Das sind die zehn grössten Schlupf­lö­cher beim CO2-Gesetz

Wer tief gräbt, findet einige Schlupf­lö­cher, mithilfe derer sich Firmen vor Klima­ab­gaben drücken können. Hier die grössten Schlupf­lö­cher des aktu­ellen und des viel­leicht kommenden CO2-Gesetzes. 
Das CO2-Gesetz in acht Folgen. (Illustration: Luca Mondgenast)

Das CO2-Gesetz in acht Folgen: Dieser Artikel ist der sechste Teil einer Serie. Alle Artikel findest du hier.


Über zwei­hun­dert Stunden haben wir für diese Serie über das CO2-Gesetz nun Bestim­mungen, Artikel und Verord­nungen der Schweizer Klima­ge­setz­ge­bung durch­for­stet. Sowohl im aktu­ellen CO2-Gesetz wie auch im viel­leicht kommenden Gesetz, über das wir am 13. Juni abstimmen, lassen sich mehrere Schlupf­lö­cher finden. Einige würden sich schliessen, wenn wir das revi­dierte CO2-Gesetz annehmen. Andere nicht. Manche würden sogar noch grösser werden.

1. Carbon Leakage: Firmen, die ihre CO2-Emis­sionen ins Ausland verla­gern könnten, kriegen mehr Emissionsrechte

Gerade die Firmen mit den höch­sten CO2-Emis­sionen zahlen in der Schweiz keine CO2-Abgabe. Für sie gibt es eine Spezi­al­lö­sung: das Emis­si­ons­han­dels­sy­stem (EHS). In diesem System benö­tigen die Firmen für jede Tonne CO2, die sie ausstossen, Emis­si­ons­rechte. Diese können sie sich auf drei Arten beschaffen. Entweder sie erwerben die Rechte in einer Auktion vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) oder sie kaufen sie bei anderen EHS-Firmen. Zudem bekommen die EHS-Firmen vom BAFU jedes Jahr eine bestimmte Menge Emis­si­ons­rechte umsonst zuge­teilt. Je nachdem, wie gut oder schlecht die EHS-Firmen klima­mässig unter­wegs sind, reichen diese Gratis­zer­ti­fi­kate aus, um alle Emis­sionen abzu­decken, müssen die Firmen noch zusätz­liche Rechte erwerben oder können gar Rechte verkaufen.

Damit die CO2-Emis­sionen irgend­wann aber auch tatsäch­lich sinken, wird die Menge der kostenlos zuge­teilten Emis­si­ons­rechte über den im Anhang 9 der geltenden CO2-Verord­nung aufge­li­steten Anpas­sungs­faktor redu­ziert – und zwar jedes Jahr ein wenig mehr.

Doch diese Anpas­sungs­fak­toren gelten nicht für alle Firmen im EHS. Bei Firmen, bei denen die Gefahr besteht, dass sie ihre Produk­tion bei zu hohen CO2-Kosten ins Ausland verschieben könnten, wird keine Anpas­sung vorge­nommen. Damit will man verhin­dern, dass mit der Produk­tion auch die CO2-Emis­sionen ins Ausland verschoben werden. Um ein solches Carbon Leakage, also Kohlen­stoff­leck, zu verhin­dern, kriegen die Firmen die Gratis­zer­ti­fi­kate jedes Jahr im vollen Umfang zugeteilt.

Unter den Carbon-Leakage-gefähr­deten Firmen befindet sich zum Beispiel auch der Zement­riese Holcim. Laut einem Bericht des SRF ist die Zement­her­stel­lung für rund 9 % aller Schweizer Treib­haus­gas­emis­sionen verant­wort­lich. Drei der sechs Schweizer Zement­werke werden von Holcim betrieben. Aber auch viele andere Firmen profi­tieren auf diesem Weg von gross­zügig verteilten Emis­si­ons­rechten. Laut dem BAFU fallen aktuell 35 der 51 Schweizer EHS-Firmen in die Kate­gorie „Carbon-Leakage-gefährdet“.

So würde es weitergehen:

Für Firmen, bei denen die Gefahr besteht, dass sie ihre Produk­tion und damit ihre CO2-Emis­sionen ins Ausland verla­gern könnten, würde auch unter dem neuen CO2-Gesetz der Anpas­sungs­faktor 1 gelten. Diese Firmen würden weiterhin 100 % der Gratis­zer­ti­fi­kate erhalten. Ein Ja zum revi­dierten CO2-Gesetz würde hier nichts ändern.

2. CERs: Billige Ausland­zer­ti­fi­kate kaufen und die teuren vom BAFU horten

Die EHS-Teilnehmer:innen konnten sich bis vor Kurzem eine bestimmte Menge ihres CO2-Ausstosses mit soge­nannten CERs (Certi­fied Emis­sion Reduc­tions) erkaufen. Das sind Zerti­fi­kate für Reduk­ti­ons­mass­nahmen, die im Ausland erbracht wurden. Laut einem Bericht der Eidge­nös­si­schen Finanz­kon­trolle waren diese 2013 für einen Franken zu haben. Im EHS zahlte man damals für ein Emis­si­ons­zer­ti­fikat zwischen 20 und 40 Franken. Laut demselben Bericht haben sich fast alle EHS-Firmen einen Teil ihrer Emis­si­ons­rechte mit billigen CERs gesi­chert und die teuren Zerti­fi­kate vom BAFU auf die Seite gelegt (mehr dazu hier).

So würde es weitergehen:

Ab 2021 ist der Zukauf von CERs jedoch nicht mehr zuge­lassen. Unab­hängig davon, ob wir das neue Gesetz annehmen oder nicht. Denn diese Ände­rung hat nichts mit der Revi­sion des CO2-Gesetzes zu tun. Der Zukauf von CERs wurde verboten, um die Regeln im Schweizer EHS mit dem EHS in der EU in Einklang zu bringen.

3. Keine Löschung alter Emis­si­ons­rechte: Die EHS-Betriebe dürfen die Zerti­fi­kate immer in die nächste Runde mitnehmen

Die gross­zü­gigen Gratis­zu­tei­lungen und die Möglich­keit, sich mit billigen CERs einzu­decken, haben neben weiteren Faktoren dazu geführt, dass sich bei einigen EHS-Firmen Emis­si­ons­rechte ange­sam­melt haben. Das SRF-Wirt­schafts­ma­gazin Eco schätzt, dass der Zement­her­steller Holcim Emis­si­ons­zer­ti­fi­kate im Wert von 40 Millionen Franken gehortet hat.

Da sowohl das aktu­elle wie auch das neue CO2-Gesetz eine Verknap­pung der Emis­si­ons­zer­ti­fi­kate im EHS vorsehen, wird der Preis pro Tonne CO2 in Zukunft voraus­sicht­lich steigen. Davon profi­tiert der Konzern gleich doppelt: Erstens kann er, anstatt neue und teure Emis­si­ons­rechte kaufen zu müssen, auf seine gehor­teten Zerti­fi­kate zurück­greifen. Zwei­tens kann er Zerti­fi­kate, die er schluss­end­lich nicht braucht, gewinn­brin­gend verkaufen.

Da erstaunt es nicht, dass der Holcim-Chef im Inter­view mit der Sonn­tags­zei­tung Anfang 2020 höhere Preise für CO2-Emis­si­ons­rechte forderte. Denn auch seine Zerti­fi­kate würden damit stark aufgewertet.

Doch die Möglich­keit, günstige CERs zu kaufen, und die gross­zü­gigen Gratis­zu­tei­lungen an Carbon-Leakage-gefähr­dete Firmen allein hätten ohne eine andere Rege­lung kaum zu solchen Zerti­fi­kats­an­samm­lungen geführt. Nur dadurch, dass sich die EHS-Firmen bereits seit 2008 nicht verbrauchte Emis­si­ons­rechte in neue Handel­s­pe­ri­oden trans­fe­rieren lassen dürfen, konnten sie sich einen Vorrat an Emis­si­ons­rechten zulegen (mehr dazu hier).

So würde es weitergehen:

Und daran würde sich auch bei einer Annahme des revi­dierten CO2-Gesetzes nichts ändern. Denn im Art. 77 steht dort Folgendes: „Emis­si­ons­rechte, die in den Jahren 2013–2020 nicht verwendet wurden, können unbe­schränkt in den Zeit­raum 2021–2030 über­tragen werden.“

4. Rück­ver­tei­lung der CO2-Abgabe: Nichts zahlen und trotzdem etwas zurückkriegen

Über die CO2-Abgabe zahlen Firmen und Haus­halte für die Treib­haus­gase, die sie verur­sa­chen, wenn sie fossile Brenn­stoffe verbrau­chen. Privat­haus­halte machen dies vor allem beim Heizen. Bei den Firmen geht es um die Brenn­stoffe, die sie zur Herstel­lung ihrer Produkte benö­tigen. Fossile Treib­stoffe wie Benzin oder Diesel fallen hingegen nicht unter die CO2-Abgabe.

Unter dem aktu­ellen Gesetz beträgt die CO2-Abgabe 96 Franken pro Tonne CO2. Mit dem neuen CO2-Gesetz könnte der Betrag bis auf 210 Franken pro Tonne im Jahr 2030 erhöht werden. Die CO2-Abgabe ist aber keine Steuer, sondern eine Lenkungs­ab­gabe. Sprich: Das Geld bleibt nicht in den Bundes­kassen, sondern wird an Privat­haus­halte und Firmen zurück­ver­teilt. Die Idee dahinter: Wer wenig fossile Brenn­stoffe verbraucht, zahlt weniger, kriegt aber bei der Rück­ver­tei­lung gleich viel zurück wie alle anderen. Unter dem Strich profi­tieren also die, die klima­freund­lich gewohnt oder gewirt­schaftet haben.

Doch nicht alle Verursacher:innen werden im selben Mass zur Kasse gebeten. Gewisse Firmen können sich von der CO2-Abgabe befreien lassen, indem sie sich entweder in einer Ziel­ver­ein­ba­rung mit dem Bund zu CO2-Reduk­tionen verpflichten oder indem sie am Emis­si­ons­handel teilnehmen.

Unter dem aktu­ellen CO2-Gesetz erhalten auch diese abga­be­be­freiten Firmen bei der Rück­ver­tei­lung der CO2-Abgabe Geld zurück. Und dies, obwohl sie selbst nichts in diesen Umver­tei­lungs­topf einbe­zahlt und trotzdem CO2 verur­sacht haben.

So würde es weitergehen:

Das revi­dierte CO2-Gesetz würde diesen Miss­stand zumin­dest teil­weise beheben. Firmen, die durch eine Ziel­ver­ein­ba­rung von der CO2-Abgabe befreit wurden, würden bei einer Annahme des neuen CO2-Gesetzes aus der Rück­ver­tei­lung der CO2-Abgabe ausge­schlossen werden. Firmen, die sich jedoch durch eine Teil­nahme am Emis­si­ons­handel von der Abgabe befreien, bekämen weiterhin Geld aus einem Topf, in den sie selbst nichts einbe­zahlt haben.

5. Befreiung von der CO2-Abgabe: Teil­weise redu­zieren, aber für gar nichts mehr zahlen

Das Bera­tungs­büro Ecoplan, das 2016 das Instru­ment der Ziel­ver­ein­ba­rungen im Auftrag des zustän­digen Bundes­amtes für Energie (BFE) unter­sucht hat, kommt zu folgendem Schluss „Wir schätzen die Ziel­set­zungen im Durch­schnitt als wenig ambi­tio­niert ein.“ Den Firmen werden also für eine nicht ambi­tio­nierte Ziel­set­zung die vollen CO2-Abgaben erlassen.

Damit machen die Firmen einen guten Deal. Um dies aufzu­zeigen, lohnt sich der Vergleich mit einer geplanten CO2-Mass­nahme für Privat­per­sonen, und zwar mit der Flug­ticket­ab­gabe: Ein Erlass aller CO2-Abgaben als Gegen­lei­stung für eine nicht ambi­tio­nierte Reduk­tion wäre in etwa dasselbe, wie wenn Flug­rei­sende die Möglich­keit hätten, dem Bund zu verspre­chen, dass sie weniger fliegen würden, um dadurch für die verblei­benden Flüge keine Flug­ticket­ab­gabe mehr zahlen zu müssen. 

So würde es weitergehen:

Unter dem aktuell geltenden Gesetz können sich ledig­lich Firmen von der CO2-Abgabe befreien lassen, bei denen anson­sten damit gerechnet werden muss, dass sie ihre Produk­tion ins Ausland verla­gern. Unter dem revi­dierten Gesetz könnten sich neu alle Firmen durch eine solche Ziel­ver­ein­ba­rung von den CO2-Abgaben befreien lassen.

6. Beschei­ni­gungen bei Über­erfül­lung: Lasche Ziele zu Geld machen

Für Firmen, die sich mit einer Ziel­ver­ein­ba­rung von der CO2-Abgabe befreit haben, hält das aktu­elle CO2-Gesetz noch eine weitere Möglich­keit bereit, um einen sehr guten Deal zu machen.

Wenn sie mehr redu­zieren als in den Ziel­ver­ein­ba­rungen fest­ge­halten ist, kriegen sie die soge­nannte „Über­erfül­lung“ in Form von Reduk­ti­ons­be­schei­ni­gungen gutge­schrieben. Dadurch können sie die Diffe­renz zwischen dem laschen Ziel­wert und der tatsäch­lich erreichten Reduk­tion zu Geld machen. Denn diese Beschei­ni­gungen können sie an Firmen verkaufen, die CO2 kompen­sieren müssen.

Auf diesem Weg haben laut einem Bericht der Sonn­tags­zei­tung von Mitte 2019 mehrere Konzerne eine statt­liche Summe Geld gemacht. Bei der EMS-Chemie, die zur Blocher-Familie gehört, seien dank dieser Reduk­ti­ons­be­schei­ni­gungen sieben Millionen Franken auf dem Konto gelandet. Beim Holz­ver­ar­beiter Swiss Krono sogar 30 Millionen (mehr dazu hier).

So würde es weitergehen:

Hier würde ein Ja zum neuen CO2-Gesetz einiges verän­dern, denn unter der revi­dierten Vorlage wären die Auszah­lungen von solchen Ziel­über­tref­fungen nicht mehr möglich.

7. Ein neuer Gebraucht­wagen: Ein paar Monate stehen lassen und keine Sank­tionen mehr bezahlen

Impor­tiere Neuwagen dürfen laut dem CO2-Gesetz (Art. 10) nur begrenzt CO2 ausstossen. Dieser Grenz­wert liegt seit Anfang 2020 für Perso­nen­wagen bei 95 Gramm CO2/km, für leichte Nutz­fahr­zeuge bei 147 Gramm CO2/km (mehr dazu hier). Wer Autos impor­tiert, die mehr CO2 ausstossen, muss zahlen. Im aktu­ellen Gesetz genauso wie im viel­leicht kommenden.

Die Sank­tionen werden jedoch nur bei Neuwagen, nicht aber bei Gebraucht­wagen fällig. Momentan wird ein Neuwagen schon inner­halb von sechs Monaten zur Occa­sion. Laut aktu­eller CO2-Verord­nung (Art. 17) genügt es, wenn ein Auto ein halbes Jahr irgendwo im Ausland ange­meldet war, um nicht mehr als Neuwagen zu gelten. Auch wenn sich das Auto keinen Meter bewegt hat.

In einer SRF-Sendung im Dezember 2020 äussert das BFE den Verdacht, dass mit solchen Pseudo-Occa­sionen absicht­lich die CO2-Sank­tionen umgangen werden. Bei sechs der 79 beim Bund regi­strierten Grossimporteur:innen fehlen laut dem BFE nach wie vor die Schluss­ab­rech­nungen von 2019, weil momentan noch Verfahren darüber laufen, ob die betref­fenden Autoimporteur:innen mit solchen und ähnli­chen Trick­se­reien even­tuell doch zu weit gegangen sind.

So würde es weitergehen:

Auch unter dem neuen CO2-Gesetz würden die Sank­tionen nur auf Neuwagen fällig. Wann genau aber aus einem Neuwagen ein Gebraucht­wagen wird, regelt nicht das revi­dierte CO2-Gesetz, über welches wir bald abstimmen, sondern die revi­dierte CO2-Verord­nung, die dieses Gesetz dereinst konkre­ti­sieren würde. Und die ist noch in der Vernehm­las­sung. Sprich: Ihr Inhalt kann sich auch noch verändern.

Tritt die neue CO2-Verord­nung (Art. 20), so wie sie jetzt geplant ist, in Kraft, wird es ein wenig schwie­riger werden für die Autoimporteur:innen, sich mit diesem Trick vor den Sank­tionen zu drücken. Denn entweder müssten dann die Autos minde­stens zwölf Monate im Ausland ange­meldet gewesen sein oder nach sechs Monaten bereits 5 000 km auf dem Buckel haben, um als Occa­sion zu gelten. Diese Bestim­mungen können sich aber im Verlauf des Vernehm­las­sungs­ver­fah­rens auch noch ändern. Ein Ja zum revi­dierten CO2-Gesetz ist deshalb nur viel­leicht auch ein Ja zu diesen Verschärfungen.

8. Der Flot­ten­schnitt: Verwäs­se­rung des Grenz­wertes mit Super­cre­dits und Phasing-in

Der oben beschrie­bene Grenz­wert auf impor­tierte Neuwagen gilt nur bei den wenig­sten Importen auf das einzelne Auto. Bei 99 % der Importe ist nur der Schnitt über die gesamt­haft impor­tierte Flotte entschei­dend, die ein Auto­händler oder eine Auto­händ­lerin während eines Jahres in die Schweiz holt (mehr dazu hier).

Durch diese Berech­nung nach dem Flot­ten­kon­zept können Importeur:innen Dreck­schleu­dern mit klima­freund­li­cheren Autos kompen­sieren und so die CO2-Sank­tionen umgehen. Zudem gibt es immer dann, wenn der Grenz­wert verschärft wird, gewisse Erleich­te­rungen für die Autohändler:innen. Durch diese Erleich­te­rungen ist es nicht der normale Durch­schnitt über die ganze Flotte, der bei der Berech­nung der Sank­tionen ausschlag­ge­bend ist, sondern eine geschönte Version davon. Dank des soge­nannten Phasing-in dürfen die klima­schäd­lich­sten Autos aus der Rech­nung gestri­chen werden. Gleich­zeitig können durch soge­nannte Super­cre­dits beson­ders effi­zi­ente Fahr­zeuge mehr­fach gezählt werden.

So würde es weitergehen:

Auch hier befinden sich die Bestim­mungen nur zum Teil im CO2-Gesetz, über welches wir bald abstimmen werden. Im Art. 13 des revi­dierten CO2-Gesetzes steht ledig­lich, dass der Bundesrat Einstiegs­er­leich­te­rungen beim Über­gang zu neuen Ziel­werten fest­legen kann. Wie diese Einstiegs­er­leich­te­rungen dann genau aussehen, wird jedoch erst in der CO2-Verord­nung stehen. Sieht der Art. 35 der revi­dierten CO2-Verord­nung nach dem momentan laufenden Vernehm­las­sungs­ver­fahren noch gleich aus wie jetzt, dann laufen Super­cre­dits und Phasing-in 2022 aus. Wie die Entwick­lung nach 2022 aussehen wird, macht die Schweizer Gesetz­ge­bung von den Entwick­lungen in der EU abhängig. Ob Phasing-in und Super­cre­dits nach 2022 also ganz verschwinden werden, ist noch nicht klar.

Das Flot­ten­kon­zept ist hingegen auf Geset­zes­ebene veran­kert (Art. 15). Ein Ja zum revi­dierten CO2-Gesetz ist also sicher auch ein Ja zum Flot­ten­kon­zept. Aber nur even­tuell ein Ja zu Phasing-in und Supercredits.

9. In Peru und Ghana ist die Tonne CO2 billiger zu haben: Treib­stoff­kom­pen­sa­tionen zu einem Drittel des Preises

Treibstoffimporteur:innen müssen momentan 12 % der Emis­sionen, die die von ihnen einge­führten Liter Diesel und Benzin verur­sa­chen, kompen­sieren. Dafür müssen sie der Stif­tung Klima­schutz und CO2-Kompen­sa­tion (KliK) Kompen­sa­ti­ons­zer­ti­fi­kate abkaufen. Unter dem aktu­ellen CO2-Gesetz müssen diese Kompen­sa­tionen alle im Inland passieren (mehr dazu hier).

So würde es weitergehen:

Das würde sich bei einer Annahme des neuen CO2-Gesetzes ändern. Denn die Kompen­sa­tionen müssten laut Art. 30 des revi­dierten CO2-Gesetzes nicht mehr ausschliess­lich in der Schweiz statt­finden. 15 % (bis 2025) bzw. 20 % (ab 2025) der Treib­haus­gase müssten hier kompen­siert werden; der Anteil, der gesamt­haft kompen­siert werden muss, könnte gemäss revi­diertem CO2-Gesetz aber auf maximal 90 % ansteigen.

Wie und vor allem wann diese 90 % dereinst erreicht werden sollen, steht jedoch einmal mehr nicht im CO2-Gesetz, über welches wir bald abstimmen können, sondern wird erst durch die revi­dierte CO2-Verord­nung geregelt.

Tritt die neue CO2-Verord­nung so in Kraft, wie sie jetzt gerade ange­dacht ist, würde sich der Anteil der Klima­gase, der im Ausland kompen­siert werden darf, von 5 % im Jahr 2022 auf 55 % im Jahr 2030 erhöhen. Und diese Kompen­sa­tionen werden um einiges günstiger zu haben sein. Die Stif­tung KliK schätzt, dass die Kompen­sa­tionen im Ausland rund 30 Franken pro Tonne CO2 kosten werden. In der Schweiz zahlt die Mine­ral­öl­branche unter dem aktu­ellen CO2-Gesetz rund 84 Franken pro Tonne CO2.

Ein Ja zum neuen CO2-Gesetz heisst also nicht nur, dass die Mine­ral­öl­branche zukünftig einen grös­seren Anteil der verur­sachten Treib­haus­gase kompen­sieren müsste, sondern auch, dass die Kompen­sa­tionen für die Branche billiger zu haben sein werden. Wie viel die Treibstiffimporteur:innen über die näch­sten Jahre genau kompen­sieren müssen, wird sich erst in der revi­dierten CO2-Verord­nung zeigen. In der aktu­ellen Version werden die 90 %, die laut revi­diertem CO2-Gesetz möglich wären, nicht ausgeschöpft.

10. Das grösste Schlupf­loch: Für den Schweizer Finanz­platz gibt es keine Reduktionsmassnahmen

Für den Finanz­platz, der in der Schweiz wie keine andere Branche für schäd­liche Emis­sionen verant­wort­lich ist, besteht im CO2-Gesetz keine Reduk­ti­ons­pflicht. Durch die Finan­zie­rung von Projekten, die die Erschlies­sung und Förde­rung von klima­schäd­li­chen Ener­gie­trä­gern zum Ziel haben, ermög­li­chen die Banken jedoch hohe Klima­gas­emis­sionen. Auf diesem Weg verschulden laut einem Bericht von Green­peace aus 2020 nur schon die UBS und die Credit Suisse zusammen mehr CO2-Emis­sionen als die ganze Schweiz.

So würde es weitergehen:

Daran würde auch das revi­dierte CO2-Gesetz nicht viel ändern. Zwar würden die Schwei­ze­ri­sche Natio­nal­bank und die Finanz­markt­auf­sicht über Art. 243 dazu verpflichtet, die Klima­ri­siken der Inve­sti­tionen zu erfassen und darüber zu berichten. Aber verbind­liche Reduk­ti­ons­ziele, Abga­be­pflichten oder Mass­nahmen sucht man im revi­dierten CO2-Gesetz vergeblich.


Damit ihr die Über­sicht nicht verliert – Hier die Schweizer Klima­ge­setz­ge­bung auf einen Blick (oder viel­leicht auf zwei):

Klima­ge­setz­ge­bung in der Schweiz. (Illu­stra­tion: Luca Mond­genast)


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