Corona-Kredite an die Luft­fahrt: Die EFK prüft die Vergabe nun doch — mit über einem Jahr Verspätung

Im ersten Corona-Früh­ling 2020 hat die Flug­branche ziem­lich viel Geld vom Staat erhalten – und dies aufgrund sehr frag­wür­diger Zahlen. Wir haben die Prüfbeamt:innen der Eidge­nös­si­schen Finanz­kon­trolle (EFK) deshalb gefragt, ob sie die Vergabe dieser Kredite nach­träg­lich über­prüfen werden. Deren Antwort lässt Fragen offen. 
Illustration: Oger, ogercartoon.com
Illustration: Oger, ogercartoon.com

Mehr oder weniger die gesamte Flug­branche kam im Früh­ling 2020 wegen der Pandemie zum Erliegen. Um zu verhin­dern, dass Swiss und Co. plötz­lich mit leeren Taschen dastehen, bewil­ligte das Schweizer Parla­ment damals einen Notkredit von 1.8 Milli­arden Franken.

Das war rück­blickend nicht nur proble­ma­tisch, weil dadurch eine der klima­schäd­lich­sten Bran­chen mit Steu­er­gel­dern über­schüttet wurde, sondern vor allem auch deswegen, weil das Parla­ment diese Gelder auf Basis frag­wür­diger Infor­ma­tionen gespro­chen hatte. Auf drei Zahlen stützte sich das Bundesamt für Zivil­luft­fahrt (BAZL) im Früh­ling 2020, um das Parla­ment von der Wich­tig­keit der Flug­branche zu über­zeugen und um für ein Ja zu den Unter­stüt­zungs­kre­diten von 1.8 Milli­arden zu werben. Unsere Recher­chen zeigten damals: Alle drei Zahlen waren irgend­etwas zwischen tenden­ziös, irre­füh­rend und falsch.

Nun stellt sich die Frage, ob das BAZL die Parlamentarier:innen absicht­lich oder aus Versehen falsch infor­miert hatte und wie es ganz grund­sätz­lich dazu kommen konnte, dass diese Zahlen in der Botschaft landeten. Möchte man diesen Fragen auf den Grund gehen, ist die erste Anlauf­stelle die Eidge­nös­si­sche Finanz­kon­trolle (EFK).

Absicht oder Versehen

Die Eidge­nös­si­sche Finanz­kon­trolle wird ihrem Namen gerecht: Denn alles, was sie macht, sind Kontrollen. Jedes Jahr legt sie einen mehr­sei­tigen Katalog von Fragen fest, die es in der Bundes­ver­wal­tung zu über­prüfen gilt. Ausschlag­ge­bend dafür, was unter die Lupe genommen wird, ist laut der EFK eine Risi­ko­ana­lyse. Anhand dieser Risi­ko­ana­lyse entsteht dann das jähr­liche Prüf­pro­gramm der EFK.

2021 umfasste dieses Programm etwa die „Prüfung der Sanie­rung von Duro-Gelän­de­wagen“, die „Prüfung der Aufsicht des Bundes über die Land­käufe im Projekt Rhone­kor­rek­tion“ oder die „Prüfung der Ober­auf­sicht über das Grund­buch­wesen“. Hat sich die EFK auch die Prüfung der Covid-Kredite an die Flug­branche vorge­nommen? Bereits Anfang 2021 haben wir der EFK diese Frage gestellt.

25. April 2021

Guten Tag

Vor bald einem Jahr veröf­fent­lichten wir bei
das Lamm einen Artikel, der aufzeigte, dass das Schweizer Parla­ment im Früh­ling 2020 die Corona-Kredite an die Flug­branche auf der Basis von tenden­ziösen, frag­wür­digen und gar falschen Infor­ma­tionen bewil­ligt hat. Die Zahlen, welche das BAZL heranzog, um die Wich­tig­keit der Flug­branche zu unter­strei­chen, waren alle­samt sehr frag­würdig.

Nun wollte ich mal nach­fragen, ob die EFK dem nach­ge­gangen ist und heraus­ge­funden hat, wie es dazu kommen konnte, dass das Parla­ment bei der Vergabe eines solch umstrit­tenen Kredits so schlecht infor­miert wurde?

Danke und freund­liche Grüsse
Das Lamm

Die Antwort fällt kurz und knapp aus.

26. April 2021

Liebes Lamm

Die EFK hat keine Prüfung in diesem Bereich durch­ge­führt.

Mit freund­li­chen Grüssen,
Medi­en­stelle des EFK

Auf die Frage, wieso man die Luft­fahrt-Kredit­ver­gabe nicht prüfe, verweist uns die EFK ledig­lich auf den jähr­lich fest­ge­legten Prüf­ka­talog und schickt uns den Link zum Prüf­pro­gramm 2021, wo die Luft­fahrt-Kredite nicht aufge­li­stet sind. Der Fall scheint geklärt.

Doch hinter der Formu­lie­rung „keine Prüfung durch­ge­führt“ kann viel Uner­war­tetes stecken, wie wir ein paar Monate später heraus­finden werden.

Keine Zweifel bei den Finanzkommissionen

Neben der EFK gibt es auch die Finanz­kom­mis­sionen. Jedes Bundes­de­par­te­ment hat, wenn es um die Finanzen geht, zwei zustän­dige Subkom­mis­sionen – eine stän­de­rät­liche und eine natio­nal­rät­liche. Sie haben im Bereich der Finanzen die Ober­auf­sicht über das jewei­lige Depar­te­ment. Zudem beraten diese Subkom­mis­sionen Botschaften im Finanz­be­reich vor. Für das UVEK und damit auch für das BAZL sind die Subkom­mis­sionen 3 zuständig. Viel­leicht haben ja sie genauer unter­sucht, wieso die BAZL-Beamt:innen in die Botschaft an die Parlamentarier:innen falsche Zahlen einge­ar­beitet haben?

Auf die Frage, ob die zustän­digen Subkom­mis­sionen die falschen Zahlen zur Flug­branche unter­sucht hätten, schreibt Stefan Koller, Sekretär der Finanz­kom­mis­sionen, dann auch tatsäch­lich, dass eine Vorbe­ra­tung statt­ge­funden hätte. „Grund­sätz­lich müssen sich parla­men­ta­ri­sche Kommis­sionen auf die Angaben und Infor­ma­tionen in den Botschaften verlassen können. Diese werden aber im Rahmen der Diskus­sion durchaus kritisch hinter­fragt und auf ihre Plau­si­bi­lität über­prüft“, so der Sekretär weiter. 

Und: Die Finanz­kom­mis­sionen verspre­chen, dass man die Sache noch­mals mit dem BAZL durch­leuchten werde. Die Diskus­sionen seien aber bereits damals intensiv gewesen, wie unter anderem dieser Medi­en­mit­tei­lung zu entnehmen sei. In der verlinkten Medi­en­mit­tei­lung suchen wir kriti­sche Diskus­sionen um die frag­wür­digen Zahlen in der Botschaft jedoch vergebens.

Viel­mehr werden die falschen Infos wider­spruchslos repe­tiert: Dass für rund 70 Prozent der Schweizer Unter­nehmen die Abwick­lung von Luft­fracht eine wich­tige Grund­vor­aus­set­zung sei, ist auch hier zu lesen.

Anschei­nend ist das Bild der grossen und mäch­tigen Flug­branche sowohl bei den Flugbeamt:innen als auch bei den Parlamentarier:innen immer noch so stark verin­ner­licht, dass auch offen­sicht­lich über­ris­sene Zahlen als Argu­ment problemlos durch­rut­schen. Denn weder Schrei­ne­reien, Bauun­ter­nehmen, Treu­hand­firmen, Gärt­ne­reien, Fitness­center, Bäcke­reien oder Elek­tro­ge­schäfte verschicken ihre Sachen per Flug­zeug. Dass es schon rein intuitiv nicht sein kann, dass sieben von zehn Unter­nehmen grund­le­gend von der Luft­fahrt abhängig sein sollen, hat bei den Finanz­kom­mis­sionen aber niemanden stutzig gemacht.

Was uns jedoch stutzig macht: Laut derselben Medi­en­mit­tei­lung vom Mai 2020 wurde in der vorbe­ra­tenden Sitzung der Finanz­kom­mis­sion fest­ge­legt, dass die EFK durchaus eine Prüfung der Kredite durch­führen soll. Wie passt das mit der Aussage der EFK zusammen, dass man keine Prüfung durch­ge­führt habe? Mit genau dieser Frage wenden wir uns deshalb ein paar Monate später noch­mals an die Prüfbeamt:innen der EFK.

12. August 2021

Liebe EFK

Wir hatten bereits vor einigen Wochen Kontakt, als ich bei Ihnen nach­ge­fragt hatte, ob die EFK die Vergabe der Corona-Kredite an die Flug­branche über­prüfen werde. Bei meinen Recher­chen bin ich nun auf dieses Doku­ment gestossen: https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-fk-n-s-2020–05-02.aspx. Es ist die Medi­en­mit­tei­lung über die Vorbe­ra­tung der beiden Finanz­kom­mis­sionen zu den Corona-Krediten an die Flug­branche.

Darin ist Folgendes zu lesen: „Schliess­lich fand auch ein Antrag, der fest­schreiben wollte, dass Kontroll­me­cha­nismen durch die Eidge­nös­si­sche Finanz­kon­trolle vorzu­sehen sind, keine Zustim­mung (abge­lehnt mit 13 zu 12 Stimmen). Das Finanz­de­par­te­ment und die Finanz­kon­trolle hielten zuvor fest, der Bundesrat habe beschlossen, dass die EFK Kontrollen vornehmen soll.„

Sie hatten mir geschrieben, dass die EFK die Kredit­ver­gabe an die Flug­branche nicht über­prüfe. Wie geht das damit zusammen, dass der Bundesrat laut dieser Medi­en­mit­tei­lung beschlossen hatte, dass die Kredite von der EFK kontrol­liert werden sollten?

Danke und freund­liche Grüsse
Das Lamm

Die Antwort kommt zwei Tage später:

16. August 2021

Liebes Lamm

Die Situa­tion hat sich nicht geän­dert: Wir haben noch keine Prüfungen in diesem Bereich durch­ge­führt.

Wir werden diese Prüfungen zu gege­bener Zeit durch­führen.

Mit freund­li­chen Grüßen,

EFK

Nachdem uns die EFK nun also zum zweiten Mal versi­chert hatte, dass sie zumin­dest bis zum Zeit­punkt des zweiten Antwort­schrei­bens keine Prüfung der Covid-Kredite an die Flug­branche durch­ge­führt hat, schrieben wir das genau so auch in einem Artikel im Oktober 2021.

Im November 2021 meldet sich die EFK dann erneut bei uns. Mit einer ziem­li­chen Über­ra­schung: Anders als in unserem Artikel beschrieben, führe die EFK durchaus eine Prüfung der Corona-Kredite an die Flug­branche durch. Die Prüf­nummer sei 20524. Der Name: Prüfung der Covid-19-Mass­nahmen zur Unter­stüt­zung der Luft­fahrt. Die Prüfung sei jedoch nicht im Prüf­pro­gramm 2021 aufge­führt, sondern in jenem von 2020.

Der Grund hierfür sei, dass bereits 2020 beschlossen wurde, eine Prüfung durch­zu­führen. Doch auch im online aufge­schal­teten Prüf­pro­gramm 2020 suchen wir diese Prüf­nummer verge­bens. Weshalb dieses Programm nicht auf dem aktu­ell­sten Stand sei und warum uns die EFK mehr­mals schrift­lich zuge­si­chert habe, man führe keine entspre­chende Prüfung durch, erklären die Prüfbeamt:innen schliess­lich so:

16. Dezember 2021

Liebes Lamm,

Die Auskunft der EFK („keine Prüfung durch­ge­führt“) war sowohl im April als auch im August 2021 richtig.

Die Prüfung 20524 wurde zwar für 2020 geplant (daher die 20er-Nummer), dann aber erst im 2021 durch­ge­führt (September bis November).

Wie bereits erwähnt, prüfen wir Ihren Vorschlag einer elek­tro­ni­schen Aktua­li­sie­rung unserer Jahres­pro­gramme.

Für weitere Fragen oder Präzi­sie­rungen stehe ich Ihnen jeder­zeit gerne zur Verfü­gung.

Mit freund­li­chen Grüssen
EFK

Den Auftrag für die Prüfung hat die EFK nämlich bereits im Mai 2020 erhalten. Dass hinter einem „keine Prüfung durch­ge­führt“ in Tat und Wahr­heit ein „wir haben bereits seit Monaten eine Prüfung geplant, werden diese bald starten, aber jetzt gerade sind wir noch nicht dran“ steckt, ist aus unserer Sicht jedoch weder nach­voll­ziehbar noch logisch. Auf die Frage hin, wann mit dem Prüf­be­richt zu rechnen sei, meint die EFK schliess­lich, dass dies noch bis Ende des ersten Quar­tals 2022 dauern werde.

Ein erneutes Versehen

Auch von den Finanz­kom­mis­sionen erhalten wir in der Zwischen­zeit ein Feed­back. Beide Subkom­mis­sionen liessen das BAZL zu unserem Artikel Stel­lung nehmen. Das BAZL gab zu, dass es bei der Erar­bei­tung der Botschaft zu einem Fehler gekommen sei.

„Der Fehler ist zwei­fels­ohne auch dem grossen Zeit­druck geschuldet, welcher damals beim Schreiben der Botschaft bestand […]. Die Verwal­tung, aber auch die Mitglieder des Parla­ments mussten unter grösstem Druck alle diese Kredite behan­deln. Das ist meines Erach­tens bei der Beur­tei­lung zu beachten“, so der Sekretär der Finanz­kom­mis­sionen auf Anfrage von das Lamm.

Die verwen­dete Zahl sei aufgrund einer unzu­läs­sigen Verkür­zung und einer Miss­ach­tung der Metho­do­logie der Quelle entstanden, so der Sekretär weiter. Die beiden Subkom­mis­sionen hätten davon Kenntnis genommen, sehen aber keinen weiteren Hand­lungs­be­darf, „weil auch die Verwal­tung den Fehler erkannt und versi­chert hat, alles zu tun, damit sich dies nicht wiederholt“.

Gemäss den Finanz­kom­mis­sionen ist das Ganze also aus Versehen passiert. Erneut. Denn bereits im Früh­ling 2020, also noch bevor das BAZL die Botschaft zu den Krediten an die Luft­fahrt veröf­fent­licht hatte, konnte das Lamm nach­weisen, dass das BAZL die durch Corona bedrohten Arbeits­plätze in der Flug­branche viel zu gross­zügig berechnet hatte. Schon damals versprach die Verwal­tung Besse­rung und liess uns wissen, dass man künftig klarer sein wolle bei der Kommu­ni­ka­tion der Zahlen. Passiert ist das offen­sicht­lich nicht.


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