Feuer löschen

Ohne befrie­di­gende Fakten­lage werden Linke für Angriffe auf SEM-Mitar­bei­tende verant­wort­lich gemacht. Links­extre­mismus: ein bren­nendes Problem? Im Gegenteil. 
Arthur Honegger ist neben seiner Arbeit für Zeitungen und Fernsehen bekannt für Stellungnahmen auf Twitter. (Foto: Twitter)

„Wir beginnen mit dem Hass von Links“, sagt Arthur Honegger im 10 vor 10. Weil das SEM pünkt­lich vor dem 1. Mai eine empörte Medi­en­mit­tei­lung publi­ziert hat: Linksextremist*innen hätten die Brems­kabel einer SEM-Mitar­bei­terin durch­trennt und eine Katze verstümmelt.

Das sei kein Einzel­fall, findet Honegger. Und verweist an den SRF-Redaktor für Extre­mismus aller Couleur, der jetzt aufzeige, „dass links­ra­di­kale Gewalt gegen das soge­nannte System zum bren­nenden Problem geworden ist“.

Was für ein Einstieg. Alles passt: Honeg­gers Gesichts­aus­druck (als wäre er gerade in einen Amei­sen­haufen gesessen), das Bild eines Streich­holzes im Hinter­grund, die Brand-Meta­pher. Norma­ler­weise zünden die doch Autos an, oder?

Genau. Deshalb zunächst zu den Fakten: Dass linke Aktivist*innen die Brems­kabel eines Autos durch­trennt haben sollen, über­rascht. Noch über­ra­schender ist der Vorwurf, dass sie eine Katze verstüm­melt hätten. So ein Angriff wurde bis jetzt – gemäss unserem Kennt­nis­stand – von Links noch gar nie verübt. Gewalt­tä­tige Angriffe von Linken auf Menschen und Tiere sind selten.

Eine kurze Nach­frage zeigt denn auch: Das SEM nimmt gar nicht erst Stel­lung zur eigenen Medi­en­mit­tei­lung und verweist auf die Bundes­an­walt­schaft. Beweise, die die öffent­liche Anschul­di­gung recht­fer­tigen würden, werden keine genannt: Es gibt kein Bekenner*innenschreiben und die Anzeige richtet sich gegen Unbe­kannt. Aber es werden wohl schon die Links­ra­di­kalen gewesen sein – sie hassen halt dieses soge­nannte System.

Sie hassen dieses System, weil sie es kennen. Links­ra­di­kale doku­men­tieren – allein auf weiter Flur – seit Inkraft­treten des revi­dierten Asyl­ge­setzes die Gewalt in den vom SEM betrie­benen Lagern, wie auch das Kollektiv 3 Rosen gegen Grenzen in einer Stel­lung­nahme anmerkt. Nur dank dieser akti­vi­sti­schen Arbeit erhält die Öffent­lich­keit über­haupt die Möglich­keit, davon zu erfahren: von den spital­reif geprü­gelten Inter­nierten, von den Suiziden, von den Schi­kanen hinter den Mauern der Bundesasylzentren.

Aktivist*innen im ganzen Land versu­chen, dieser syste­ma­ti­schen Gewalt gegen Menschen etwas entge­gen­zu­halten: Sie soli­da­ri­sieren und orga­ni­sieren sich gemeinsam mit quasi-inhaf­tierten Geflüch­teten. Versu­chen, die Isola­tion in den Lagern zu über­winden. Leisten Rechts­ar­beit, um den massiv verkürzten Rekurs­fri­sten gerecht zu werden – einer Stra­tegie, die dazu da ist, Menschen vom Gebrauch ihres Rechts abzu­halten. Gefangen in der Reak­tion auf immer neue Schi­kanen vonseiten des SEM.

Links­extreme würden eine gewisse Akzep­tanz in der Bevöl­ke­rung geniessen, wird im 10 vor 10-Beitrag gesagt, etwa dank Aktionen gegen Neonazis. „Fälsch­li­cher­weise“, wird impli­ziert. Als handle es sich dabei um inhalts­leere Publi­city-Stunts von Jungpolitiker*innen mit Bundes­rats­am­bi­tionen. Mit denen ausser Zustim­mung und Aufmerk­sam­keit nichts erreicht werden soll.

Dabei dreht sich das, was so gern diffa­mie­rend als Links­extre­mismus bezeichnet wird, nicht um Publi­city, sondern um Inhalte. Etwa um Rechts­extreme, die unge­hin­dert durch das Land marschieren. Um die auch am 1. Mai wieder zu erwar­tende massive Poli­zei­ge­walt. Oder eben um eine Asyl­ver­hin­de­rungs­po­litik, die syste­ma­tisch Menschen entrechtet. Und ja, es gibt da einen Zusam­men­hang: Als links­extrem gilt, wer – mehr oder weniger verzwei­felt – dem erstar­kenden Hass aus der Mitte entge­gen­tritt: einem bren­nenden Problem.

Ähnliche Artikel

Sie wollen Domi­nanz und Tradition

Trumps knappen Wahlsieg auf ökonomische Faktoren zurückzuführen, greift zu kurz. Die Linke muss der Realität ins Auge sehen, dass ein grosser Teil der Bevölkerung Trump nicht trotz, sondern wegen seines ethnonationalistischen Autoritarismus gewählt hat. Eine Antwort auf Balhorns Wahlkommentar.