#Clima­venir global? Die Extinc­tion Rebel­lion und ein bedrohter Natio­nal­park im Osten Kongos

Mit der geplanten Ölför­de­rung im Virunga-Natio­nal­park wächst in der Demo­kra­ti­schen Repu­blik Kongo der Protest gegen die Klimaun­ge­rech­tig­keit – neuer­dings mit einer lokalen Gruppe der Extinc­tion Rebel­lion. Aktivist:innen vor Ort berichten über die Konflikte um den Umwelt­schutz sowie die Heraus­for­de­rungen, welche die Verbrei­tung dieser Bewe­gung von Nord nach Süd mit sich bringt. 
Die XR Université de Goma macht in den Strassen Gomas auf die Zerstörung des Virunga Nationalparks aufmerksam. (Foto: Guerchom Ndebo)

In einer geschäf­tigen Strasse der ostkon­go­le­si­schen Stadt Goma versam­melt sich die kleine Gruppe von jungen Leuten mit grün bemalten Gesich­tern. „Non à la Destruc­tion de l’Environment“ oder „Petrol non merci“ steht auf den selbst­be­schrif­teten Trans­pa­renten, welche mit dem Zeichen der Extinc­tion Rebel­lion und dem Hashtag Clima­venir gekenn­zeichnet sind. Über einen Laut­spre­cher werden Passant:innen über die Pläne zur Ölför­de­rung im Virunga-Natio­nal­park infor­miert und zum Umwelt­schutz aufgerufen.

Manche stoppen mit ihren Motorrad-Taxis und Chukudus, den typi­schen Holz­fahr­zeugen für den Waren­trans­port, während andere weiter ihren Geschäften nach­gehen. Der Kreis der Umste­henden vergrös­sert sich, als der Perfor­mance-Künstler Frank Kiss mit seiner Verklei­dung aus Bana­nen­blät­tern und Sträu­chern erst die Schön­heit der Wälder, dann deren Zerstö­rung inkarniert.

Die Demo­kra­ti­sche Repu­blik Kongo (DR Kongo) gehört zu den Ländern, die am wenig­sten zur Erder­wär­mung beitragen – aber am meisten darunter leiden werden.

Eine Studie von Oxfam und dem Stock­holm Envi­ron­ment Insti­tute rechnet vor, dass das reichste Prozent der Erdbe­völ­ke­rung für mehr als das Doppelte an CO2-Emis­sionen verant­wort­lich sind als die ärmsten 50 Prozent. Die DR Kongo gehört zu Letz­teren: Laut einem Länder­ran­king zu CO2-Emis­sionen durch fossile Brenn­stoffe pro Kopf belegt das Land den letzten Platz.

Beim Blick auf die nega­tiven Konse­quenzen durch die Klima­er­wär­mung ist die DR Kongo hingegen ganz vorne mit dabei: Stei­gende Tempe­ra­turen sowie unre­gel­mäs­sige Regen­fälle und die daraus resul­tie­renden Ernte­ver­luste oder infra­struk­tu­rellen Schäden gefährden vor allem den Osten des Landes.

In der DR Kongo wächst deswegen der Wider­stand. Die Gruppe XR Univer­sité de Goma, eine neue Sektion der Bewe­gung Extinc­tion Rebel­lion (XR), führt diesen Kampf insbe­son­dere mit Blick auf die Ölför­de­rung im Virunga-Nationalpark.

Bedroht durch zwei­fel­hafte Wachstumsversprechen

Der im Osten der DR Kongo gele­gene Virunga-Natio­nal­park gilt als eine der arten­reich­sten Welt­ge­genden und gehört als Teil des Äqua­to­ri­al­waldes zum zweit­grössten Atmungs­organ der Erde. Dass dort Öl geför­dert werden soll, ist nichts Neues.

Schon 2010 teilte die kongo­le­si­sche Regie­rung 85 Prozent des Natio­nal­parks in Ölblöcke auf und hat im letzten Jahr­zehnt immer wieder Explo­ra­ti­ons­li­zenzen an inter­na­tio­nale Firmen vergeben. Es scheint die ideale Möglich­keit für die finanz­schwache Regie­rung, auslän­di­sche Inve­sti­tionen anzu­ziehen und regel­mäs­sige Einkommen für ihr Staats­budget zu gene­rieren. Kohlen­was­ser­stoffe alleine könnten die kongo­le­si­sche Wirt­schaft revo­lu­tio­nieren, argu­men­tierte der Mini­ster für Kohlen­was­ser­stoffe Rubens Mikindo Muhima an einer Pres­se­kon­fe­renz im Oktober letzten Jahres, welche die Aufnahme von geolo­gi­schen Studien in verschie­denen Natio­nal­parks des Landes markierte.

Die noch unan­ge­ta­steten Ölre­serven im Natio­nal­park Virunga könnten die DR Kongo von einem margi­nalen Ölpro­du­zenten auf den zweiten Platz der ölför­dernden Staaten in Subsa­hara-Afrika kata­pul­tieren – direkt hinter Nigeria. Dass dieses Szenario für die kongo­le­si­sche Bevöl­ke­rung jedoch keinen Vorteil bedeutet, weiss auch der 21-jährige Akti­vist Pascal Mirindi, der sich vor Kurzem der XR in Goma ange­schlossen hat: „Das Öl wird uns, der Bevöl­ke­rung, über­haupt nichts helfen. Wir wollen nicht, dass multi­na­tio­nale Konzerne diesen Rohstoff nach dem glei­chen System ausbeuten wie die bishe­rigen“, erzählt Mirindi über Zoom am Abend der Sensibilisierungs­aktion auf der Strasse.

Denn obwohl das Land einer der welt­weit größten Exporteur:innen von Rohstoffen ist, lebten 2018 nach wie vor 72 Prozent der Bevöl­ke­rung unter­halb der Armuts­grenze. Anstatt in Armuts­be­kämp­fung werden die Profite der Ölför­de­rung in eine Staats­kasse mit Löchern und zu den Haupt­sitzen der auslän­di­schen Ölfirmen und deren Kreditgeber:innen fliessen. Und dabei den Planeten zerstören.

Gomas regel­kon­forme Umweltrebell:innen

Die Extinc­tion Rebel­lion ist eine globale Umwelt­be­we­gung, welche von Regie­rungen fordert, über das wahre Ausmass der Klima­ka­ta­strophe zu infor­mieren und geeig­nete Mass­nahmen zu ergreifen. Inter­na­tio­nale Aufmerk­sam­keit erlangte die Bewe­gung, als sie 2019 in London etliche öffent­liche Plätze und Strassen besetzte und damit den Verkehr zum Erliegen brachte. Solche Aktionen des zivilen Massen­un­ge­hor­sams sind das Marken­zei­chen der XR.

Seither ist die Bewe­gung rasant gewachsen und vernetzt sich mit Aktivist:innen des globalen Südens in ihrem Wider­stand gegen die Umwelt­zer­stö­rung. Mirindi und seine Mitstreiter:innen in Goma sind vor mehr als einem halben Jahr in Kontakt getreten, ihre Sektion zählt seither ein Dutzend Leute.

Die gewalt­freien Aktionen des zivilen Unge­hor­sams – des bewussten Vorstosses gegen Gesetze oder Pflichten – scheint den kongo­le­si­schen Aktivist:innen jedoch nicht die am besten geeig­nete Stra­tegie. „Ich gehöre zu den Leuten, die sich dafür einsetzen, dass keine unserer Aktionen gegen geltendes Recht verstösst“, sagt Mirindi. Die Regie­rung versuche, mit den umstrit­tenen Verträgen mit trans­na­tio­nalen Konzernen möglichst im Dunkeln zu agieren; es seien die Behörden und Machtträger:innen, welche sich am häufig­sten nicht an die Gesetze halten. „Das muss sich ändern. Ich kann nicht selbst verletzen, wofür ich kämpfe“, argu­men­tiert Mirindi.

Die breite Bevöl­ke­rung gegen die Ölför­de­rung im Natio­nal­park zu mobi­li­sieren ist nur ein Ziel der XR Goma. Sie wollen ihre Lands­leute auch von klima­freund­li­chem Verhalten über­zeugen. Am 5. Dezember 2020, dem Inter­na­tio­nalen Tag des Baumes, orga­ni­sierten sie am Uwezo Insti­tute in Goma einen Work­shop zu verschie­denen Aspekten der Klima­er­wär­mung, gefolgt von einer Baumpflanzaktion.

Vor allem die Perfor­mance des Künst­lers Frank Kiss lenkt die Aufmerk­sam­keit der Passant:innen auf die Stras­sen­ak­tion der XR Goma. (Foto: Guer­chom Ndebo)

„Wir selbst haben unsere Aktionen reflek­tiert und ausge­führt. Als Teil der Bevöl­ke­rung können wir am ehesten abschätzen, was hier am sinn­voll­sten ist“, meint Mirindi. Die hori­zon­tale Orga­ni­sa­ti­ons­struktur der Bewe­gung erlaubt es, die Aktionen an den Kontext anzu­passen. So orga­ni­sierte die XR Goma drei Wochen nach ihrer Aktion „Petrol, non merci!“ eine Sensi­bi­li­sie­rungs­ak­tion zu Covid-19, in der sie Masken auf Märkten und in Klein­läden verteilten und Aufkleber mit den Mass­nahmen an Pfosten ange­bracht wurden.

Laut Mirindi stösst die Tatsache, dass ihre Bewe­gung im Ausland entstanden ist, auch auf Miss­trauen. Die Gründer:innen von XR kämen doch aus denselben Ländern wie die Konzerne, welche das Öl ausbeuten wollen, wurde er von einer Frau während der Sensi­bi­li­sie­rungs­ak­tion konfron­tiert. Mit den vertrauten Mitteln der Covid-Sensi­bi­li­sie­rung, mit denen die Bevöl­ke­rung dieser Tage oft in Berüh­rung kommt, könnten Personen wie sie viel eher für den Kampf gegen die Klima­er­wär­mung gewonnen werden.

Öl, Tourismus oder Überleben

Weder Gruppen, die sich gegen die Förde­rung des Öls im Natio­nal­park stellen noch lokale Initia­tiven für Umwelt­schutz sind neu im Osten der DR Kongo. Imma­culée Perou, Präsi­dentin der Société Civile Envi­ron­men­tale du Nord-Kivu schreibt aus Goma: „In unserer Arbeit stellt die Ölför­de­rung im Virunga-Natio­nal­park einen extremen Notfall dar.“

Als Reak­tion auf lokalen und inter­na­tio­nalen Druck sicherte der fran­zö­si­sche Konzern Total 2013 der Umwelt­or­ga­ni­sa­tion WWF in einem offenen Brief zwar zu, von jegli­chen Akti­vi­täten inner­halb des Virunga-Natio­nal­parks abzu­sehen. Das Unter­nehmen Soco Inter­na­tional mit Sitz in London stellte 2014 ihre Ölge­schäfte in der DR Kongo ein, nachdem ein Bericht von Global Witness aufge­deckt hatte, wie das Unter­nehmen in die Bestechung von Behörden und bewaff­neten Gruppen invol­viert war. Aber trotz dieser Errun­gen­schaften ist die kongo­le­si­sche Regie­rung nach wie vor im Begriff, 21.5 Prozent der Gesamt­fläche des Schutz­ge­bietes für die Ölför­de­rung zu deklassifizieren.

„Die Erdöl­för­de­rung könnte das fragile Ökosy­stem durch die Verschmut­zung des Bodens und des Wassers desta­bi­li­sieren und damit nicht nur die Arten­viel­falt, sondern auch den Lebens­un­ter­halt der Menschen um den Park gefährden, die gröss­ten­teils von der Fischerei und der Land­wirt­schaft leben“, schreibt Perou. Zudem bestehe die Gefahr einer Enteig­nung von Land, welches derzeit für Ackerbau und Vieh­zucht reser­viert ist.

Der Park ist jedoch nicht nur durch die poten­ti­elle Ölför­de­rung, sondern auch durch die bereits statt­fin­dende ille­gale Abhol­zung und Wilderei bedroht. Mit einer der nied­rig­sten Elek­tri­fi­zie­rungs­raten der Welt ist Holz­kohle die wich­tigste Ener­gie­quelle für die Bevöl­ke­rung Nord-Kivus; der Handel damit die lukra­tivste Einnah­me­quelle der bewaff­neten Gruppe FDLR (Forces Démo­cra­ti­ques de la Libe­ra­tion du Rwanda), welche in den Wäldern des Virunga operiert.

Diese Situa­tion bringt die Bevöl­ke­rung rund um den Park in vielerlei Hinsicht in eine prekäre Lage, wie neue Studi­en­ergeb­nisse von kongo­le­si­schen und belgi­schen Forscher:innen in einem Comic greifbar darstellen. Wenn sie die FDLR bezahlen, um mit dem Kohle­handel ein kleines Einkommen zu gene­rieren, werden sie der Koope­ra­tion mit bewaff­neten Gruppen beschul­digt und mit Gefäng­nis­strafen sank­tio­niert. Wenn sie geschützte Tiere töten, weil diese ihre Ernte beschä­digen, werden sie als Wilderer kriminalisiert.

Laut einer Recherche der taz-Korre­spon­dentin Simone Schlind­wein fliesst ein Gross­teil der Umwelt­schutz­gelder des WWF, welcher den Park zusammen mit dem staat­li­chen kongo­le­si­schen Natur­schutz­in­stitut ICCN verwaltet, in die Mili­ta­ri­sie­rung des Umwelt­schutzes – in teure Über­wa­chungs­mass­nahmen, Nacht­sicht­ge­räte und die Bewaff­nung von Park­ran­gern. Die mili­ta­ri­sierte Ausbil­dung der Parkwächter:innen dient dem Schutz der bedrohten Berg­go­rillas und Wald­ele­fanten, demje­nigen der Tourist:innen sowie ihrem eigenem. Die Wächter:innen bleiben jedoch Ziel tödli­cher Attacken, während die Bewohner:innen zuneh­mend ihre bewaff­nete Präsenz fürchten.

Seit der Grün­dung des Natio­nal­parks hat die lokale Bevöl­ke­rung wenig bis gar nicht vom Tourismus profi­tiert. Dies verspricht das Unter­nehmen Virunga, welches den Park unter dem ICCN verwaltet, zu ändern: mit einem Strom­pro­jekt, dass der ille­galen Abhol­zung entge­gen­wirken und gleich­zeitig die Infra­struktur verbes­sern soll, und mit der Schaf­fung von Arbeits­plätzen. Eine sehr brüchige Hoff­nung, solange die Dorfbewohner:innen im Dunkeln sitzen und auf die modernen Einrich­tungen der Park­ver­wal­tung blicken, wie Judith Raupp für die Süddeut­sche schreibt.

Nyami­lima: Gewalt­freie Inter­ven­tion der XR

In Nyami­lima, einer Ortschaft an der Grenze zum südli­chen Teil des Virunga-Natio­nal­parks, brodelt seit einiger Zeit ein Konflikt zwischen den Park­be­hörden und der Anrainer-Bevöl­ke­rung, weil Letz­tere in Teilen inner­halb des Parks Land­wirt­schaft betreibt. Trotz unklarer Grenz­zie­hung begannen die Park­be­hörden 2019 mit dem Bau eines elek­tri­schen Zauns, welcher den Zugang der Bevöl­ke­rung zu ihren Feldern im Park verunmöglicht.

Der Zaun soll gleich­zeitig die Ernten sowie die Menschen ausser­halb des Parks vor Tieren schützen. Im Juli 2020 wurde in Nyami­lima ein Fami­li­en­vater von einem Elefanten getötet, im Januar 2021 erneut ein Eltern­paar. Obwohl sich die Bevöl­ke­rung immer wieder dafür einsetzt, versäumt es die Park­ver­wal­tung laut Aktivist:innen nicht nur Ernte­ver­luste zu kompen­sieren, sondern auch die Fami­lien bei Todes­fällen zu entschädigen.

Diese Situa­tion birgt grosses Gewalt­po­ten­tial. In Nyami­lima hatte eine Anzahl Jugend­li­cher zu Waffen gegriffen, weil sie sich durch die nahe gele­genen Nieder­las­sungen der FDLR bedroht fühlten und sich gleich­zeitig der Konflikt mit den mili­ta­ri­sierten Park­be­hörden zuspitzte.

„Es muss ein parti­zi­pa­tives Manage­ment zwischen dem Park­ma­nage­ment und den lokalen Gemeinden geben“, argu­men­tiert Emma­nuel Ndim­wiza, der sich schon seit acht Jahren für den Umwelt­schutz enga­giert und sich kürz­lich der XR Goma ange­schlossen hat. Dies beinhalte die parti­zi­pa­tive Grenz­zie­hung, damit sich die Bevöl­ke­rung an diese hält. Die Grenzen könnten aber nur respek­tiert werden, wenn sowohl für Abhol­zung, Jagd- und Land­wirt­schafts­ver­bote geeig­nete Alter­na­tiven geschaffen würden: soziale Inve­sti­tionen in Infra­struktur, Bildungs­in­sti­tu­tionen und einkommens­generierende Aktivitäten.

Um diese Entwick­lung zu unter­stützen, möchte die XR Univer­sité de Goma in sieben Ortschaften um den Park, darunter auch in Nyami­lima, lokale Gruppen der Extinc­tion Rebel­lion gründen. In diesen Gruppen wollen sie die Park­be­hörden zu einem parti­zi­pa­tiven Manage­ment und sozialen Inve­sti­tionen auffor­dern sowie die lokalen Gemeinden zugun­sten ökolo­gi­scher Werte gegen die Ölför­de­rung sensibilisieren.

Dabei können sie sich auf wich­tige Vorar­beit anderer lokaler Initia­tiven stützen. Nebst Dialogen zivil­ge­sell­schaft­li­cher Orga­ni­sa­tionen mit den Park­be­hörden unter Imma­culée Perou hat sich vor allem die Bürger­rechts­be­we­gung LUCHA intensiv mit der Situa­tion in Nyami­lima und anderen angren­zenden Dörfern beschäf­tigt. Mit dem Aufbau einer neuen Sektion ihrer Bewe­gung hat es LUCHA geschafft, eine grosse Anzahl von Jugend­li­chen in Nyami­lima vom bewaff­neten Kampf abzubringen.

Das Credo der Gewalt­frei­heit, welchem sich auch die Extinc­tion Rebel­lion ausdrück­lich verpflichtet hat, ist für die Bevöl­ke­rung also nichts Neues. Der Begriff „Rebell:in“ hingegen ist proble­ma­tisch. „Dieses Wort hat klar eine nega­tive Konno­ta­tion in der Vorstel­lung der lokalen Gemein­schaft“, bestä­tigt Ndim­wiza und fügt an: „Es gibt noch immer Menschen hier, die Traumen von vergan­genen Rebel­lionen haben.“ Ndim­wiza plädiert dafür, den Namen entspre­chend der Geschichten der Länder ändern zu können: „Sonst riskieren wir, dass uns die lokalen Gemeinden missverstehen.“

Weil die Forde­rungen der Bevöl­ke­rung zum Schutz ihrer Lebens­grund­lagen seitens der kongo­le­si­schen Behörden bis anhin kaum Unter­stüt­zung fanden, ist die Gefahr, dass die Dorf­ju­gend wieder zu Waffen greift, akut. Ohne Dialog und sozio­öko­no­mi­sche Alter­na­tiven wird die Bevöl­ke­rung weiterhin Bäume fällen und Tiere töten und eine Befeue­rung des Kreis­laufes der Gewalt riskieren.

Laut dem WWFstammt mehr als die Hälfte der Holz­kohle, die in Goma verbraucht wird, illegal aus dem Virunga-Natio­nal­park. (Foto: Guer­chom Ndebo)

Doch dies ist nicht die einzige Gefahr. „Wenn die Park­ver­wal­tung nicht endlich Stra­te­gien für die Einbin­dung der Gemeinden beim Natur­schutz reali­siert, wird es so weit kommen, dass die Bevöl­ke­rung die Ölför­de­rung befür­wortet“, schliesst Ndim­wiza. Die Ölmil­li­arden bedeuten für manche zumin­dest einen kleinen Hoff­nungs­schimmer gegen die Bedro­hung der im Park ansäs­sigen bewaff­neten Gruppen und gegen die Benach­tei­li­gung durch den Tourismus.

Die Vertreter:innen der XR hingegen glauben an einen gerechten und nach­hal­tigen Wohl­stand durch Ökotou­rismus und kommu­nalen Naturschutz.

Konkrete Hoff­nungen für mehr Klimagerechtigkeit

Um ihre Ziele zu errei­chen, sind die Mitglieder der XR Goma auf finan­zi­elle Mittel ange­wiesen. Trans­port, Kommu­ni­ka­tion, Verpfle­gung und Räum­lich­keiten für den Aufbau lokaler Gruppen in den minde­stens eine Tages­reise von Goma entfernten Dörfern müssen bezahlt werden. In einer Sammel­ak­tion sind bis anhin 420 Euro zusammengekommen.

Emma­nuel Ndim­wiza, der vor seinem Beitritt zur XR die Orga­ni­sa­tion Droits et Envi­ron­ment ASBL gegründet hatte, stört sich daran, dass ein Gross­teil der Umwelt­be­mü­hungen im globalen Süden auf Beleh­rung abzielt, obwohl ihnen ledig­lich die Mittel für konkrete Akti­vi­täten fehlen: „Die Verschlech­te­rung der Umwelt hängt in erster Linie mit der Globa­li­sie­rung und dem Kapi­ta­lismus zusammen. Trotzdem gibt es viele, die der Meinung sind, dass es den lokalen Gemein­schaften an Umwelt­be­wusst­sein mangelt.“

Er erzählt von Beispielen kommu­naler Auffor­stung, von Mass­nahmen gegen Boden­de­gra­da­tion und meint: „Wir sind nicht nur Konsu­menten der Ideo­lo­gien oder Ausfüh­rende des Umwelt­schutzes. Wir müssen gemeinsam Entschei­dungen treffen.“ Die Extinc­tion Rebel­lion vermag diese Möglich­keiten zu bieten: Pascal Mirindi arbeitet an  den Inhalten für die Webseite der globalen Bewe­gung, Emma­nuel Ndim­wiza plant die Inter­ven­tion der XR an der kommenden UN-Klima­kon­fe­renz (COP26) mit.

Aktivist:innen aus Ländern wie der DR Kongo sollen an diesem Umwelt­gipfel die Führung über­nehmen, um Länder mit hoher Umwelt­ver­schmut­zung in die Verant­wor­tung zu nehmen. Die verspro­chene Entschä­di­gung von 100 Milli­arden Euro pro Jahr muss bezahlt werden, damit die notwen­digen Mittel für die Umset­zung von Projekten für vom Klima­wandel beson­ders betrof­fene Länder vorhanden sind.

Wenn aber die Reich­sten weiterhin die Klima­er­wär­mung mit Inve­sti­tionen in zerstö­re­ri­sche Indu­strien wie fossile Brenn­stoffe befeuern, werden auch solche Ausgleichs­zah­lungen zu wenig bewirken. Gebraucht werden synchro­ni­sierte Aktionen aller Rebell:innen: vor den Haupt­sitzen der Ölkon­zerne, auf den Finanz­plätzen, gegen­über den Regie­rungen – aber auch in den Dörfern, welche als Leid­tra­gende eines untaug­li­chen Umwelt­schutzes mit der Ölin­du­strie lieb­äu­geln. Das Fordern eines System­wech­sels mittels radi­kaler Methoden ist das eine, das Verhan­deln alter­na­tiver Möglich­keiten zum Über­leben das andere.


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