Am 1. November 2021 trat der Klimaaktivist Guillermo Fernandez in den Hungerstreik. Eine seiner zentralen Forderungen war: Parlamentarier*innen müssen über die Klima- und Biodiversitätskrise aufgeklärt werden. Und zwar direkt durch diejenigen, die am besten wissen, was mit der Klimakrise und dem Verlust der Artenvielfalt auf uns zukommt – also durch die führenden Wissenschaftler*innen in diesem Bereich. Das sind zweifelsohne die Forscher*innen des IPCC (Weltklimarat) und des etwas weniger bekannten IPBES (Weltbiodiversitätsrat).
Anfang Dezember gab Nationalratspräsidentin Irène Kälin früher als geplant bekannt, dass ein solcher Infoanlass für das Parlament durch die Forscher*innen des IPPC bereits in Planung ist. Stattfinden soll er am 2. Mai 2022. Damit bot sie Fernandez die Hand, damit er seinen Hungerstreik nach 39 Tagen beenden konnte. Anders als von Fernandez gefordert, wird dieser Anlass für die Parlamentarier*innen aber nicht obligatorisch sein (das Lamm berichtete).
Welche Parteien werden gehen?
Deshalb stellt sich die Frage, wer voraussichtlich am 2. Mai mit dabei sein wird – und wer nicht. Um das herauszufinden, haben wir allen Fraktionschef*innen per Mail drei Fragen gestellt.
Die Antworten der Grünen-Fraktionsvorsteherin Aline Trede waren wenig überraschend:
- Werden Sie ihre Fraktionsmitglieder dazu ermutigen, am kommenden Info-Anlass vom 2. Mai anwesend zu sein?
„Das ist nicht nötig. Alle, die können, werden teilnehmen.“ - Rechnen Sie damit, dass viele Ihrer Fraktionsmitglieder an den Info-Anlass kommen werden?
„Ja, wenn sie es einrichten können, dann kommen sie.“ - Planen Sie selber an diesem Info-Anlass teilzunehmen?
„Ja.“
Die Antworten von SP-Fraktionsvorsteher Roger Nordmann fielen zwar kurz, dafür umso deutlicher aus:
- Werden Sie ihre Fraktionsmitglieder dazu ermutigen, am kommenden Info-Anlass vom 2. Mai anwesend zu sein?
„Ja.“ - Rechnen Sie damit, dass viele Ihrer Fraktionsmitglieder an den Info-Anlass kommen werden?
„Ja.“ - Planen Sie selber an diesem Info-Anlass teilzunehmen?
„Ja.“
Die grünliberale Fraktionschefin Tiana Mosser schickte uns Folgendes:
„Wir werden selbstverständlich die Fraktionsmitglieder darauf aufmerksam machen und ich gehe auch davon aus, dass unsere Fraktion gut vertreten sein wird. Persönlich habe ich den Tag eingeplant, habe dann aber parallel Kommissionssitzung.“
Philipp Bregy, Chef der Mittefraktion, beantwortete die drei Fragen so:
- Werden Sie ihre Fraktionsmitglieder dazu ermutigen, am kommenden Info-Anlass vom 2. Mai anwesend zu sein?
„Abgesehen von parteiinternen Anlässen geben wir keine Empfehlungen für Anlässe Dritter ab, dies gilt auch für den von Ihnen erwähnten Anlass.“ - Rechnen Sie damit, dass viele Ihrer Fraktionsmitglieder an den Info-Anlass kommen werden?
„Der Info-Anlass findet ausserhalb einer Session statt, so dass sicher weniger Fraktionsmitglieder teilnehmen werden als während der Session.“ - Planen Sie selber an diesem Info-Anlass teilzunehmen?
„Ich persönlich bin verhindert.“
SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi antwortete wie folgt:
- Werden Sie ihre Fraktionsmitglieder dazu ermutigen, am kommenden Info-Anlass vom 2. Mai anwesend zu sein?
„Jedes Fraktionsmitglied wird eigenverantwortlich entscheiden, ob es an diesem Anlass teilnehmen möchte oder nicht.“ - Rechnen Sie damit, dass viele Ihrer Fraktionsmitglieder an den Info-Anlass kommen werden?
„Das kann ich zum heutigen Zeitpunkt nicht beurteilen.“ - Planen Sie selber an diesem Info-Anlass teilzunehmen?
„Persönlich bin ich an diesem Datum terminlich verhindert und nicht in Bern.“
Und das schreibt uns Beat Walti, Fraktionschef der Liberalen, zurück:
- Werden Sie ihre Fraktionsmitglieder dazu ermutigen, am kommenden Info-Anlass vom 2. Mai anwesend zu sein?
„Bezüglich ‚externer‘ Veranstaltungen entscheiden die Fraktionsmitglieder selbst über Priorität und Teilnahme; ich werde dazu keine Empfehlung abgeben.“ - Rechnen Sie damit, dass viele Ihrer Fraktionsmitglieder an den Info-Anlass kommen werden?
„Das ist heute noch kaum absehbar und sehr abhängig vom Sessionsprogramm und von den Terminplanungen der Fraktionsmitglieder; das Thema interessiert sicher einige, aber Sessionstage sind in der Regel auch sehr befrachtet.“ - Planen Sie selber an diesem Info-Anlass teilzunehmen?
“(s. oben, zu 2.)“
Wirklich gründlich scheint Wälti seine Agenda jedoch noch nicht angeschaut zu haben. Der Anlass findet nämlich gar nicht in der Session statt. Denn: „Die Sessionstage sind intensiv und voll und da ist es wenig aussichtsreich möglichst viele Parlamentarier*innen zu einem zusätzlichen Dialogtag zu gewinnen“, schreibt uns Kälin auf Anfrage. Auch weil der Nationalratssaal während den Sessionen nicht verfügbar sei für Gäste, habe man für diesen Austausch zwischen Politik und Wissenschaft ein Datum ausserhalb der Session gewählt.
Wie erwartet nehmen es sich die Grünen und die SP fest vor, zahlreich zu erscheinen. Und auch einige Grünliberale werden sich das Datum in die Agenda geschrieben haben. Aber sind das wirklich die Personen, die Nachholunterricht in Sachen Klima- und Biodiversitätskrise brauchen? Wohl kaum.
So einen Anlass gab es noch nie
Laut Marcel Falk, Leiter Kommunikation bei der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT), ist dieser Anlass ein Novum. Die SCNAT wird den Klimadialog am 2. Mai vonseiten der Wissenschaft her mitorganisieren.
Es habe zwar auch schon in der Vergangenheit immer wieder Infoanlässe für die Parlamentarier*innen gegeben, so Falk weiter. Beispielsweise hätte die SCNAT in den vergangenen Jahren die Geschäftsprüfungskommissionen des Ständerates über biodiversitätsschädigende Subventionen informiert oder für die parlamentarischen Gruppen im Bereich der Landwirtschaft einen Anlass zu „Landwirtschaft im Klimawandel“ organisiert. Gerade im Bereich Klima sei die Akademie schon seit 25 Jahren immer wieder im direkten Austausch mit Parlamentarier*innen und Kommissionen.
„Aber dass die Nationalratspräsidentin alle Parlamentarier*innen im Bundeshaus zu einem Austausch einlädt, ist neu“, schreibt uns Falk. Auch neu sei, dass während des Infoanlasses am 2. Mai keine anderen Anlässe des Parlaments stattfinden würden. Damit könnte die Beteiligung grösser sein, hofft Falk.
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