Roger Köppel machte seinen Mund auf – du wirst nie glauben, was dann passiert ist.

Der SVP-Natio­nalrat hat etwas ange­kün­digt – und alle grossen Medi­en­häuser haben es getickert und gestreamt. Wenn Roger Köppel spricht, hört die Medi­en­welt zu! Nicht das Lamm. Eine medi­en­kri­ti­sche Glosse. 
Roger Köppel inszeniert sich gern selber - und die Schweizer Mediehäuser nehmen es dankend auf. Screenshot by das Lamm.
Roger Köppel inszeniert sich gern selber - und die Schweizer Mediehäuser nehmen es dankend auf. (Screenshot von "Welcome to SVP (DJ Tommy)"/ Youtube.com by das Lamm)

Vergleiche im Jour­na­lismus sind eine schwie­rige Sache. Meistens wirken sie konstru­iert und selten sind sie wirk­lich infor­mativ. Ein eher schlechtes Beispiel ist dieser Titel von Watson: Wie Roger Köppel zur Schweizer Version von Donald Trump wurde“. Auf den ersten Blick hat der Vergleich tatsäch­lich was. Schliess­lich spielt auch Köppel die ewig gleiche Leier der Popu­li­stInnen, die ständig Medi­en­schaf­fende wegen angeb­li­cher syste­ma­ti­scher Fehl­in­for­ma­tionen beschul­digen. Und ja, Roger Köppel und Donald Trump spielen sich oftmals beide als die Vertreter des verges­senen, weissen Mannes auf. Skan­dieren gefähr­liche Parolen gegen Medi­en­schaf­fende und Intel­lek­tu­elle und wittern hinter jedem inter­na­tio­nalen Vertrag die nächste Weltverschwörung.

Aber eben: Mit den Verglei­chen ist es so eine Sache. Köppel könnte nach diesen Krite­rien auch der Viktor Orban, der Andrzej Duda oder der Nigel Farage der Schweiz sein. Wirk­lich infor­mativ ist aber keiner dieser Vergleiche. Hier wird die Person des Popu­li­sten ins Zentrum gestellt – als wäre es diese alleine, die für ihren poli­ti­schen Erfolg verant­wort­lich ist. Als wären die Popu­li­stInnen zwar alle durchaus ruch­lose und verant­wor­tungs­lose Stim­mungs­ma­cher, die es aber trotzdem geschafft haben, mit ihrem fast schon mysti­schen, poli­ti­schen Genie dem Estab­lish­ment ein Schnipp­chen zu schlagen. So schwingt in jeder Kritik auch immer ein biss­chen Bewun­de­rung mit.

Ohne Vergleiche wäre der Jour­na­lismus aber auch um ein wich­tiges Stil­mittel ärmer. Darum hier trotzdem ein Versuch. Als Roger Köppel gestern zu einer Medi­en­kon­fe­renz zum sehr bild­haften Thema EU-Geheim­plan gegen die Schweiz und die Konse­quenzen für meine poli­ti­sche Tätig­keit“ einlud, verhielten sich Tamedia, Ringier und Co. wie ihre ameri­ka­ni­schen Pendants. Seine Ankün­di­gung verlas Roger Köppel gekonnt staats­män­nisch insze­niert von einem Podium aus – vor laufenden Kameras und in Anwe­sen­heit aller grossen Medi­en­häuser. Was bei einer anderen Poli­ti­kerin viel­leicht knapp eine SDA-Meldung in der näch­sten Print­aus­gabe wert wäre, ist auf Tagesanzeiger.ch direkt die Topstory – inklu­sive Live­ticker. Blick über­trägt den Live­feed sogar auf Face­book – und die Emojis fliegen über den Bild­schirm. Der Jour­na­list von Watson lobt in seinem Live­ticker die gelun­gene Insze­nie­rung und das Timing von Roger Köppel – die Ironie seiner Erkenntnis bleibt ihm aber verborgen.

Köppels Unter­stüt­ze­rInnen jubeln – endlich wird die Euro­pa­po­litik aufge­mischt, man freut sich schon mal präventiv; für seine Gegne­rInnen ist sowieso alles, wo Köppel drauf­steht, ein rotes Tuch. Wirk­lich rele­vant ist die von Köppel vorge­tra­gene Infor­ma­tion zu diesem Zeit­punkt für niemanden. Dass aber bereits vor einem greif­baren Entscheid mit laufenden Kameras, Push-Benach­rich­tungen und Brea­king News“ berichtet wird, ist nicht nur nicht infor­mativ – es ist schädlich.

Während den partei­in­ternen Wahlen für die Kandi­datur als Präsi­dent der USA bekam Donald Trump ungleich mehr mediale Beach­tung als seine Mitkon­kur­ren­tInnen. Die wohl berühm­teste Szene ereig­nete sich aber während des Wahl­kampfs: Anstatt einer Rede von Hillary Clinton, zeigten CNN, MSNBC und FOX News über eine halbe Stunde lang ein leeres Podium, auf dem in grossen Lettern TRUMP“ stand; nach einem Banner mit Dauer­wer­be­sen­dung“ suchte man vergeblich.

Die Komi­kerin Michelle Wolf kriti­sierte 2018 am tradi­tio­nellen White House Corre­spond­ents‘ Dinner die anwe­senden Medi­en­schaf­fenden. Ihr seid vernarrt in Donald Trump. Was keiner hier zugeben möchte, ist die Tatsache, dass Donald Trump euch viel geholfen hat“, rief sie am Ende der Veran­stal­tung den Jour­na­li­stInnen ins Gewissen. Er konnte keine Steaks oder Immo­bi­lien verkaufen. Aber ihr habt dieses Monster erschaffen und er hilft euch jetzt, eure Zeitungen und Bücher zu verkaufen!“ Im Raum wurde es still. Nicht, weil die Jour­na­li­stInnen ihre Arbeit kritisch hinter­fragten, sondern weil sie sich durch diese anmas­sende Kritik in ihrem Selbst­ver­ständnis verletzt sahen. Am näch­sten Tag hagelte es Kritik an Wolfs Auftritt – aber kaum eineR der Jour­na­li­stInnen äusserte sich zu der Kritik Wolfs.

Tamedia ist noch nicht CNN und Köppel kein Trump, aber wie sich gestern zeigte, funk­tio­niert auch hier­zu­lande das Aufmerk­sam­keits­ma­nage­ment der Popu­li­stInnen. Davon profi­tieren indes nur die Medi­en­häuser selber, dank sicheren Klick­zahlen – und Roger Köppel. Mit nur einer Medi­en­kon­fe­renz darf er für einen halben Tag Blatt­ma­cher aller Schweizer Medi­en­por­tale sein.

Anstatt auf der Suche nach dem Schweizer Trump zu sein, sollten wir als Medi­en­schaf­fende uns fragen, welche Rolle der Jour­na­lismus im Erfolgszug des Rechts­po­pu­lismus spielt – und was man dagegen tun könnte. Ein Vorschlag: Einfach mal den Live­ticker stecken lassen. Lieber lässt man einer Neuig­keit ein biss­chen Zeit und Raum, um sie dann einzu­ordnen und zu analy­sieren; auch – oder gerade wenn – Köppel draufsteht.

Anmer­kung: Wer wissen will, was Roger Köppel Monu­men­tales verkündet hat, muss das leider bei einem anderen Online­portal tun.


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