Millionen für Flüge statt Züge

Schweizer Flug­häfen melden Rekord­flug­zahlen. Gleich­zeitig hat die Politik in den letzten Monaten die Flug­ge­sell­schaften mit Emis­si­ons­gut­scheinen und Förder­gel­dern unter­stützt – teils auf Kosten der Nachtzüge. 
Während Schweizer Flughäfen Rekordzahlen feiern, subventioniert das Parlament die Airlines. (Bild: Oger/ @ogercartoon)

Sommer­zeit ist Reise­zeit – und es wird wieder richtig viel geflogen. Alle Schweizer Flug­häfen verzeichnen Rekord­flug­zahlen

Hört man sich in der Feri­en­zeit an Schweizer Bars und Stamm­ti­schen um, kriegt man den Eindruck, es sei das normalste der Welt, dreimal pro Jahr in den Urlaub zu fliegen – ist es aber nicht. Laut dem WWF Schweiz sass die grosse Mehr­heit der Welt­be­völ­ke­rung, nämlich 80 Prozent, noch nie in einem Flugzeug. 

Davon merkt man hier­zu­lande nichts. Auch weil das Fliegen unschlagbar billig ist. Für gerade mal 55 Franken bietet Easy Jet beispiels­weise ein Flug­ticket von Zürich nach Berlin an. Die gleiche Strecke kostet bei der Deut­schen Bahn – wenn man früh genug bucht – rund 70 Franken. Dauert aber den ganzen Tag.

Auch wenn diese Zugreise eigent­lich recht günstig ist: Fliegen ist noch billiger. Und das ist ein Problem.

2021 sagte das Stimm­volk knapp nein zur Revi­sion des CO2-Gesetzes und damit auch zu einer Flug­ticket­ab­gabe, die das Fliegen verteuert hätte. Eine reprä­sen­ta­tive Umfrage ergab jedoch, dass eine Flug­ticket­ab­gabe für sich alleine mehr­heits­fähig gewesen wäre.

Doch anstatt Fliegen teurer zu machen, haben Politik und Verwal­tung in den vergan­genen Monaten nicht nur einmal, sondern gleich zweimal entschieden, den Airlines neue versteckte Subven­tionen zukommen zu lassen. 

Emis­si­ons­gut­scheine für ein paar Prozent Nachhaltigkeit

Die erste dieser Subven­tionen: Der Bund will Airlines in Zukunft entschä­digen, wenn sie dem fossilen Kerosin eine gewisse Menge erneu­er­bare oder emis­si­ons­arme Treib­stoffe – soge­nannte Sustainable Avia­tion Fuels (SAFs) – beimi­schen. Diese werden teils elek­trisch, teils aus biogenem Rest­ma­te­rial wie gebrauchtem Spei­seöl und tieri­schen Abfall­fetten herge­stellt. Allen gemein ist, dass ihr Ener­gie­ge­halt nicht aus einer fossilen Quelle stammt. Doch da SAFs teurer sind als fossiles Kerosin, war der Absatz bis anhin klein – und die Produk­tion entspre­chend gering.

Dass der Bund das Beimi­schen der SAFs nun fördern will, klingt eigent­lich ganz gut. Nur: Die Airlines müssen diese Beimi­schung so oder so vornehmen, denn sie sind gesetz­lich dazu verpflichtet – in der Schweiz voraus­sicht­lich ab 2026, in der EU bereits seit diesem Jahr. Die Airlines nehmen die Förde­rung natür­lich gerne an, aber beimi­schen müssten sie auch ohne diese Unterstützung.

«Diese Beloh­nung von etwas gesetz­lich Vorge­schrie­benem finde ich stos­send und völlig falsch.»

Gabriela Suter, SP-Nationalrätin 

Der Weg auf dem die Airlines entschä­digt werden sollen, ist speziell. Der Bund plant, die Förde­rung über die Preis­dif­fe­renz zwischen dem fossilen Kerosin und den SAFs zu regeln. Diese Diffe­renz will er den Flug­ge­sell­schaften teil­weise zurück­er­statten – so sieht es die neuste Über­ar­bei­tung der CO2-Verord­nung vor, die in den letzten Monaten in der Vernehm­las­sung war. Die Airlines werden aber kein Geld, sondern soge­nannte Emis­si­ons­rechte erhalten. 

Mit diesen Gratis­rechten können die Flug­ge­sell­schaften im Emis­si­ons­han­dels­sy­stem für ihren CO2-Ausstoss bezahlen. Pro Tonne Treib­hausgas müssen sie dort ein Emis­si­ons­recht abge­geben, das sie dann berech­tigt, die Luft mit einer Tonne CO2 zu bela­sten. Müssen die Airlines die Emis­si­ons­rechte statt­dessen kaufen, kostet das aktuell rund 70 Euro pro Tonne CO2.

Während private Haus­halte auf ihre Heizemis­sionen für jede Tonne 120 Franken CO2-Abgabe bezahlen, bekommen die Airlines die Emis­si­ons­rechte hier also um einiges billiger oder sogar gratis.

Bereits in den vergan­genen Jahren erhielten die Airlines teils grosse Mengen von diesen Gratis­rechten. Bis und mit 2021 bekam die Swiss gar mehr Gratis­rechte, als sie für den eigenen CO2-Ausstoss brauchte. Diese gross­zü­gigen Zutei­lungen wurden jedoch in den letzten Jahren immer stärker redu­ziert und eigent­lich war geplant, sie ganz abzu­schaffen. Doch während die regu­lären Gratis­rechte auf 2026 nun tatsäch­lich auslaufen, macht sich mit den neuen SAF-Gratis­rechten die nächste Hinter­türe für solche Emis­si­ons­ge­schenke auf.

«Diese Beloh­nung von etwas gesetz­lich Vorge­schrie­benem finde ich stos­send und völlig falsch», schreibt SP-Natio­nal­rätin Gabriela Suter auf Anfrage von das Lamm. Das Parla­ment habe zwar bei den Gratis­rechten für die SAFs eine Ausnahme beschlossen und davon mache der Bund jetzt Gebrauch. «Aber ich glaube nicht, dass in der Detail­be­ra­tung je zur Sprache kam, man wolle dieje­nigen, die ledig­lich die gesetz­liche SAF-Pflicht erfüllen, zusätz­lich belohnen.»

Die neue Beimisch­pflicht hätte eigent­lich dazu führen können, dass der Flug nach Berlin nicht mehr billiger zu haben ist als ein Zugticket von Genf nach St. Gallen. Denn die Swiss und Co. hätten die Mehr­ko­sten wahr­schein­lich auf die Flug­tickets abgewälzt. 

Daraus wird nun aber nichts.

Auf Kosten der Nachtzüge

Auch die zweite der kürz­lich einge­führten Subven­tionen betrifft die SAFs. Die Politik will nicht nur den Airlines beim Kauf unter die Arme greifen, sondern auch die SAF-Produk­tion fördern. Und zwar auf Kosten der Nacht­züge.

Wie kann das sein? Was den Airlines nach der Zutei­lung der Gratis­rechte an Emis­si­ons­be­wil­li­gungen fehlt, müssen sie bei Auktionen erstei­gern, die das Bundesamt für Umwelt BAFU orga­ni­siert. Das bringt dem Staat Einnahmen, die er klima­wirksam einsetzen kann. Anfang 2024 beschloss das Parla­ment bei der Über­ar­bei­tung des CO2-Gesetzes, diese Einnahmen für zwei Zwecke zu nutzen: Erstens, um Nacht­zug­ver­bin­dungen auszu­bauen. Zwei­tens, um die Produk­tion von SAFs anzukurbeln.

Für die Nacht­züge waren 30 Millionen vorge­sehen. Fliessen werden nun aber ledig­lich 10 Millionen. Wieso? Ende 2024 brach in der Schweiz das Spar­fieber aus, denn in der Bundes­kasse drohe ein Loch. Mit einer Reihe von Geset­zes­an­pas­sungen will der Bundesrat ab 2027 rund drei Milli­arden Franken einsparen – über 400 Millionen davon im Klima­schutz, auch beim inter­na­tio­nalen Schienenverkehr.

Unklar ist, ob dem Parla­ment über­haupt bewusst war, dass es der Luft­fahrt hier ein Subven­ti­ons­ge­schenk beschert hat.

Im voraus­ei­lenden Gehorsam beschloss das Parla­ment Ende 2024 bei den Nacht­zügen nicht erst 2027, sondern bereits 2025 den Rotstift anzu­setzen und strich die eigent­lich geplanten 30 Millionen Franken auf 10 Millionen zusammen. 

Nur wird dieses Manöver der Bundes­kasse gar keine Entla­stung bringen. Denn alles Geld, das nicht zu den Nacht­zügen geht, landet laut dem Bundesamt für Zivil­luft­fahrt BAZL bei den SAFs. 

Der entspre­chende Artikel im CO2-Gesetz enthalte nur zwei Verwen­dungs­zwecke, so das BAZL. Der erste für den inter­na­tio­nalen Schie­nen­ver­kehr sei auf maximal 30 Millionen Franken pro Jahr beschränkt. «Gelder, die gemäss Entscheid des Parla­ments zum Budget 2025 nicht diesem Verwen­dungs­zweck zukommen, fallen auto­ma­tisch dem zweiten Verwen­dungs­zweck zu», schreibt das BAZL auf Anfrage. Weder eine Rück­stel­lung für eine spätere Zutei­lung zugun­sten des inter­na­tio­nalen Schie­nen­ver­kehrs noch eine Umlei­tung in die Bundes­kasse sei gemäss aktuell geltendem CO2-Gesetz möglich.

Man könnte meinen, die SBB sei darüber nicht gerade erfreut. Doch auf die Frage, ob sie sich gegen diesen Entscheid wehre, erklären die Bundes­bahnen ledig­lich, dass sie sich nicht zu poli­ti­schen Prozessen äussern. Und dies, obwohl in der Schweiz noch nie so viel geflogen wurde wie im Sommer 2025. Anschei­nend läuft das Geschäft bei den Airlines und an den Flug­häfen also ganz gut. Stellt sich die Frage: Braucht die Luft­fahrt diese Subven­tionen überhaupt?

Wurde das Parla­ment an der Nase herumgeführt?

Unklar ist auch, ob dem Parla­ment über­haupt bewusst war, dass es der Luft­fahrt hier ein Subven­ti­ons­ge­schenk beschert hat. Denn in der gesamten Debatte rund um die Nacht­zug­gelder wies kein einziges Rats­mit­glied darauf hin, dass eine Kürzung bei den Nacht­zügen ledig­lich der Luft­fahrt zugu­te­kommt – und nicht etwa der Bundeskasse.

Zudem verkauft Finanz­mi­ni­sterin Karin Keller-Sutter dem Parla­ment die Kürzung der Nacht­zug­gelder ziem­lich direkt als eine Entla­stung des Bundes­haus­haltes – man könne durch die Strei­chung bei den Nacht­zügen zusätz­li­chen Hand­lungs­spiel­raum schaffen, gibt sie in einem Votum zu bedenken. 

Doch wie genau entsteht dieser Hand­lungs­spiel­raum, wenn die Nacht­zug­gelder auto­ma­tisch im Topf für die SAFs landen? Das Lamm hat bei der eidge­nös­si­schen Finanz­ver­wal­tung nach­ge­fragt: «Der Hand­lungs­spiel­raum entsteht, wenn im Budget die Ausgaben für den grenz­über­schrei­tenden Perso­nen­schie­nen­ver­kehr redu­ziert werden, für Mass­nahmen im Luft­ver­kehr aber keine entspre­chenden Mehr­aus­gaben beschlossen werden.»

Was heisst das konkret? Mit dem Entscheid, bei den Nacht­zügen zu kürzen, sind die 20 Millionen zwar defi­nitiv in den Topf für die SAF-Produk­tion geflossen. Dieses Geld darf jedoch im laufenden Jahr noch nicht ausge­geben werden, da ein weiterer Parla­ments­ent­scheid für die Mehr­aus­gaben bei den SAFs fehlt. Das Geld ist also bei der SAF-Förde­rung parkiert, kann aber noch nicht fliessen. «Entspre­chend können diese 20 Millionen ein Jahr lang zwischen­zeit­lich für etwas anderes ausge­geben werden», so die Finanz­ver­wal­tung weiter. Was wie von Bundes­rätin Keller-Sutter erwähnt, einen gewissen Hand­lungs­spiel­raum schaffe – aller­dings nur für ein Jahr und nur auf Pump. Die meisten Parla­ments­mit­glieder dürften unter diesem «Hand­lungs­spiel­raum» jedoch etwas anderes verstanden haben.

Ganz viel Unwissen

In einer kürz­lich in der WOZ erschie­nenen Recherche räumten Rats­mit­glieder aus verschie­den­sten Parteien ein, dass ihnen nicht klar war, dass ein Runter bei den Nacht­zügen einfach zu einem Rauf bei den SAFs führt. «Das war für die aller­mei­sten Räte wohl tatsäch­lich nicht Sinn der ganzen Übung», schreibt zum Beispiel Chri­stian Imark, SVP-Parla­men­ta­rier und Präsi­dent der natio­nal­rät­li­chen Umwelt­kom­mis­sion. Offenbar gingen die meisten National- und Ständerät*innen davon aus, mit der Strei­chung bei den Nacht­zügen die Bundes­kasse um 20 Millionen zu entlasten.

Auch Imark argu­men­tierte in einer ersten Antwort auf eine Medi­en­an­frage, die das Lamm vorliegt, die Nacht­zug­strei­chungen würden sehr wohl zu einer Entla­stung des Bundes­bud­gets führen. Das habe ihm das Sekre­ta­riat der Umwelt­kom­mis­sion so bestä­tigt. In diesem Sekre­ta­riat sitzen jene Leute, die die Kommis­si­ons­mit­glieder in Sach­fragen beraten – also eigent­lich die Expert*innen.

Erst nach erneutem Nach­fragen und nachdem sich das Sekre­ta­riat noch­mals mit dem für die EHS-Erlöse zustän­digen BAFU kurz­ge­schlossen hatte, kommen auch das Sekre­ta­riat und Imark zum Schluss, dass das Manöver nicht mehr Geld in die Bundes­kasse spült. Die erste Antwort sei auf der Basis einer «unvoll­stän­dige Auskunft» entstanden. Zu seiner Vertei­di­gung fügt Imark hinzu: «Wenn selbst Profis nicht genau wissen, was Sache ist, wie soll es dann ein Miliz­par­la­ment korrekt verstehen?» 

Damit hat er nicht unrecht. Die über Jahre gewach­sene Schweizer Klima­ge­setz­ge­bung ist tatsäch­lich ziem­lich komplex. Trotzdem: Die Verant­wor­tung, sich für oder gegen etwas zu entscheiden, liegt schluss­end­lich bei der gewählten Volks­ver­tre­tung. Aller­dings sollte man erwarten können, dass diese Volks­ver­tre­tung von der Regie­rung nicht an der Nase herum­ge­führt wird und alle Infor­ma­tionen hat, um eine fundierte Entschei­dung zu treffen. 


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