Reiche essen sich nicht selbst

Die Millio­nen­erbin Marlene Engel­horn will Millionen verschenken und wird dafür beju­belt. Das ist naiv. Der Fehler liegt schon in ihrer Perspektive. 
Wir können nicht darauf warten, dass Reiche die Klassengesellschafft abschaffen. (Illustration: Luca Mondgenast)

Als die öster­rei­chi­sche Millio­nen­erbin Marlene Engel­horn vergan­gene Woche ange­kün­digt hat, einen Gross­teil ihres Erbes umzu­ver­teilen, war der Jubel im links­li­be­ralen Milieu gross – und naiv. Über ein Gremium mit dem Namen „Guter Rat für Rück­ver­tei­lung“ will die Nach­fahrin von BASF-Gründer Fried­rich Engel­horn 25 Millionen Euro zurück an die Gesell­schaft geben.

Die zufällig ausge­wählten Mit­glie­der des Gremiums sollen darüber berat­schlagen, was mit dem Geld passiert. Es dürfe nur, so Engel­horn, nicht für verfas­sungs­wid­rige, lebens­feind­liche, menschen­ver­ach­tende oder profit­ori­en­tierte Zwecke einge­setzt werden. Engel­horn betonte, sie habe keinerlei Entschei­dungs­ge­walt bezüg­lich der Vertei­lung ihres Erbes.

In den sozialen Medien sorgt Engel­horns Ankün­di­gung für Begei­ste­rung. Für Poli­tik­wis­sen­schaft­lerin und Autorin Nata­scha Strobel ist die Aktion ein „Licht­blick“, die Grün­derin der Platt­form „Ungleich­heit“, Martyna Linartas, fühlt „Dank­bar­keit, Hoff­nung, irgendwie auch Stolz“ ob der frohen Botschaft.

Auch linke Medien stimmen in den Begei­ste­rungs­sturm mit ein. So schreibt die Tages­zei­tung nd, man wünsche sich „solche Klas­sen­ver­rä­te­rinnen“. Der öster­rei­chi­sche Stan­dard kommen­tiert ihren „famosen Auftritt“, zieht sogar Paral­lelen zu Johanna von Orleans. Also zu einer fran­zö­si­schen Natio­nal­heldin und Krie­gerin, die im 15. Jahr­hun­dert verbrannt wurde.

Geld strömt nach oben

Diese Reak­tionen sind Ausdruck einer Margi­na­li­sie­rung linker Politik. Kürz­lich hat die Hilfs­or­ga­ni­sa­tion Oxfam eine Studie veröf­fent­licht, die eine Erklä­rung für derar­tige Gefühls­aus­brüche liefert. Das Vermögen der fünf reich­sten Männer habe sich seit 2020 mehr als verdop­pelt. Die knapp fünf Milli­arden ärmsten Menschen welt­weit verloren in derselben Zeit Vermögen in Höhe von 20 Milli­arden Dollar. Engel­horns Initia­tive wird beju­belt, weil sie so unwahr­schein­lich ist.

Der Fehler ist schon in der Posi­tion Engel­horns begründet: Wenn die gesell­schaft­liche Linke darauf wartet, dass Reiche eigene Vorstel­lungen von einer gerechten Welt formu­lieren, ist sie verloren.

Bei der Entwick­lung, wie sie Oxfam skiz­ziert, handelt es sich dagegen um die Regel: Geld strömt nach oben, während frei­wil­liger Akti­vismus von Reichen und Super­rei­chen mit der Lupe zu suchen ist. Wer nun Engel­horns Enga­ge­ment zur Umver­tei­lung als den Beginn einer Zeiten­wende liest, in der Initia­tiven wie taxmenow mit ihren Forde­rungen einer gerech­teren Besteue­rung den Anfang machen, liegt falsch.

Der Fehler ist schon in der Posi­tion Engel­horns begründet: Wenn die gesell­schaft­liche Linke darauf wartet, dass Reiche eigene Vorstel­lungen von einer gerechten Welt formu­lieren, ist sie verloren, denn die Reichen formu­lieren diese Vorstel­lungen zu ihren eigenen Bedingungen.

Wie die Bedin­gungen aussehen, hat Engel­horn skiz­ziert. Ihre Heran­ge­hens­weise, einen Quer­schnitt der Gesell­schaft für den von ihr initi­ierten Umver­tei­lungsrat zu adres­sieren, statt von vorn­herein die Inter­essen von Armuts­be­trof­fenen und Ausge­grenzten in den Mittel­punkt zu stellen, riecht nach libe­raler Umver­tei­lung mit der Giesskanne.

Gerechte Vertei­lung von Anfang an

Ein Blick in die Forde­rungen von taxmenow zeigt: Die Ideen zur Umver­tei­lung sind gut gemeint, ändern aber nicht viel an dem Haupt­pro­blem links­li­be­raler Steu­er­mo­delle: Die fordern höhere Besteue­rung, nachdem das Geld von unten nach oben umver­teilt wurde.

Hinzu kommt, wie Stephanie Keltorn, die Ökonomin und ehema­lige Bera­terin des US-Präsi­dent­schafts­kan­di­daten Bernie Sanders, in einem Inter­view mit dem Jacobin gesagt hat, dass „das Problem viel­mehr darin besteht, dass die Reichen zual­ler­erst mehr als ihren gerechten Anteil nehmen“. Wenn diese Ungleich­heiten wirk­lich geän­dert werden sollen, müssen progres­sive Steu­er­initia­tiven genau dort angreifen. Was die Ar­bei­te­r*i­n­nen erwirt­schaften, dürfte gar nicht erst in so grossem Mass an die Reichen gehen. Nur kann man bei derar­tigen Rück­ver­tei­lungs­mo­dellen nicht auf die Unter­stüt­zung Reicher hoffen – denn Reiche essen sich nun mal nicht selbst.

Dieser Beitrag wurde zuerst in der taz veröffentlicht.


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