Celebrities sind allgegenwärtig und es gibt immer mehr von ihnen. Neben Popstars und Schauspieler*innen gibt es heute auch zahlreiche Streamer*innen und Influencer*innen mit enormer Reichweite. Das Internet schafft diverse Öffentlichkeiten mit ihren ganz eigenen Stars. Es scheint, als sei es einfacher denn je, berühmt zu werden und sich eine Karriere daraus zu bauen.
Aber ist das wirklich so?
Seit 2021, als ich von den USA angeklagt wurde, und spätestens seit der Veröffentlichung der US Flugverbotsliste in 2023, haben die meisten Menschen in der Schweiz mindestens schon Mal vage von mir gehört. Ich werde immer wieder auf der Strasse und im Ausgang erkannt, Menschen fragen mich nach Autogrammen und ich bekomme sogar kleine Nebenrollen in Serien wie Tschugger. Das alles ist definitiv ein „dream come true” Moment für mich. Ich kann verschiedenste Medienarbeit machen, arbeite an Filmen mit und habe ein Publikum, mit dem ich meine (radikalen) Meinungen zur Welt teilen kann.
Von aussen könnte man denken, dass mir das alles – zusammen mit meiner journalistischen Tätigkeit – wahrscheinlich ein relativ gemütliches Leben ermöglicht. Aber das stimmt leider nicht. Ein Grossteil der Recherche- und Öffentlichkeitsarbeit ist unbezahlt und mit dem Rest – das monatliches Einkommen via Ko-Fi (eine Platform, die Fans erlaubt, meine Arbeit mit einmaligen oder monatlichen Zahlungen zu unterstützen), diese Kolumne, kleinen Hilfsjobs hier und da und Gigs als DJ oder Public Speaker – mache ich gerade mal zwischen ein und zweitausend Franken pro Monat.
Ist es die „Traumkarriere” wert, am Rande der Armut zu leben?
Das geht auch nicht nur mir so: Es ist wesentlich einfacher, tausende Augen und Ohren auf sich und seine Arbeit gerichtet zu haben, als auch nur einen Rappen mit dieser Aufmerksamkeit zu verdienen. Ausser man ist bereit, dazu via Influencer*innenmarketing regelmässig random Produkte zu bewerben, arbeitet man oft gratis. Wenn man also kein Werbekörper sein möchte, kann man sich einen weiteren „normalen” Job zulegen. Aber auch das ist nicht für alle realistisch. Tätigkeiten wie Journalismus, Videoproduktion oder Musik sind alle sehr Zeit- und Energieaufwändig. Zusätzlich einen weiteren Job zu machen, resultiert fast immer in Einbussen in der ursprünglichen Tätigkeit – oder führt sogar zu Burnout.
Wer also nicht das Glück hat und irgendeinen lukrativen Vertrag mit einer Agentur oder Medienfirma abschliessen kann, muss sich oft entscheiden, ob es die „Traumkarriere” wert ist, am Rande der Armut zu leben – egal wie gross das Publikum ist.
Um das klar zu machen: Es geht mir hier nicht darum, darüber zu weinen, wie schwierig es doch ist, berühmt zu sein. Ich habe mir diese „Karriere” zu einem gewissen Grad selbst ausgesucht und habe extrem Spass daran. Für mich persönlich wars die Entscheidung wert: Ich mach lieber einfach mein Leben lang das, was ich will, anstatt mit einem Job, den ich hasse, vielleicht mehr zu verdienen.
Die Schattenseite von diesem Lebensmodell ist, dass die meisten jüngeren berühmten Personen kaum ein Schutznetz haben. Wenn man zu lange von der Bildfläche verschwindet oder sonst an Relevanz einbüsst, ist mit dem verlorenen Publikum schnell plötzlich die ganze Lebensgrundlage weg. Zudem muss man nach aussen das Bild wahren, dass alles okay sei, auch wenn von einem Monat auf den anderen nicht mehr klar sein kann, wie man die Miete oder das Essen bezahlen soll.
Ich werde diese Arbeit auch weiterhin machen – aber es wäre halt doch relativ geil, nicht dauernd am Existenzminimum zu kratzen.
Expert*innen sprechen von einer Creator-Economy und einer Gig-Economy, von der wir fast alle irgendwie abhängig sind: In der Mittagspause schaut man sich paar Instagram-Reels oder TikToks an und am Abend essen wir unser Uber Eats Znacht, während auf dem Fernseher ein YouTube Video läuft. Das ist alles so selbstverständlich, dass wir diese Konsumgüter kaum mehr als Resultat von Arbeit wahrnehmen – und wehe eine undankbare YouTuberin spricht darüber, dass sie auf der Plattform kaum mehr genügend Geld verdiene. Soll sie sich doch einen echten Job suchen, den Mund halten und uns weiter unterhalten.
Bei mir sieht es ähnlich aus: Meine journalistische und aktivistische Arbeit war die Basis von einigen der grössten internationalen Newsstories der letzten Jahre. Ein Grossteil davon war komplett unbezahlt. Ich werde diese Arbeit auch weiterhin machen, weil es mir Spass bereitet und erfüllend ist. Aber es wäre halt doch relativ geil, nicht dauernd am Existenzminimum zu kratzen.
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