Berühmt und brotlos

Unsere Kolum­ni­stin maia arson crimew ist „die berühm­teste Hackerin der Schweiz”. Ihre akti­vi­sti­sche und jour­na­li­sti­sche Arbeit schlug inter­na­tional grosse Wellen. Trotzdem lebt sie am Existenz­mi­nimum – und so wie ihr geht es vielen Berühmt­heiten heutzutage. 
maia arson crimews Bekanntheit führt nicht automatisch zu einem gesicherten Lebensunterhalt – auch, weil sie keine Produkte bewirbt. (Bild: zVg)

Cele­bri­ties sind allge­gen­wärtig und es gibt immer mehr von ihnen. Neben Popstars und Schauspieler*innen gibt es heute auch zahl­reiche Streamer*innen und Influencer*innen mit enormer Reich­weite. Das Internet schafft diverse Öffent­lich­keiten mit ihren ganz eigenen Stars. Es scheint, als sei es einfa­cher denn je, berühmt zu werden und sich eine Karriere daraus zu bauen.

Aber ist das wirk­lich so?

Seit 2021, als ich von den USA ange­klagt wurde, und späte­stens seit der Veröf­fent­li­chung der US Flug­ver­bots­liste in 2023, haben die meisten Menschen in der Schweiz minde­stens schon Mal vage von mir gehört. Ich werde immer wieder auf der Strasse und im Ausgang erkannt, Menschen fragen mich nach Auto­grammen und ich bekomme sogar kleine Neben­rollen in Serien wie Tschugger. Das alles ist defi­nitiv ein „dream come true” Moment für mich. Ich kann verschie­denste Medi­en­ar­beit machen, arbeite an Filmen mit und habe ein Publikum, mit dem ich meine (radi­kalen) Meinungen zur Welt teilen kann.

Von aussen könnte man denken, dass mir das alles – zusammen mit meiner jour­na­li­sti­schen Tätig­keit – wahr­schein­lich ein relativ gemüt­li­ches Leben ermög­licht. Aber das stimmt leider nicht. Ein Gross­teil der Recherche- und Öffent­lich­keits­ar­beit ist unbe­zahlt und mit dem Rest – das monat­li­ches Einkommen via Ko-Fi (eine Plat­form, die Fans erlaubt, meine Arbeit mit einma­ligen oder monat­li­chen Zahlungen zu unter­stützen), diese Kolumne, kleinen Hilfs­jobs hier und da und Gigs als DJ oder Public Speaker – mache ich gerade mal zwischen ein und zwei­tau­send Franken pro Monat.

Ist es die „Traum­kar­riere” wert, am Rande der Armut zu leben?

Das geht auch nicht nur mir so: Es ist wesent­lich einfa­cher, tausende Augen und Ohren auf sich und seine Arbeit gerichtet zu haben, als auch nur einen Rappen mit dieser Aufmerk­sam­keit zu verdienen. Ausser man ist bereit, dazu via Influencer*innenmarketing regel­mässig random Produkte zu bewerben, arbeitet man oft gratis. Wenn man also kein Werbe­körper sein möchte, kann man sich einen weiteren „normalen” Job zulegen. Aber auch das ist nicht für alle reali­stisch. Tätig­keiten wie Jour­na­lismus, Video­pro­duk­tion oder Musik sind alle sehr Zeit- und Ener­gie­auf­wändig. Zusätz­lich einen weiteren Job zu machen, resul­tiert fast immer in Einbussen in der ursprüng­li­chen Tätig­keit – oder führt sogar zu Burnout.

Wer also nicht das Glück hat und irgend­einen lukra­tiven Vertrag mit einer Agentur oder Medi­en­firma abschliessen kann, muss sich oft entscheiden, ob es die „Traum­kar­riere” wert ist, am Rande der Armut zu leben – egal wie gross das Publikum ist.

Um das klar zu machen: Es geht mir hier nicht darum, darüber zu weinen, wie schwierig es doch ist, berühmt zu sein. Ich habe mir diese „Karriere” zu einem gewissen Grad selbst ausge­sucht und habe extrem Spass daran. Für mich persön­lich wars die Entschei­dung wert: Ich mach lieber einfach mein Leben lang das, was ich will, anstatt mit einem Job, den ich hasse, viel­leicht mehr zu verdienen.

Die Schat­ten­seite von diesem Lebens­mo­dell ist, dass die meisten jüngeren berühmten Personen kaum ein Schutz­netz haben. Wenn man zu lange von der Bild­fläche verschwindet oder sonst an Rele­vanz einbüsst, ist mit dem verlo­renen Publikum schnell plötz­lich die ganze Lebens­grund­lage weg. Zudem muss man nach aussen das Bild wahren, dass alles okay sei, auch wenn von einem Monat auf den anderen nicht mehr klar sein kann, wie man die Miete oder das Essen bezahlen soll.

Ich werde diese Arbeit auch weiterhin machen – aber es wäre halt doch relativ geil, nicht dauernd am Existenz­mi­nimum zu kratzen.

Expert*innen spre­chen von einer Creator-Economy und einer Gig-Economy, von der wir fast alle irgendwie abhängig sind: In der Mittags­pause schaut man sich paar Insta­gram-Reels oder TikToks an und am Abend essen wir unser Uber Eats Znacht, während auf dem Fern­seher ein YouTube Video läuft. Das ist alles so selbst­ver­ständ­lich, dass wir diese Konsum­güter kaum mehr als Resultat von Arbeit wahr­nehmen – und wehe eine undank­bare YouTuberin spricht darüber, dass sie auf der Platt­form kaum mehr genü­gend Geld verdiene. Soll sie sich doch einen echten Job suchen, den Mund halten und uns weiter unterhalten.

Bei mir sieht es ähnlich aus: Meine jour­na­li­sti­sche und akti­vi­sti­sche Arbeit war die Basis von einigen der grössten inter­na­tio­nalen News­sto­ries der letzten Jahre. Ein Gross­teil davon war komplett unbe­zahlt. Ich werde diese Arbeit auch weiterhin machen, weil es mir Spass bereitet und erfül­lend ist. Aber es wäre halt doch relativ geil, nicht dauernd am Existenz­mi­nimum zu kratzen.


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