzi­sion: Der Autor hat genau recher­chiert. Durch die lockere Sprache wirkt es dennoch nicht wie ein Facts­heet, sondern erklärt komplexe Zusam­men­hänge, denen wir im Alltag begegnen auf eingän­gige Art und Weise.

Dem Buch mangelt es etwas an konkreten Quellen bei den jewei­ligen Aussagen. Statt­dessen werden am Schluss einige ober­fläch­liche Quellen wie BAFU oder Angaben zu anderen Herausgeber*innen aufgelistet.

Das tut der Glaub­wür­dig­keit aber keinen Abbruch, denn der Autor erklärt seine Wertung jeweils in einem kleinen Text. So beschreibt er beispiels­weise: „Die epische Diskus­sion zu Verpackungen verstellt den Blick aufs Wesent­liche. Das Wesent­liche ist der Inhalt, nicht die Hülle.“ Verpackungen werden deshalb mit nur einem Punkt bewertet, weil die Produk­tion des Inhaltes oder allfäl­liges Verhin­dern von Food­waste nach Plüss einen deut­lich grös­seren Einfluss auf die Umwelt haben.

Das Buch heisst Weniger ist weniger, weil eben weniger nie mehr ist: Verzicht, der gemäss Autor so notwendig ist, bedeutet für uns Anstren­gung. Wir sollten uns nicht darüber den Kopf zerbre­chen, was jetzt ein biss­chen ökolo­gi­scher ist: die Bier­dose oder die Glas­fla­sche. Das ist Verschwen­dung unserer Anstrengung.

Statt­dessen sollten wir einfach verzichten und weniger konsu­mieren. So schreibt der Autor, dass vermeint­lich bequeme Lösungen, etwa den Benzin­motor mit einem Elek­tro­motor zu ersetzen, letzt­lich blosse Selbst­täu­schung sind. Das Grund­pro­blem bleibt die massive Zunahme von Ressourcen- und Ener­gie­ver­brauch. Schade ist, dass der Autor nicht auf poli­ti­sche Fragen der Verant­wor­tung eingeht. Schliess­lich sind wir als Einzel­per­sonen viel weniger mächtig als etwa ein Grosskonzern.

Der Fokus liegt statt­dessen, und das ist zuge­ge­be­ner­massen etwas puri­ta­nisch, auf dem eigenen Konsum. Die Aussage des Buches ist: Wir Menschen haben es in der Hand, wie viel wir konsu­mieren und wie viel Ressourcen wir brau­chen. „Ohne mora­li­schen Ballast“ will das Buch bleiben. Doch der Kampf gegen die Klima­krise ist mora­li­sche Pflicht: Deswegen ist nicht nur der eigene Konsum, sondern insbe­son­dere die Kritik an poli­ti­schen Verhält­nissen und Macht­struk­turen entscheidend.

Das Buch bietet also nicht die Lösung für den Biodi­ver­si­täts­schwund oder den Klima­wandel. Trotzdem bietet es Aufklä­rung, um etwa Einschrän­kungen zugun­sten des Klima­schutzes zu erklären.

Plüss schreibt schön: „Jede Tonne CO2, die heute nicht in die Luft geht, bela­stet die künf­tige Gene­ra­tion nicht.“ Deshalb scheinen diese Ratschläge sinn­voll. Sie beant­worten die Frage: Wo können wir CO2 einsparen, wo ist weniger wirk­lich weniger? Und wo machen wir uns etwas vor?

Das Buch Weniger ist weniger – Klima­freund­lich leben von A‑Z von Mathias Plüss ist im Echt­zeit Verlag erschienen.


Jour­na­lismus kostet

Die Produk­tion dieses Arti­kels nahm 20 Stunden in Anspruch. Um alle Kosten zu decken, müssten wir mit diesem Artikel CHF 1300 einnehmen.

Als Leser*in von das Lamm konsu­mierst du unsere Texte, Bilder und Videos gratis. Und das wird auch immer so bleiben. Denn: mit Paywall keine Demo­kratie. Das bedeutet aber nicht, dass die Produk­tion unserer Inhalte gratis ist. Die trockene Rech­nung sieht so aus:

Soli­da­ri­sches Abo

Nur durch Abos erhalten wir finan­zi­elle Sicher­heit. Mit deinem Soli-Abo ab 60 CHF im Jahr oder 5 CHF im Monat unter­stützt du uns nach­haltig und machst Jour­na­lismus demo­kra­tisch zugäng­lich. Wer kann, darf auch gerne einen höheren Beitrag zahlen.

Ihr unter­stützt mit eurem Abo das, was ihr ohnehin von uns erhaltet: sorg­fältig recher­chierte Infor­ma­tionen, kritisch aufbe­reitet. So haltet ihr unser Magazin am Leben und stellt sicher, dass alle Menschen – unab­hängig von ihren finan­zi­ellen Ressourcen – Zugang zu fundiertem Jour­na­lismus abseits von schnellen News und Click­bait erhalten.

In der kriselnden Medi­en­welt ist es ohnehin fast unmög­lich, schwarze Zahlen zu schreiben. Da das Lamm unkom­mer­ziell ausge­richtet ist, keine Werbung schaltet und für alle frei zugäng­lich bleiben will, sind wir um so mehr auf eure soli­da­ri­schen Abos ange­wiesen. Unser Lohn ist unmit­telbar an eure Abos und Spenden geknüpft. Je weniger Abos, desto weniger Lohn haben wir – und somit weniger Ressourcen für das, was wir tun: Kriti­schen Jour­na­lismus für alle.

Ähnliche Artikel