Das neue Jahr hat angefangen, die Feiertage sind vorbei und ich bin… müde. Mein Dezember bestand aus: Geschenke organisieren, Menüs planen, Einkaufslisten schreiben, Zeit- und Reiseplan fixieren, Feiern mit Familie, Schwiegerfamilie und Freund*innen koordinieren, Aufgaben delegieren, Befindlichkeiten abchecken, Geschenkideen vermitteln, Personen daran erinnern, besagte Geschenkideen umzusetzen – die Liste könnte ins Unendliche weitergeführt werden.
All diese kleinen Aufgaben, die sich an Feiertagen üblicherweise häufen, bezeichnet man als Mental Load. Anders gesagt ist es die Organisationsarbeit, die in und rund um Beziehungen anfällt.
In den Medien wird Mental Load besonders oft anhand von Familien thematisiert, weil da Haushalts‑, Erziehungs- und sonstige Care-Arbeit zusammenkommt. Doch natürlich fällt Mental Load auch in Partner*innenschaften ohne Kindern, Freund*innenschaften, Kollektiven, Vereinen und sonstigen Gruppierungen an.
Die Krux an der Sache: Mental Load ist unsichtbar und wird darum oft kaum wertgeschätzt, und wird – ihr ahnt es – überwiegend von Frauen getragen. In der von Sotomo und annabelle durchgeführten „Frauenbefragung“ gaben 81 Prozent der befragten Personen an, dass sie wesentlich mehr leisten als ihr Partner, wenn es um die Organisation, die Planung und das Drandenken in Haushalt und Familie geht.
Wer privat die Mental Load übernimmt, ist Beziehungsverantwortliche*r, ohne dafür Lohn oder Anerkennung zu erhalten – eine omnipräsente und undankbare Zusatzaufgabe.
Grund dafür sind mitunter die vorherrschenden Rollenbilder: Weiblich sozialisierte Personen lernen früh, dass sie für die Bedürfnisse ihres Umfelds zuständig sind und dass Haushalt und Familie in ihren Aufgabenbereich gehören. Wir kümmern uns vermeintlich besonders gut und gerne um andere Menschen, weil wir eben „Frauen“ sind.
Das stimmt natürlich genauso wenig wie die „Pink ist für Mädchen, blau für Jungs“-Trope. Es ist einfach eine Aufgabe, die weiblich sozialisierten Personen von Anfang an zugewiesen wird.
In der Lohnarbeit nennt sich diese Aufgabe „Management“. Meistens sind das gut bezahlte Führungspositionen, in denen sich eine Person ausschliesslich der Organisation und Delegierung von Arbeitsaufgaben widmet. Ironischerweise sind in der Schweiz diese Positionen mit über 60 Prozent vor allem von statistisch als Männer erfassten Personen besetzt.
Wer privat jedoch die Mental Load übernimmt, ist Beziehungsverantwortliche*r, ohne dafür Lohn oder Anerkennung zu erhalten – eine omnipräsente und undankbare Zusatzaufgabe. Patricia Cammarata, die Autorin des Buchs „Raus aus der Mental Load Falle“, warnt gar davor, dass Frauen, die den Mental Load allein tragen, langsam Richtung Burn-out rutschen können.
Bei mir zeigt sich das, indem ich nicht nur alle „To Do’s“ im Kopf behalte, sondern dann auch die meisten Aufgaben selbst erledige. Statt meinen Partner zum dritten Mal daran zu erinnern, dass wir noch nicht entschieden haben, was wir zu Abend essen möchten, wir noch eine Einkaufsliste schreiben und dann tatsächlich einkaufen müssen, mache ich es schlussendlich selbst. Und bin dann müde, gestresst und frustriert.
Weil ich mich schon seit einiger Zeit mit Mental Load auseinandersetze, finde ich es mittlerweile komplett lächerlich, meinem potenziell gleichgestellten Partner wie eine Chefin – oder schlimmer: Mutter – Aufgaben zuzuteilen. Neben der ganzen Arbeit raubt mir also auch noch die Wut darüber, dass ich alles selbst machen muss, meine Energie.
Wer jetzt „Mental Load“ googelt, findet schnell Tipps, wie Frauen das Gespräch mit ihrem Partner suchen können oder wie sie sich verhalten sollen, damit der Mann überhaupt die Chance hat, die Verantwortung zu übernehmen. Einer der wenigen Texte zum Thema, der von einem Mann verfasst wurde, endet mit drei Tipps für eine gerechte Aufteilung des Mental Loads – gerichtet an seine Frau.
Es ist an der Zeit, dass ihr, liebe Männer, euch mit dem Thema auseinandersetzt. Übernehmt endlich Verantwortung in euren Beziehungen, eurer Familie und eurem Haushalt.
Weiblich sozialisierte Personen, die zusätzlich zur Lohn- und unbezahlten Care-Arbeit das Beziehungsmanagement übernehmen, sollen also auch noch dafür arbeiten, dass der männlich sozialisierte Mensch in ihrem Leben endlich seinen Teil macht? Und dabei sollen sie nett kommunizieren, empathisch reagieren und mit viel Geduld an die Sache rangehen?
Vergiss es.
Was in einem solchen Gespräch nämlich erstaunlich oft als Antwort kommt, ist: „Du hättest halt etwas sagen müssen“. Das ist an Dreistheit kaum zu übertreffen. Die französische Bloggerin Emma enttarnt diese Aussage in ihrem Comic „Fallait demander“ („Du hättest mich fragen müssen“ auf Deutsch): Männer sagen damit eigentlich nur, dass sie sich weigern, ihren Teil des Mental Loads zu tragen. Und das ist inakzeptabel.
Es ist an der Zeit, dass ihr, liebe Männer, euch mit dem Thema auseinandersetzt. Übernehmt endlich Verantwortung in euren Beziehungen, eurer Familie und eurem Haushalt. Ihr seid halt nicht so organisiert? Ihr denkt selten so weit voraus? Euch fällt planen schwierig? Dann übt es.
Fragt eure weiblich sozialisierten Bezugspersonen aus, macht euch eine Liste von typischen Mental Load-Aufgaben, schafft euch Zeit dafür, erledigt sie und fühlt euch vor allem dafür verantwortlich, dass es wirklich klappt.
Journalismus kostet
Die Produktion dieses Artikels nahm 14 Stunden in Anspruch. Um alle Kosten zu decken, müssten wir mit diesem Artikel CHF 988 einnehmen.
Als Leser*in von das Lamm konsumierst du unsere Texte, Bilder und Videos gratis. Und das wird auch immer so bleiben. Denn: mit Paywall keine Demokratie. Das bedeutet aber nicht, dass die Produktion unserer Inhalte gratis ist. Die trockene Rechnung sieht so aus:
Wir haben einen Lohndeckel bei CHF 22. Die gewerkschaftliche Empfehlung wäre CHF 35 pro Stunde.
CHF 490 → 35 CHF/h für Lohn der Schreibenden, Redigat, Korrektorat (Produktion)
CHF 238 → 17 CHF/h für Fixkosten (Raum- & Servermiete, Programme usw.)
CHF 260 pro Artikel → Backoffice, Kommunikation, IT, Bildredaktion, Marketing usw.
Weitere Informationen zu unseren Finanzen findest du hier.
Solidarisches Abo
Nur durch Abos erhalten wir finanzielle Sicherheit. Mit deinem Soli-Abo ab 60 CHF im Jahr oder 5 CHF im Monat unterstützt du uns nachhaltig und machst Journalismus demokratisch zugänglich. Wer kann, darf auch gerne einen höheren Beitrag zahlen.
Ihr unterstützt mit eurem Abo das, was ihr ohnehin von uns erhaltet: sorgfältig recherchierte Informationen, kritisch aufbereitet. So haltet ihr unser Magazin am Leben und stellt sicher, dass alle Menschen – unabhängig von ihren finanziellen Ressourcen – Zugang zu fundiertem Journalismus abseits von schnellen News und Clickbait erhalten.
In der kriselnden Medienwelt ist es ohnehin fast unmöglich, schwarze Zahlen zu schreiben. Da das Lamm unkommerziell ausgerichtet ist, keine Werbung schaltet und für alle frei zugänglich bleiben will, sind wir um so mehr auf eure solidarischen Abos angewiesen. Unser Lohn ist unmittelbar an eure Abos und Spenden geknüpft. Je weniger Abos, desto weniger Lohn haben wir – und somit weniger Ressourcen für das, was wir tun: Kritischen Journalismus für alle.
Einzelspende
Ihr wollt uns lieber einmalig unterstützen?