Berlin vs. Zürich: Die Lamm-Serie
- Teil I Abfalltrennung deluxe in Berlin
- Teil II Schwachstrom-Bio gibt’s überall. Aber wo gibt’s mehr davon?
Kopfsteinpflaster! Das ist für jeden Velofahrer echt nervig. Und Berlin ist voll davon. Eine Freundin hat mir erzählt, dass einer Freundin einer Bekannten beinahe einmal bei voller Fahrt das Hinterrad abgeflogen ist, weil sich die Schrauben durch das dauernde Gerüttel bei der Fahrt über das Kopfsteinpflaster gelockert hatten. Wahrheit oder urban legend? Ich weiss es nicht. Aber was ich mit Sicherheit sagen kann: Kopfsteinpflaster schmälern das Fahrvergnügen erheblich – auch wenn beide Räder am Drahtesel dranbleiben.
Aber auch rund um die Limmat gibt es velofahrtechnische Suboptimalitäten: Hügel! Während man sie in Berlin vergebens sucht, mache ich in Zürich nur schon zum Hauptgebäude der Uni Zürich 50 Höhenmeter. Und wer die ETH-Vorlesungen auf dem Hönggerberg besuchen darf, muss mit dem Zweirad über 400 Höhenmeter überwinden. Das hält fit — oder aber davon ab, das Fahrrad regelmässig zu verwenden. Denn verschwitzt in die Vorlesung zu sitzen, ist nicht jedermenschs Sache.
Das Velo stinkt und lärmt nicht. Und trotzdem ist es weder in Zürich noch in Berlin King of the Road
Bei Qualität und Quantität der Velostreifen gibt es sowohl in Berlin als auch in Zürich Ausbaubedarf. Zwar ist mir in Berlin bis jetzt keine aus Veloperspektive so mühsame Strasse wie die Langstrasse untergekommen, wo VelofahrerInnen höchstens die Breite der Abwasserrinne bleibt. Dafür bringen einem die Überquerungen der grossen Berliner Kreuzungen jedes Mal von Neuem einen Adrenalinkick ein. Für weniger abenteuerliche Seelen ist das definitiv nix.
Man gibt sich zwar nicht dieselben Freuden und Unfreuden, wenn man in Berlin oder Zürich in die Pedale tritt. Aber schlussendlich ist das Velofahrvergnügen in beiden Städten etwa gleich hoch. Man kommt nicht schlecht voran. Aber ein Veloparadies sieht anders aus. Und da das Velo weder Klimagase noch Feinstaub oder Lärm macht, ist das einfach nur blöd.
VBZ oder BVG? Witz haben Sie beide!
Sowohl die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) wie auch die Verkehrsbetriebe der Stadt Zürich (VBZ) bieten einen zumeist einwandfrei funktionierenden Fahrplan und ein engmaschiges Verkehrsnetz. Das Ganze ist zwar nicht ganz billig. Aber man kriegt auch was Gescheites für sein Geld.
Und auch an Sympathie hinken die BVG den VBZ in keiner Weise hinterher. Ich frag mich, ob sie sogar dieselbe Werbeagentur haben. Beide kombinieren in ihren Werbekampagnen gekonnt einen feinen Zynismus mit einer guten Portion Humor. Nach diesem kleinen Werbefilmchen der BVG muss man die 2.80 € für eine Einzelfahrt doch schon fast mit einem freudigen Lächeln im Gesicht bezahlen.
Aber auch die Werbekampagne der VBZ finde ich super. Sprüche wie „Die beliebtesten Wagen am Sechseläuten werden von Frauen gelenkt“ zeugen nicht nur von Humor, sondern auch von einem guten Verständnis dafür, was Zürich gerade bewegt.
Eigentlich sind sie ja wirklich nicht aufs Maul gefallen, die BerlinerInnen. Aber vor den Autos kuschen sie
Und wo liegt jetzt der Unterschied zwischen Berlin und Zürich in Sachen Fortbewegung? Bei den FussgängerInnen. Stell dir vor, du willst als Fussgängerin über die Strasse. Es gibt jedoch kein Fussgänger-Lichtsignal. Nicht ganz hundert Meter vor dir steht die Ampel für die Autos auf Rot. Die Autos reihen sich in einer stetig wachsenden Kolonne auf.
Was passiert in Zürich? Wenn du an einem Zebrasteifen stehst, hält ziemlich sicher bereits das erste Auto an und du kannst rüber. Denn seit 2006 gibt es für AutofahrerInnen, die das nicht tun, happige Bussen. Aber auch wenn du nicht an einem Fussgängerübergang stehst, wird wohl schon bald ein vorausschauender Autofahrer bemerken, dass er wegen der roten Ampel eh nicht weiterkommt, vom Gas gehen und dich kurz über die Strasse lassen.
Nicht so in Berlin. Zebrastreifen suchst du sowieso meist vergebens. Und die anrollenden AutofahrerInnen scheren sich einen Dreck darum, ob da wartende FussgängerInnen am Strassenrand stehen oder nicht. Die AutofahrerInnen der Spreestadt kommen regelmässig direkt vor meiner Fussgängernase zum Stillstand, um auf die grüne Ampel zu warten. Auf die clevere Idee, ein bisschen vorher vom Gas zu gehen, um mich rüber zu lassen, kommt selten einer.
Und das schrägste daran: Es scheint niemanden zu stören. Alle warten sie immer schön ordentlich, bis auch die letzten Autos vorbeigerollt sind und das Hoheitsgebiet Fahrbahn nun kurzzeitig vom gemeinen Fussvolk betreten werden darf. Das verstehe ich nicht. Die BerlinerInnen sind doch sonst auch nicht so zurückhaltend. Die berühmte Berliner Schnauze ist ja weithin bekannt. Aber vor den lärmenden und stinkenden Blechbüchsen geben die HauptstädterInnen offensichtlich klein bei.
Da gefallen mir die selbstbewussten FussgängerInnen und rücksichtsvolleren AutofahrerInnen der Limmatstadt weit besser. Und darum geht dieser Punkt an die Stadt Zürich. Es steht nun also mit 2 : 2. Unentschieden. Im nächsten Beitrag battlen sich meine zwei Lieblingsstädte in der Kategorie „Natur in der Stadt“.
Hier noch ein paar Tipps und Tricks für die nachhaltige Fortbewegung in Zürich und Berlin
- Kauf dir die Einzelfahrscheine in Berlin im Viererpack. Kommt günstiger!
- Die Busnummer 100 fährt in Berlin eine Vielzahl der beliebtesten Sehenswürdigkeiten ab. So kriegst du eine super Sightseeing-Tour für fast nix. Am besten ergatterst du dir im Bus einen Sitzplatz ganz vorne im oberen Stock. Dann hast du eine super Aussicht! Hier findest du eine Beschreibung der Sehenswürdigkeiten auf der Buslinie 100.
- Die kostenlose App bbybike sucht einem kopfsteinpflasterlose Fahrradrouten für Berlin heraus. So kommt man auch an der Spree ohne das mühsame Gerüttel an sein Ziel.
- An drei verschiedenen Orten kannst du in Zürich umsonst ein Fahrrad ausleihen. Mehr Infos dazu findest du hier.
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