Der Flughafen Zürich. Hier landen täglich Flugzeuge beladen mit Gold aus aller Welt. Bis zu dreimal die Woche bringen sie Gold aus Chile hierher. Die Fluglinie KLM befördert das wertvolle Gut über den Hafen in Amsterdam bis in die Schweiz. Mal sind es nur wenige Kilos, mal 6’000 Kilogramm Gold im Wert von über 33 Millionen Schweizer Franken. So belegen es Daten aus Zollschriften vom Jahr 2021, die per Öffentlichkeitsgesetz zugänglich gemacht wurden. Rund drei Viertel des weltweiten Goldhandels werden über die Schweiz abgewickelt.
Einmal angekommen, verschwindet die wertvolle Fracht wieder aus dem Auge der Öffentlichkeit. Weder Zollbehörden noch Unternehmen veröffentlichen Daten, die angeben, aus welchem Bergbaugebiet oder Firmen das Gold kommt und an wen es später geht.
Diese Geheimniskrämerei ist per Gesetz gebilligt; erst jüngst wurde sie vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt.
Hinter dieser Vorgehensweise stecken Geschäfte in Milliardenhöhe, deren Ausmasse erst bekannt werden, wenn man tiefer gräbt. Der Fall von Andacollo ist Teil davon. Er verdeutlicht, wie problematisch der Goldhandel an sich ist.
Lange Tradition
Das Schweizer Bankensystem und der Goldhandel hängen eng zusammen. Laut dem World Gold Council ist rund ein Drittel des weltweiten Bedarfs an Gold auf Nationalbanken zurückzuführen. Manchmal wird das Edelmetall als Wertgegenstand in Form von Münzen eingelagert. Weiter braucht die Schmuckindustrie fast die Hälfte des Goldbedarfs und nur mit einem kleinen Anteil werden technische Geräte produziert.
In vier Kapiteln widmet sich das Lamm dem Bergbau in Andacollo. Der Fall zeigt exemplarisch auf, wie legaler Goldabbau im globalen Süden funktioniert und was er für die lokale Bevölkerung bedeutet.
- 1. Teil: Das verfluchte Gold
- 2. Teil: Widerstand gegen den sauren Regen
- 3. Teil: Im Sumpf der Behörden
- 4. Teil: Ein Hafen aus Gold
Gold ist in erster Linie ein Prestigeobjekt. In der Schweiz wird das wertvolle Material veredelt und geschmolzen. Dies zeigen Zolldaten aus dem Jahr 2021: Von Goldimporten im Wert von knapp 85 Milliarden Schweizer Franken wurde fast das gesamte Gold in seiner Rohform exportiert. Nur ein Bruchteil davon wurde in der Schweiz eingelagert oder zu anderen Produkten wie Schmuck oder technischen Instrumenten weiterverarbeitet.
Chile ist für die Schweiz nur ein kleiner Player im Goldbusiness. Im Jahr 2021 wurde Gold im Wert von 767 Millionen Franken aus dem Andenstaat importiert. Und trotzdem ist die Beziehung wichtig. 95 Prozent aller chilenischen Goldexporte gehen nämlich in die Schweiz. Im Jahr 2021 war Gold – mit 145 Tonnen und den besagten 767 Millionen Dollar – das wichtigste Handelsprodukt zwischen beiden Ländern. Seit 2012 hat sich die Wertsumme verdoppelt. Damals waren es 312 Millionen Dollar.
In der Schweiz wird das Gold nicht nur gehandelt, sondern es wird auch sein Abbau finanziert. Der Handelsplatz Schweiz hat daher die Verantwortung, den Handel zu kontrollieren und einen nachhaltigen und menschenrechtswürdigen Abbau zu etablieren.
Im Handel mit dem Gold aus Andacollo zeigt sich die Rolle der Schweiz. Die Goldmine in Andacollo gehört dem Unternehmen Teck. Es ging 2015 einen Kaufvertrag mit der RGLD Gold AG mit Sitz in Luzern ein, die der US-Amerikanischen Goldhändlerin Royal Gold Inc. gehört. Damals kaufte die Luzerner Firma die gesamte zukünftige Goldproduktion der Teck für 525 Millionen Dollar auf. Für das gelieferte Gold bezahlt die RGLD Gold AG zusätzlich 15 Prozent des aktuellen Marktwertes.
Mit diesen Millionensummen konnte Teck wiederum den Ausbau der eigenen Mine in Andacollo finanzieren. Obwohl die lokale Gesetzgebung aufgrund der hohen Feinstaubwerte einen Ausbau eigentlich verbietet, lassen die chilenischen Behörden Teck gewähren.
Mehr noch: Mehrere Beamt*innen aus der für die Kontrolle der Mine zuständigen Behörde wechselten nach wenigen Jahren ihren Job. Sie begannen, für das Minenunternehmen Teck zu arbeiten. Wie soll die Behörde so ihre Kontrollfunktion wahrnehmen?
Ironischerweise wird die Mine in Andacollo sogar als Musterbeispiel für umweltfreundliche Goldproduktion geführt.
Schmutziges Gold
Seit Jahrzehnten ist der Goldhandel in der Schweiz skandalbehaftet. In den 1980er-Jahren importierten Schweizer Raffinerien trotz internationaler Ächtung und UN-Sanktionen Gold aus Südafrika. Damals kam gut die Hälfte aller Schweizer Goldimporte aus dem Apartheidregime. Problemlos konnte das Gold später an andere Länder weiterverkauft werden und diente somit der Finanzierung des südafrikanischen Regimes.
Diese Praxis wurde von der offiziellen Politik gedeckt. Im Jahr 1982 hörte der Bund auf Druck der Schweizer Banken auf, landesspezifische Export- und Importstatistiken zum Thema Gold zu veröffentlichen. Danach wusste niemand mehr, woher das Gold kam, das in der Schweiz verkauft wurde. Christoph Wiedmer, ein Experte von der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), sagt: „Damit machte sich die Schweiz zur Goldwäscherin.“
Bis heute jagt ein Skandal den nächsten: Im Jahr 2019 veröffentlichte die GfbV Daten, denen zufolge das Unternehmen Metalor Gold aus einer peruanischen Mine mit extremen Menschenrechtsverletzungen bezogen hat. Und erst im Juni 2022 wurde bekannt, dass die Schweiz trotz internationaler Sanktionen nach wie vor Gold aus Russland importiert. Wer für diesen jüngsten Skandal verantwortlich ist, ist bislang unbekannt. Zwar veröffentlicht der Bund wieder länderspezifische Importstatistiken, aber er gibt keine Unternehmensdaten bekannt.
Dagegen kämpft die GfbV seit Jahren an – sogar vor Gericht. Erst im März 2022 lehnte das Bundesverwaltungsgericht einen Antrag auf Offenlegung der Goldlieferanten und ‑raffinerien bei der Importstatistik des Aussenhandels ab. Die Raffinerien hatten gegen den Entscheid der Zollverwaltung, der GfbV die Daten im Sinne des Öffentlichkeitsprinzips offenzulegen, rekurriert. Ihren Rekurs begründeten sie damit, dass die Daten das Steuergeheimnis beträfen und die Geschäftsbeziehungen geheim bleiben müssten.
Die GfbV rekurriert wiederum gegen diesen Einspruch vor dem Bundesgericht. Wiedmer ist sich sicher: „Das Geschäfts- und Steuergeheimnis darf keine menschenrechtswidrige Praxis decken.“
Gerade wegen dieser dunklen Geschichte ist die Goldindustrie zunehmend um das eigene Image bemüht. Im Jahr 2021 berichtete die Tamedia-Mediengruppe über eine Zusammenarbeit zwischen einem Start-up-Unternehmen aus dem Umfeld der ETH und der Tessiner Raffinerie Argor-Heraeus. Das Start-up entwickelte eine Technologie, die es ermöglichte, eine künstliche DNA auf Gold zu sprühen. Dadurch konnte der Weg des Edelmetalls bis zur südamerikanischen Mine nachverfolgt werden.
Die genaue Nachverfolgung ist aber nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Aus welchem Land oder aus welcher Mine das Gold genau kommt, wurde im Artikel nicht publik.
Auch Teck selber schreibt auf ihrer Homepage, sie würden an einer Blockchain basierten Technologie arbeiten, um eine Nachverfolgung zu ermöglichen. Seit mehreren Jahren schmückt sich das Bergbauunternehmen mit international gültigen Zertifikaten, die eine umweltfreundliche und menschenrechtskonforme Produktion bestätigen sollen. Die RGLD Gold AG in Luzern wirbt auf der eigenen Hompage mit dem „nachhaltigen Bergbau“ der Teck in Andacollo.
Da das Wasser in Andacollo knapp ist, soll es durch Entsalzungsanlagen aus dem Meer gewonnen werden. Auch die lokale Bevölkerung soll vom Abbau der Mineralien profitieren. Ab 2025 soll um das Bergbaugebiet sogar ein positiver impact auf die Natur erreicht werden. Teck ziele darauf ab, Biodiversität nicht nur zu erhalten, sondern zu fördern, so heisst es.
Doch die Lage vor Ort sieht anders aus: Immer wieder fällt das Unternehmen durch krasse Verletzungen von Umweltstandards und Menschenrechtsverletzungen auf. Zum Beispiel sind die Feinstaubwerte konsequent zu hoch. Kritiker*innen werden von der Konzernleitung zum Schweigen gebracht. Wie diese unterschiedliche Darstellung der Realität möglich ist, wollte Teck dem Lamm trotz Anfrage nicht beantworten.
Auch bei der RGLD Gold AG hört es schon bald mit der Transparenz auf. Nirgends wird publik, was mit dem Gold in der Schweiz passiert. Der Sitz des Handelskonzerns an der Alpenstrasse 6 in Luzern umfasst ein Stockwerk und ein paar Büroräume. Während sich die Firma selbst nur dem Handel widmet, übernehmen andere die Weiterverarbeitung und Einlagerung.
Für den Experten Wiedmer ist derweil klar: Nur Transparenz bei den Unternehmen und den Handelsbeziehungen könnte die Situation verbessern. „Wenn wir immer wieder lesen, dass das eine oder andere Unternehmen ihre Zulieferer dazu anhält, mehr auf Menschenrechtsstandards zu achten, dann ist das schön und gut. Doch solange das nicht überprüfbar ist, können wir dem keinen Glauben schenken.“
Eigentlich, so Wiedmer, wäre die Goldindustrie gar nicht notwendig. Einzig der Ruf des glitzernden Metalls und die Gier nach schnellem Geld führe zu dessen Abbau und das werde auch weiterhin so sein. Damit sich aber die Abbaubedingungen verbessern, wäre neben mehr Transparenz ein griffiges Lieferketten- und Konzernverantwortungsgesetz notwendig. Nur diese Rahmenbedingungen würden die Unternehmen dazu anhalten, ihre eigene Geschäftspraxis zu überdenken und ihre Geschäftspartner*innen nach menschenrechtskonformem, sozialem und umweltgerechtem Verhalten auszuwählen.
Diese Reportage wurde mit Unterstützung von JournaFONDS recherchiert und umgesetzt.
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