Nach­hal­tige Finanzen am halb­runden Tisch von Ueli Maurer 

Der Bund will mit den „Swiss Climate Scores“ mehr Klima­trans­pa­renz in die Finanz­branche bringen und lädt zu einem Runden Tisch. Wenig Trans­pa­renz gibt es hingegen bei den gela­denen Gästen. 
Klimaschutz ohne Klimaschützer*innen. Wie soll das gehen? (Illustration: Oger / ogercartoons.com)
Klimaschutz ohne Klimaschützer*innen. Wie soll das gehen? (Illustration: Oger / ogercartoons.com)

Laut einem Bericht des Bundes­rates inve­stierte der Schweizer Finanz­platz 2020 viermal mehr Geld in Firmen, die Strom aus fossilen Quellen wie Kohle und Gas erzeugen, als in die Produk­tion von erneu­er­barem Strom. Und: Der Schweizer Finanz­platz unter­stütze den Ausbau der inter­na­tio­nalen Kohle- und Erdöl­för­de­rung. «Dies läuft dem Klima­ziel klar zuwider», hält der Bericht wenig über­ra­schend fest. Das Fazit: Der Schweizer Finanz­platz ist schlecht für das Klima.

Zwei­fel­hafte Glaubwürdigkeit

In demselben Bericht ist folgendes zu lesen: «Mehr als die Hälfte der Insti­tute, die eigenen Angaben zufolge Kohle bei ihren Inve­sti­tionen ausschliessen, halten noch Aktien und Anleihen von Unter­nehmen, die Kohle abbauen oder Kohle­strom produ­zieren.» 65 Prozent der befragten Firmen seien zwar Mitglieder einer Initia­tive für nach­hal­tige Finanzen, jedoch sind nur sieben Prozent an Initia­tiven betei­ligt, die konkrete Selbst­ver­pflich­tungen in Sachen Klima fordern.

Obwohl die grössten Schweizer Banken ihre fossilen Inve­sti­tionen in den letzten Jahren redu­ziert haben, finan­zierten die Credit Suisse und die UBS 2021 laut dem Bericht «Banking on Climate Chaos» mit 13,6 Milli­arden Dollar die Produk­tion fossiler Energie und den Ausbau von fossiler Infrastruktur.

Kürz­lich stand auch die Schwei­ze­ri­sche Natio­nal­bank (SNB) in der Kritik. Laut Zahlen, die der Wochen­zei­tung WOZ vorliegen, hat die SNB im ersten Quartal dieses Jahres im grossen Stil zusätz­liche Aktien von klima­schä­di­genden Unter­nehmen gekauft.

Diese Inve­sti­tionen in die Ener­gie­formen vergan­gener Zeiten bleiben nicht folgenlos. Die Auswir­kungen der Klima­krise sind viel­seitig und verhee­rend. Um ledig­lich ein Beispiel zu nennen: Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes zeigt sich in seinem neusten Bericht (Seite 10) zuhanden der Schweiz besorgt darüber, dass die hohen Inve­sti­tionen in fossile Ener­gie­träger und die damit einher­ge­hende Klima­er­hit­zung die Gesund­heit der Kinder schä­digen wird.

Während mitt­ler­weile für viele Lebens­be­reiche – wie den Verkehr, die Indu­strie oder den Gebäu­de­park – Klima­ge­setze bestehen, kam der Finanz­platz bisher immer wieder ohne verbind­liche Regeln davon.

Weder im von der Stimm­be­völ­ke­rung verwor­fenen CO2-Gesetz, noch im neusten Vorschlag des Bundes­rates für die Weiter­ent­wick­lung des CO2-Gesetzes, finden sich Regeln, mit denen die Klima­zer­stö­rung durch den Finanz­platz Schweiz gestoppt werden soll. Dies, obwohl sich die Schweiz mit der Rati­fi­zie­rung des Pariser Klima­ab­kom­mens (Artikel 2) ausdrück­lich dazu verpflichtet hat, die Finanz­mit­tel­flüsse klima­ver­träg­lich auszurichten.

Auch in Berei­chen, in denen nun zumin­dest erste verbind­liche Regu­lie­rungen entstanden sind, bleiben Frage­zei­chen offen. So hat die EU kürz­lich eine soge­nannte Taxo­nomie für nach­hal­tige Inve­sti­tionen verab­schiedet. Darin soll defi­niert werden, ob eine Wirt­schafts­tä­tig­keit als ökolo­gisch gilt oder nicht. Schockie­rend dabei: Laut der EU-Taxo­nomie gilt auch fossiles Erdgas als ökolo­gisch. Die Schief­lage könnte offen­sicht­li­cher nicht sein.

Gesetz­liche Regu­lie­rungen, die die Schweizer Finanz­branche dazu zwingen würden, den Planeten weniger zu zerstören, sucht man bis heute verge­bens. Doch für einen kurzen Moment schien es so, als könnte sich das ändern, denn der höchste Schweizer Kassen­wart, Finanz­mi­ni­ster Ueli Maurer, hatte zu einem Runden Tisch zum Thema nach­hal­tige Finanzen einge­laden. Das Ziel: „Der Schweizer Finanz­platz solle ein glaub­wür­diger Dreh- und Angel­punkt für Anleger sein, die einen posi­tiven Beitrag an die Nach­hal­tig­keits­ziele leisten wollen.»

War der Tisch wirk­lich rund?

An Maurers Runden Tisch waren laut Medi­en­mit­tei­lung Vertreter*innen von Gross­banken, Privat- und Kanto­nal­banken, Vermögensverwalter*innen und Verbänden geladen. Von Umwelt­schutz­ver­bänden oder Vertreter*innen der Klima­be­we­gung ist in der Medi­en­mit­tei­lung aber nicht die Rede. War Maurers Runder Tisch im Endef­fekt also doch nur eine lauschige Gesprächs­runde von UBS und Co? Oder waren auch Stimmen vertreten, die sich klar und kompro­misslos für das Klima posi­tio­nieren? Wir haben beim Eidge­nös­si­schen Finanz­de­par­te­ment (EFD) nachgefragt.

Liebes EFD

Am 7. Juni 2022 traf sich das EFD zu einem Runden Tisch zu Sustainable Finance. Waren bei dem Treffen auch Stimmen aus der Klima­be­we­gung dabei?

Vielen Dank und freund­liche Grüsse

Das EFD antwortet schnell und wortkarg.

Sehr geehrtes Lamm

Der Kreis der Teil­neh­menden ist in der Medi­en­mit­tei­lung ausführ­lich und abschlies­send beschrieben.

Freund­liche Grüsse

Wir schauen also noch­mals in die Medi­en­mit­tei­lung. Doch die Aufliste lässt einen gewissen Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum zu. Um ganz sicher zu sein, und weil wir gerne ein wenig pedan­tisch sind, fragen wir noch einmal nach.

Liebes EFD

Vielen Dank für die rasche Antwort. Ich gehe davon aus, dass Sie diese Passage meinen: „Anschlies­send tauschten sich die einge­la­denen CEOs und Verwal­tungs­rats­prä­si­denten von Gross­banken, Privat- und Kanto­nal­banken sowie Vermö­gens­ver­wal­tern und Verbänden […] über Nach­hal­tig­keits­themen mit direktem Bezug zur Vermö­gens­ver­wal­tung aus.„

Gehe ich richtig in der Annahme, dass bei den „Verbänden“ keine Umwelt­schutz­ver­bände dabei waren?

Vielen Dank für eine kurze Präzi­sie­rung und freund­liche Grüsse

Eine simple Ja-oder-Nein-Frage, könnte man meinen. Das EFD tut sich jedoch schwer mit der inzwi­schen eigent­lich offen­sicht­li­chen Antwort. Nämlich, dass am Tisch keine Stimme für das Klima anwe­send war.

Sehr geehrtes Lamm

Mit den Erkennt­nissen und Empfeh­lungen aus den «Swiss Climate Scores» (Klimalabel des Bundes unter Teil­nahme von WWF, Green­peace und Swiss Sustainable Finance) hat der Runde Tisch vom 7. Juni als Austausch der Finanz­branche mit Fokus Vermö­gens­ver­wal­tung statt­ge­funden.

Ebenso ist das EFD im Green Fintech Network enga­giert.

Freund­liche Grüsse

Die «Swiss Climate Scores» sind ein kürz­lich vom Bund einge­führtes Klimalabel für Inve­sti­tionen. Die Anwen­dung des neuen Labels wird den Schweizer Finanzmarktakteur*innen jedoch ledig­lich empfohlen. Einmal mehr gibt es keine verbind­li­chen Regeln für den Finanz­markt, sondern ledig­lich ein Label, das die Banken frei­willig anwenden können. Das Ziel der «Swiss Climate Scores»: Der Schweizer Finanz­platz soll mit glaub­wür­diger Klima­trans­pa­renz einen inter­na­tio­nalen Spit­zen­platz einnehmen.

Auch wenn an den Vorar­beiten zu diesem neuen Klimalabel einige Umwelt­schutz­ver­bände betei­ligt waren: An Ueli Maurers Rundem Tisch sass schluss­end­lich niemand aus der Klima- oder Nachhaltigkeitsbewegung.

Bei Green­peace findet man das auf Anfrage hin schade: «Wir sind über­zeugt, dass der Schweizer Finanz­platz sein Ziel des Führungs­an­spruchs im Bereich Nach­hal­tig­keit schneller errei­chen könnte, wenn Orga­ni­sa­tionen wie Green­peace noch mehr in die Entwick­lung der Mass­nahmen einbe­zogen würden», sagt Peter Haberstich, Projekt­leiter „Sustainable Finance“ bei Greenpeace.

Ebenso deut­liche Worte findet Leandra Breu vom Klima­streik: «Das war wohl eher ein halb­runder Tisch. Wir wurden an keiner Stelle in den Prozess inte­griert.» Aus der Perspek­tive der Klimaaktivist*innen seien solche Treffen reine Green­wa­shing-Kampa­gnen. Würde es der Bundesrat wirk­lich ernst meinen mit der Bekämp­fung der Klima­krise, hätte man den Klima­streik eben­falls an dieses Austausch­treffen einladen müssen.

Happige Vorwürfe. Wir fragen noch einmal beim Finanz­de­par­te­ment nach:

Liebes EFD

Ist ein solcher Tisch zum Thema nach­hal­tige Finanzen nicht ein wenig „halb­rund“, wenn keine Stimmen aus der Nach­hal­tig­keits­szene mit am Tisch sassen?

Merci und freund­liche Grüsse

Die Antwort:

Liebes Lamm

Das sehen wir ganz anders. Der runde Tisch war der Vermö­gens­ver­wal­tung gewidmet und brachte die wich­tig­sten Entschei­dungs­träger an den Tisch. Das EFD hört sehr viele Stimmen aus der Nach­hal­tig­keits­szene und wir sind mit Sustainable Finance und Green Fintech auch Inter­na­tional weit vorne.

Beste Grüsse

Das Problem an dieser Darstel­lung liegt darin, dass auch bei den eigent­lich explizit gemeinten Playern im Bereich der Vermö­gens­ver­wal­tung jene Bank, die beim Thema nach­hal­tige Finanzen wohl auf die meisten Erfah­rungs­jahre zurück­blicken kann, nicht mit am Tisch sass: die Alter­na­tive Bank Schweiz, kurz ABS.

Die ABS setz seit über 30 Jahren auf sozial-ökolo­gi­sches Wirt­schaften. Deshalb habe man bei Inve­sti­tionen umfang­reiche Ausschluss­kri­te­rien und analy­siere streng, welche Unter­nehmen in das Anla­ge­uni­versum aufge­nommen werden, schreibt der Leiter Kommu­ni­ka­tion bei der ABS Rico Travella auf Anfrage. Trotzdem sei auch von der ABS niemand an den Diskus­si­ons­tisch mit Ueli Maurer einge­laden worden, bedauert Travella. Dies, obwohl Travella über­zeugt ist, dass man bei dem Treffen «durchaus wich­tige Inputs» hätte geben können.

Welche Personen es schluss­end­lich genau waren, die am 7. Juni 2022 mit Ueli Maurer an diesem nicht ganz Runden Tisch sassen, konnten wir leider nicht heraus­finden. Denn auf die Frage nach den Namen der gela­denen Gäst:innen, schreibt uns das Finanz­de­par­te­ment ledig­lich, dass man uns keine weiteren Auskünfte geben wolle. Diese Verschwie­gen­heit fördert das Vertrauen in einen trans­pa­renten Klima­dis­kurs sicher­lich nicht.


Jour­na­lismus kostet

Die Produk­tion dieses Arti­kels nahm 23 Stunden in Anspruch. Um alle Kosten zu decken, müssten wir mit diesem Artikel CHF 1456 einnehmen.

Als Leser*in von das Lamm konsu­mierst du unsere Texte, Bilder und Videos gratis. Und das wird auch immer so bleiben. Denn: mit Paywall keine Demo­kratie. Das bedeutet aber nicht, dass die Produk­tion unserer Inhalte gratis ist. Die trockene Rech­nung sieht so aus:

Löse direkt über den Twint-Button ein Soli-Abo für CHF 60 im Jahr!

Ähnliche Artikel