Pflegerobotern für SeniorInnen – zukünftig möglicherweise auch Betreuungsrobotern für Kinder – fehlt es nie an Geduld, Zeit und Aufmerksamkeit. Obwohl sie uns keine menschliche Nähe geben, kommt die Illusion dem Original nahe. Der Roboter als mitfühlender Begleiter ist auf dem Vormarsch. Er kann uns in jedem Alter zur Seite stehen: Als Babysitter, als sexueller Gefährte oder, wie bereits heute verbreitet, als Altenpfleger. Auch mit dem Tod können sich Roboter auseinandersetzen. Etwa das Modell der Robbe „Paro“, das zu therapeutischen Zwecken vor allem für Demenzkranke eingesetzt wird. Das Kuscheltier gibt Zuwendung und ist immer da, wenn gerade niemand anderes Zeit hat. Einen Schritt weiter geht „SeppuKuma“, der äusserlich an einen Teddybären erinnert und Sterbehilfe leisten soll. Roboter, die sich um uns kümmern, sind meist vermenschlichte Maschinen, die zum Ziel unser Wohlbefinden haben und somit auch Gefühle in uns wecken.
Es gibt allerdings auch Roboter, die den Menschen unterstützen, ohne menschliche Eigenschaften vorzutäuschen. Beispielweise Medizinroboter, welche als „Dr. Roboter“ im Operationssaal helfen. Oder das motorbetriebene Roboter-Exoskelett, ein Gestell, welches Menschen mit Gehbehinderung ermöglicht, trotzdem zu laufen. Hier verhilft die Maschine dem Menschen zu Leistungen, zu denen er früher nicht in der Lage war.
Lösen Roboter unsere Umweltprobleme oder sind sie bereits selbst die Umwelt?
Zur Lösung von globalen Problemen wie etwa der Verschmutzung der Weltmeere setzen ForscherInnen ebenfalls auf den technischen Fortschritt. Vollautomatische Meeressäuberungsanlagen oder Roboter-Fische, die die Wasserverschmutzung überwachen, sind bereits Realität. Intelligente Maschinen, die von der Natur inspiriert sind und diese sogar übertreffen, zeigen die zunehmende Verschmelzung von Mensch und Umwelt. Die Umwelt wird selbst zum Roboter, wenn Menschen, Räume, Häuser, ja ganze Städte und Landschaften mit Robotermerkmalen ausgestattet werden. Selbststeuernde Heizungsanlagen und ferngesteuerte Waschmaschinen existieren im „Smart Home“ bereits, smarte Städte sind der logische nächste Schritt. Mit intelligenten Maschinen kann die Umwelt neu geschaffen, können die Grenzen der Biologie neu definiert werden.
Es stellt sich die Frage: Sollen wir eine „schöne neue Welt“ schaffen oder unsere alte Welt retten? Dieses Gedankenspiel greift die Organisation Greenpeace in ihrem Projekt „NewBees“ auf. Mini-Drohnen übernehmen die Aufgabe der Bienen, wenn diese ausgestorben sind. Dabei sind die solarbetriebenen Roboterbienen so effizient, dass sie die echten Bienen in ihrer Arbeit weit übertreffen. Ein positiver Aspekt des technischen Fortschritts: Wir denken verstärkt über die Bedeutung von Menschsein und die Zukunft unserer Umwelt nach.
Back to the future? Die Revolution ist bereits hier
In Anbetracht dieser Zukunftsphantasien frage ich mich, ob ich einem Roboter schon mal Auge in Auge gegenüberstand. Nein – dachte ich zumindest. Denn wer genau hinsieht, findet in seinem Alltag überall Roboter. Ohne Roboter müssten wir andere Menschen wieder nach dem Weg fragen, uns in der Schlange vor der bedienten Kasse die Beine in den Bauch stehen und beim Parken des Autos auf unser Augenmass vertrauen. Selbstbedienungskassen, Autos und Rasenmäher sind Apparate, die ihre Umwelt wahrnehmen und mit dieser interagieren können. Sie sammeln über Sensoren Informationen über ihre Umgebung und können intelligent auf diese reagieren. Genau das macht einen Roboter aus. Eine Maschine braucht also weder Arme und Beine noch Antennen und Kulleraugen, um als Roboter zu gelten.
Nicht alle Roboter können wir anfassen. Roboter sind oftmals gar nicht sichtbar, sondern nur erfahrbar. Apples Siri zum Beispiel ist ein Programm mit Lernfähigkeit, ein sogenannter Bot – eine Kurzform vom englischen „Robot“. Auch Chatbots, die uns beispielsweise beim Online-Einkauf Vorschläge machen, sind roboterartige Systeme. Der Roboter als Freund und Helfer, der dem Menschen die Arbeit abnimmt, ist keine unrealistische Zukunftsvision mehr. Liegt der Sinn seiner technischen Entwicklung aber nur in der Förderung menschlicher Bequemlichkeit?
Unsichtbare Jobvernichter oder praktische Helferlein?
Momentan nehmen wir Roboter vor allem dann wahr, wenn sie uns behilflich sind – oder sein sollten. Denn dass Roboter unseren Alltag vereinfachen, bemerken wir meist erst, wenn sie nicht so funktionieren, wie wir dies gewohnt sind. Ein defekter Bankomat oder ein Strassenname, den das Navigationsgerät nicht versteht – und schon schätzen wir den Nutzen von funktionierenden und somit hilfsbereiten Maschinen umso mehr.
Im Normalfall sind Roboter zuverlässig und leisten keine Widerworte. Dies macht sie zum idealen Mitarbeiter. Fleissige Arbeitsroboter, die alles besser und schneller können als Menschen, bedrohen bestehende Arbeitsplätze. In diesem Szenario droht dem Auslaufmodell Mensch eine düstere Zukunft. Im Strudel der Angst vor der eigenen Überflüssigkeit könnte sich der Mensch auch gegen den technischen Fortschritt wehren – oder diesen schamlos für sich ausnutzen. Wie der Arbeitsroboter zum „Menschen zweiter Klasse“, gar zum Sklaven werden kann, führt die skandinavische Erfolgsserie Real Humans eindrücklich vor.
Die Roboter sind hier — müssen wir uns ändern?
Wirkliche Sprengkraft entwickeln intelligente Maschinen erst dann, wenn sie das Leben nicht bloss vereinfachen, sondern mit nachhaltigen sozialen Veränderungen einhergehen. Ein Roboter, der Wäsche falten und Einkäufe verstauen kann, der uns Haus- und Pflegearbeit abnimmt, ist nur so gut wie die Gesellschaft, die ihn nutzt. So hat etwa die Erfindung von Waschmaschine und Staubsauger paradoxerweise nicht zu mehr Freizeit geführt. Stattdessen wurde mehr geputzt, mehr gewaschen – vor allem von Frauen. Denn an den bestehenden Geschlechterrollen und der Aufgabenverteilung in der Familie änderte sich nichts. Es braucht also nicht nur praktische Maschinen, sondern ein gesellschaftliches Umdenken.
Auch wenn heute die Doppelbelastung von Frauen durch Arbeit in- und ausserhalb des Hauses nach wie vor besteht, errang die Frauenrechtsbewegung des letzten Jahrhunderts die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter. Die Emanzipation des Roboters – heraus aus einem unterwürfigen Verhältnis gegenüber dem Menschen – könnte auch der Maschine zu mehr Rechten verhelfen. Denn um das Zusammenleben von Mensch und Maschine auf gesellschaftlicher Ebene zu regeln, werden Roboterrechte – etwa das Anrecht auf Ferientage oder die Bezahlung eines Roboters – zunehmend zum politischen Verhandlungsgegenstand. Ein Vorstoss aus dem EU-Parlament fordert allgemeine Regeln, etwa zur Frage, wer bei einem Unfall haftet, für den Umgang mit Robotern. Was bedeutet es, wenn sich PolitikerInnen derart stark über die Rechte von Maschinen sorgen, während immer noch viele Menschen zu elenden Bedingungen schuften?
Gerade im Arbeitsbereich steckt im technischen Fortschritt ein grosses Potenzial, um etwa menschenunwürdige Arbeitsbedingungen – „moderne Sklaverei“, wie Amnesty International es mit Blick auf Katar ausdrückt – zu bekämpfen. Anstelle der zerschundenen Körper, die uns glitzernden WM-Stadien und schicke neue Smartphones zurücklassen, könnte in Zukunft ein Roboter stehen, dem die Schwerstarbeit nicht einmal einen Kratzer zufügt.
Auch wenn ich heute die Vorteile einer Selbstbedienungskasse schätze, liegt die Zukunft einer effizienten Zusammenarbeit von Mensch und Maschine in der Förderung von Robotern, welche den Menschen nicht ersetzen, sondern gezielt dort helfen, wo sie wirklich gebraucht werden.
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