Berlin vs. Zürich, Teil III: Wo kommt man besser voran, ohne die Luft zu verpesten?

Eigent­lich gibt es in einer Gross­stadt nur drei Arten sich fort­zu­be­wegen, ohne die natür­li­chen Ressourcen zu über­nutzen: per Rad, mit den ÖVs oder zu Fuss. Und in diesen drei Punkten möchte ich Berlin und Zürich im dritten Teil des Städ­te­du­ells verglei­chen. Soviel vorweg: Es gibt einen wesent­li­chen Unterschied! 
Die Schillerbar in Berlin Neukölln: Auch wer hierhin will, kommt um das Kopfsteinpflaster nicht herum. (Foto: Sascha Kohlmann)

Berlin vs. Zürich: Die Lamm-Serie

Kopf­stein­pfla­ster! Das ist für jeden Velo­fahrer echt nervig. Und Berlin ist voll davon. Eine Freundin hat mir erzählt, dass einer Freundin einer Bekannten beinahe einmal bei voller Fahrt das Hinterrad abge­flogen ist, weil sich die Schrauben durch das dauernde Gerüttel bei der Fahrt über das Kopf­stein­pfla­ster gelockert hatten. Wahr­heit oder urban legend? Ich weiss es nicht. Aber was ich mit Sicher­heit sagen kann: Kopf­stein­pfla­ster schmä­lern das Fahr­ver­gnügen erheb­lich  – auch wenn beide Räder am Draht­esel dranbleiben.

Aber auch rund um die Limmat gibt es velo­fahr­tech­ni­sche Subop­ti­ma­li­täten: Hügel! Während man sie in Berlin verge­bens sucht, mache ich in Zürich nur schon zum Haupt­ge­bäude der Uni Zürich 50 Höhen­meter. Und wer die ETH-Vorle­sungen auf dem Höng­ger­berg besu­chen darf, muss mit dem Zweirad über 400 Höhen­meter über­winden. Das hält fit — oder aber davon ab, das Fahrrad regel­mässig zu verwenden. Denn verschwitzt in die Vorle­sung zu sitzen, ist nicht jeder­menschs Sache.

Das Velo stinkt und lärmt nicht. Und trotzdem ist es weder in Zürich noch in Berlin King of the Road

Bei Qualität und Quan­tität der Velo­streifen gibt es sowohl in Berlin als auch in Zürich Ausbau­be­darf. Zwar ist mir in Berlin bis jetzt keine aus Velo­per­spek­tive so mühsame Strasse wie die Lang­strasse unter­ge­kommen, wo Velo­fah­re­rInnen höch­stens die Breite der Abwas­ser­rinne bleibt. Dafür bringen einem die Über­que­rungen der grossen Berliner Kreu­zungen jedes Mal von Neuem einen Adre­na­lin­kick ein. Für weniger aben­teu­er­liche Seelen ist das defi­nitiv nix.

Man gibt sich zwar nicht dieselben Freuden und Unfreuden, wenn man in Berlin oder Zürich in die Pedale tritt. Aber schluss­end­lich ist das Velo­fahr­ver­gnügen in beiden Städten etwa gleich hoch. Man kommt nicht schlecht voran. Aber ein Velo­pa­ra­dies sieht anders aus. Und da das Velo weder Klima­gase noch Fein­staub oder Lärm macht, ist das einfach nur blöd.

VBZ oder BVG? Witz haben Sie beide!

Sowohl die Berliner Verkehrs­be­triebe (BVG) wie auch die Verkehrs­be­triebe der Stadt Zürich (VBZ) bieten einen zumeist einwand­frei funk­tio­nie­renden Fahr­plan und ein engma­schiges Verkehrs­netz. Das Ganze ist zwar nicht ganz billig. Aber man kriegt auch was Gescheites für sein Geld.

Und auch an Sympa­thie hinken die BVG den VBZ in keiner Weise hinterher. Ich frag mich, ob sie sogar dieselbe Werbe­agentur haben. Beide kombi­nieren in ihren Werbe­kam­pa­gnen gekonnt einen feinen Zynismus mit einer guten Portion Humor. Nach diesem kleinen Werbe­film­chen der BVG muss man die 2.80 € für eine Einzel­fahrt doch schon fast mit einem freu­digen Lächeln im Gesicht bezahlen.

Aber auch die Werbe­kam­pagne der VBZ finde ich super. Sprüche wie „Die belieb­te­sten Wagen am Sech­se­läuten werden von Frauen gelenkt“ zeugen nicht nur von Humor, sondern auch von einem guten Verständnis dafür, was Zürich gerade bewegt.

Eigent­lich sind sie ja wirk­lich nicht aufs Maul gefallen, die Berli­ne­rInnen. Aber vor den Autos kuschen sie

Und wo liegt jetzt der Unter­schied zwischen Berlin und Zürich in Sachen Fort­be­we­gung? Bei den Fuss­gän­ge­rInnen. Stell dir vor, du willst als Fuss­gän­gerin über die Strasse. Es gibt jedoch kein Fuss­gänger-Licht­si­gnal. Nicht ganz hundert Meter vor dir steht die Ampel für die Autos auf Rot. Die Autos reihen sich in einer stetig wach­senden Kolonne auf.

Was passiert in Zürich? Wenn du an einem Zebrast­eifen stehst, hält ziem­lich sicher bereits das erste Auto an und du kannst rüber. Denn seit 2006 gibt es für Auto­fah­re­rInnen, die das nicht tun, happige Bussen. Aber auch wenn du nicht an einem Fuss­gän­ger­über­gang stehst, wird wohl schon bald ein voraus­schau­ender Auto­fahrer bemerken, dass er wegen der roten Ampel eh nicht weiter­kommt, vom Gas gehen und dich kurz über die Strasse lassen.

Nicht so in Berlin. Zebra­streifen suchst du sowieso meist verge­bens. Und die anrol­lenden Auto­fah­re­rInnen scheren sich einen Dreck darum, ob da wartende Fuss­gän­ge­rInnen am Stras­sen­rand stehen oder nicht. Die Auto­fah­re­rInnen der Spree­stadt kommen regel­mässig direkt vor meiner Fuss­gän­ger­nase zum Still­stand, um auf die grüne Ampel zu warten. Auf die clevere Idee, ein biss­chen vorher vom Gas zu gehen, um mich rüber zu lassen, kommt selten einer.

Und das schrägste daran: Es scheint niemanden zu stören. Alle warten sie immer schön ordent­lich, bis auch die letzten Autos vorbei­ge­rollt sind und das Hoheits­ge­biet Fahr­bahn nun kurz­zeitig vom gemeinen Fuss­volk betreten werden darf. Das verstehe ich nicht. Die Berli­ne­rInnen sind doch sonst auch nicht so zurück­hal­tend. Die berühmte Berliner Schnauze ist ja weithin bekannt. Aber vor den lärmenden und stin­kenden Blech­büchsen geben die Haupt­städ­te­rInnen offen­sicht­lich klein bei.

Da gefallen mir die selbst­be­wussten Fuss­gän­ge­rInnen und rück­sichts­vol­leren Auto­fah­re­rInnen der Limmat­stadt weit besser. Und darum geht dieser Punkt an die Stadt Zürich. Es steht nun also mit 2 : 2. Unent­schieden. Im näch­sten Beitrag battlen sich meine zwei Lieb­lings­städte in der Kate­gorie „Natur in der Stadt“.

Hier noch ein paar Tipps und Tricks für die nach­hal­tige Fort­be­we­gung in Zürich und  Berlin

  • Kauf dir die Einzel­fahr­scheine in Berlin im Vierer­pack. Kommt günstiger!
  • Die Busnummer 100 fährt in Berlin eine Viel­zahl der belieb­te­sten Sehens­wür­dig­keiten ab. So kriegst du eine super Sight­seeing-Tour für fast nix. Am besten ergat­terst du dir im Bus einen Sitz­platz ganz vorne im oberen Stock. Dann hast du eine super Aussicht! Hier findest du eine Beschrei­bung der Sehens­wür­dig­keiten auf der Buslinie 100.
  • Die kosten­lose App bbybike sucht einem kopf­stein­pfla­ster­lose Fahr­rad­routen für Berlin heraus. So kommt man auch an der Spree ohne das mühsame Gerüttel an sein Ziel.
  • An drei verschie­denen Orten kannst du in Zürich umsonst ein Fahrrad ausleihen. Mehr Infos dazu findest du hier.

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