Konsum sei gut, meint der Bund

Ist heut­zu­tage „mehr” wirk­lich immer noch „besser”? Kaum. Trotzdem gilt eine bessere „Konsu­men­ten­stim­mung” immer noch eindi­men­sional als eine gute Entwick­lung. Die Kehr­seite davon scheint noch niemand bemerkt zu haben. Eine kleine Ideologiekritik. 

Vor ein paar Tagen kam eine Nach­richt auf allen Kanälen: „Konsu­men­ten­stim­mung verbes­sert sich weiter”, titelte der Blick. Die Kauf­laune der Schweizer Konsument:innen habe sich im vergan­genen Monat deut­lich verbes­sert, ist im Wirt­schafts­ma­gazin Finanz und Wirt­schaft zu lesen. Und auch das Echo der Zeit, die wich­tigste Nach­rich­ten­sen­dung der Schweiz, vermel­dete, dass sich die Stim­mung der Konsument:innen verbes­sert habe.

Diese Meldungen gehen zurück auf eine Erhe­bung des Staats­se­kre­ta­riats für Wirt­schaft (SECO). Viermal im Jahr führen die Leute vom SECO eine Befra­gung durch, mit der sie heraus­finden wollen, wie sich die Konsument:innen in näherer Zukunft verhalten werden. Und damit auch, wie sich „die Wirt­schaft” entwickeln wird.

Werden die Leute mehr kaufen oder setzen sie doch eher auf Sparen? Werden sie grosse Anschaf­fungen machen oder damit noch warten? Darüber soll der soge­nannte Index der Konsument:innenstimmung Aufschluss geben.

Welches Ergebnis als gut gilt und welches als schlecht, ist dabei klar abge­steckt. Das zeigt sich auch in den Medi­en­be­richten: Je mehr Konsum, desto besser.

Mehr ist doch nicht besser

Nur: Versu­chen Kampa­gnen, NGOs und Behörden uns nicht seit Jahren klar­zu­ma­chen, dass unsere Einkaufs­es­ka­paden eben gerade nicht so gut sind? Weder für uns noch für den Planeten und vor allem nicht für dieje­nigen, die in 30, 40 oder 50 Jahren hier werden leben müssen?

Kauft nicht jedes Jahr das neueste Handy, liest man bei Green­peace und Co. „Bewusst und wert­schät­zend konsu­mieren”, rät einem der Kanton Zürich. Und an den Umwelt­tagen der Stadt Bern will man die Besucher:innen dazu moti­vieren, defekte Sachen zu repa­rieren, anstatt sie durch neue zu ersetzen.

Wir wissen doch alle, dass wir mit unserem Konsum zu viele Ressourcen verbrau­chen. Zu viel Dreck in die Atmo­sphäre pusten. Ja, Dürren, Tornados und Flut­wellen verursachen.

Trotzdem gibt die gesamte Medi­en­land­schaft die vermeint­lich frohe Botschaft Jahr für Jahr weiter, ohne darauf hinzu­weisen, dass Konsum erwie­se­ner­massen auch so manch unschöne Neben­wir­kung mit sich bringt.

Das ist mangel­hafte jour­na­li­sti­sche Einordnung

Und der Index der Konsument:innenstimmung ist bei Weitem kein Einzel­fall. Erst kürz­lich berich­tete das SRF etwa darüber, dass in der Schweiz der Appetit auf Fleisch während der Pandemie gestiegen sei und dass die Schweizer Fleisch­firmen davon profi­tieren würden. Auch hier blieb die Schat­ten­seite dieser Entwick­lung unerwähnt.

Wie kommt es zu solch unvoll­stän­digen Bericht­erstat­tungen? Zum einen haben offen­sicht­lich so manche Journalist:innen noch immer nicht verstanden, dass sie in Zukunft wohl bei fast allen Recher­chen auch einen Blick aus der Klima­ecke auf ihr Thema werden werfen müssen.

Zum anderen dürfte das posi­tive Echo auch an der Art und Weise liegen, wie das SECO seine Meldung geframet hat. Denn die vermeint­lich objek­tive Aussage, die Konsument:innenstimmung habe sich verbes­sert, ist alles andere als neutral. 

Die Erhe­bungen des SECO mögen viel­leicht zeigen, dass sich der Index der Konsument:innenstimmung erhöht hat. Ob dies jedoch eine Verbes­se­rung darstellt oder nicht, das ist bereits eine Inter­pre­ta­tion. Und zwar eine, der die Annahme zugrunde liegt, dass Wirt­schafts­wachstum grund­sätz­lich gut sei.


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