Die 16-jährige Greta Thunberg hat die Bewegung ausgelöst, die mittlerweile auch die Schweiz erfasst hat. An der letzten Freitagsdemo waren schweizweit 22’000 Schüler*innen, Student*innen und Lernende auf den Strassen, um für mehr Schub in der Klimapolitik zu demonstrieren. Dafür haben sie die Schule geschwänzt. Aber nicht alle finden das Engagement der jungen Leute für das Klima gut. Die Kommentarspalten der grossen Medienhäuser sind voll mit Kritik. Wir haben versucht, diese zu ordnen. Hier kommen die fünf Kritikpunkte, welche die Gegner*innen der Klimastreiks am häufigsten äussern.
1) Die Moralkeule: Ihr seid doch auch nicht besser.
Mitunter am meisten liest man in den Kommentarspalten den Vorwurf, dass die Streikenden doch auch alle selbst zum Klimawandel beitragen würden und deshalb gar nicht in der Position seien, irgendwelche Kritik äussern zu dürfen. Die Idee hinter diesem Argument: Nur wer selbst eine weisse Weste hat, darf kritisieren. Die Konsequenz davon: Niemand hätte das Recht, dies zu tun. Diese Position vertritt zumindest dieser Watson-Leser:

Viele sind der Meinung, dass nur wer bezüglich Klimaschutz im eigenen Leben bereits auf dem richtigen Weg sei, für einen härteren Kurs in der Klimapolitik auf die Strasse gehen dürfe. In vielen Kommentaren wird den streikenden Jugendlichen ein solches Engagement jedoch pauschal abgesprochen.

Im Style der Watson-Leser*innen hört sich das dann so an:

Mehrere Leser*innen kritisieren gar die Anreise der Klimaaktivistin Greta Thunberg an das World Economic Forum (WEF) in Davos: Sie wäre doch von Schweden aus besser zu Fuss oder mit dem Fahrrad gereist, als den Zug zu nehmen.


2) Die Unterstellung des Eigennutzes: Ihr wollt doch alle nur blau machen.
Oftmals wird in den Kommentaren bemängelt, dass die Klimademos nicht an einem schulfreien Tag durchgeführt werden. Das seien doch nur Spassveranstaltungen und gesuchte Gründe, um der Schule fern bleiben zu können.

Zurück auf die Schulbank sollten diese Kinder, damit sie dann später etwas wirklich Wichtiges beisteuern können, meint dieser NZZ-Leser:

Und eine 20 Minuten-Leserin unterstellt Greta Thunberg gar, dass es ihr nur darum gehe, im Mittelpunkt zu stehen.

3) Der Überlegenheits-Konter: Ihr seid zu jung, um das zu verstehen.
Zu jung seien sie. Hätten noch nie gearbeitet und der Ernst des Lebens sei ihnen einfach noch nicht klar. In dieser Tonlage erklingt eine weitere, oft zu lesende Kritik an der streikenden Klimajugend. Hier nur ein Beispiel von vielen – gefunden auf der Facebookseite von 20 Minuten:

Und nachfolgend dasselbe in der Sprache eines Tagesanzeiger-Lesers:

Eine Kommentatorin bezeichnet die Klimastreiks gar herablassend als „Räbeliechtli-Umzug“:

4) Das Manipulationsargument: Ihr wurdet instrumentalisiert.
Die Überlegenheitskeule aus Punkt 3 lässt sich auch hervorragend mit dem Einwand kombinieren, dass die jungen Leute doch alle nur benutzt und indoktriniert worden seien.

Eltern und Lehrer*innen hätten die Jugendlichen zu diesen Protesten angestachelt, meint dieser NZZ-Leser:

Und der Klimaaktivistin Greta Thunberg wird gar unterstellt, dass sie lediglich von ihrem Vater für dessen eigene Interessen eingesetzt werde:

5) Der Vorwurf der fehlenden Forderung: Ihr habt ja auch keine Lösungsvorschläge.
Der letzte, oft anzutreffende Kritikpunkt steht diametral zu den zwei vorhergegangenen Punkten: Denn während die Klimajugend von den einen als naiv und instrumentalisiert abgetan wird, verlangen die anderen praxistaugliche Lösungsvorschläge. Hier zum Beispiel ein NZZ-Leser:

Ein Kommentator auf der Website der Aargauer Zeitung formuliert den Vorwurf wie folgt:

Natürlich soll jede*r seine/ihre Kritik anbringen können. Aber was haltet ihr von den Argumenten? Welche Punkte sind berechtigt? Welche nicht? Welche sind sinnvoll und welche werden vielleicht nur angebracht, weil man sein eigenes Tun – oder eben Nicht-Tun – schönreden will?
Etwas darf zum Abschluss dieses Artikels keinesfalls unerwähnt bleiben. Denn es gibt sie natürlich auch, die Leser*innen, welche die streikenden Jugendlichen unterstützen und in ihren Kommentaren nach einer Erklärung für all die negativen Statements zu suchen scheinen.

Damit trifft dieser Tagi-Leser den Nagel ziemlich zielsicher auf den Kopf. Die Überheblichkeit, mit welcher die Kritiker und Kritikerinnen auftreten, zeigt nur umso deutlicher, wie angebracht die Forderungen der neuen Klimajugend sind.
PS: Am Samstag, 2. Februar, findet die nächste grosse Klimademo statt. Dieses Mal nicht nur für die Jugend, sondern auch für alle, die die Jugendlichen unterstützen wollen.
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