„Gespräche über guten Milchschaum haben keine Existenzberechtigung“, singt die Band Von Wegen Lisbeth. Sie hat recht: Innovative Lattekreationen sind zwar zum Lifestylethema avanciert, Gespräche über die Herkunft des Kaffees, sowie die Arbeitsbedingungen, unter denen er gewonnen wird, sind aber viel zu selten.
Das hat auch seine Gründe: Der Wachmacher wird oft unter miserablen Arbeitsbedingungen geerntet. Ausserdem schaden Anbau, Transport und Verpackungsmaterial der Umwelt. Da kann einem die Lust schon vergehen. Aber es gibt Alternativen. Wir fassen die fünf grössten Probleme zusammen, die dein Kaffeekonsum verursacht – und wie du sie vermeiden kannst.
Problem 1: Kaffeebauern und ‑bäuerinnen sind Preisschwankungen ausgesetzt
Der Preis für Kaffeebohnen schwankt weltweit stark. Das liegt manchmal an schlechten Ernten und manchmal an Spekulationen an den Börsen. Die Kaffeebauernfamilien müssen sich aber darauf verlassen können, dass sie ihre Ernte trotzdem jedes Jahr zu einem fairen Preis loswerden.
Lösungsansatz: Fairtrade
Hier setzt die Idee des fairen Handels an. Kaffeeimporteure, die mit einem Fairtradelabel zertifiziert wurden, kaufen den Kaffee zu einem stabilen Preis, der zuvor und unabhängig vom Marktpreis vereinbart wird. Ausserdem garantieren sie langfristige Handelsbeziehungen mit den Produzenten und eine zinsfreie Vorfinanzierung für den Kaffee. So sind die Bauern und Bäuerinnen den Preisschwankungen nicht völlig ausgeliefert und haben ein sicheres Einkommen.
Zu den vertrauenswürdigsten Fairtradelabels der Schweiz gehören Max Havelaar und das Claro-Fairtradelabel.
Problem 2: Giftige Pestizide auf den Kaffeeplantagen
Um die Ernte zu steigern, werden auf Kaffeeplantagen oft Pestizide gesprüht. Häufig sind die ArbeiterInnen auf dem Feld nicht genügend geschützt. Dabei ist das Einatmen einiger dieser Pestizide gesundheitsschädlich. Manche der Pestizide, die beispielsweise in Brasilien eingesetzt werden, sind in der EU deswegen verboten.
Lösungsansatz 2: Bio-Labels
Bio-Labels verbieten den Einsatz von Pestiziden. Hier ist besonders Verlass auf die Bio-Knospe und andere Labels, die dem Standard der Bio-Knospe entsprechen, wie Naturaplan von Coop.
Problem 3: PlantagenarbeiterInnen arbeiten oft unter schlechten Bedingungen
Letztes Jahr haben zwei der grössten Kaffeeimporteure weltweit, Nestlé und Jacob Douwe Egberts, zugegeben, Kaffee von Plantagen eingekauft zu haben, auf denen die ArbeiterInnen wie Sklaven behandelt werden. Sie hatten weder Zugang zu Trinkwasser noch angemessene Unterkünfte. Die Arbeitsbedingungen brachen mehrere Konventionen der internationalen Arbeitsorganisation, unter anderem das Verbot von Kinderarbeit.
Internationale Konzerne wie auch Nestlé erklären zwar seit langem, dass sie solcherlei Arbeitsbedingungen inakzeptabel fänden. Selbst wenn sie diese Worte allerdings ernst meinen, bleibt das Problem, dass die Herkunft des Kaffees bei solch grossen Konzernen nicht transparent ist. Je länger die Wertschöpfungskette, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass am Ende alle Involvierten wissen, von welcher Plantage die Bohnen eigentlich kommen. So verteidigen sich zumindest Nestlé und Co…
Lösungsansatz: Labels mit Anforderungen an die sozialen Verhältnisse auf den Plantagen
Um sicherzustellen, dass die Arbeitnehmenden auf den Plantagen fair bezahlt und gut behandelt werden, gibt es ebenfalls zahlreiche Labels. Die Labels von Claro, Fair for Life, Max Havelaar, Gebana und UTZ zertifizieren nur Importeure, die ihren Kaffee bei Produzenten beziehen, die Kinderarbeit ausschliessen, einen gesetzlichen Mindestlohn bezahlen und sichere Arbeitsplätze bieten.
Bio-Labels wie die Bio-Knospe und Naturaplan stellen seit 2007 ebenfalls Anforderungen an die Arbeitsbedingungen: So müssen alle MitarbeiterInnen unter anderem einen Arbeitsvertrag haben, einen fairen Lohn und Entlöhnung für Überstunden erhalten.
Die Bio-Labels und das UTZ-Label garantieren allerdings keinen stabilen Abnahmepreis, sondern richten sich nach dem Marktpreis, weshalb sie nicht dem Fairtradegedanken entsprechen.
Sowieso: Labels gibt es wie Sand am Meer. Nicht alle sind gleich aussagekräftig. Sie setzten zudem unterschiedliche Schwerpunkte. Auf labelinfo.ch kann man Labels vergleichen und mehr über sie erfahren.
Und auch Fairtradelabels haben ihre KritikerInnen. Denn es ist schwierig, regelmässig zu kontrollieren, ob auf den Plantagen alle Anforderungen eingehalten werden. Hinzu kommt, dass die Zertifizierung oft kostspielig ist. Viele Kaffeebauern und ‑bäuerinnen können sich die Teilnahme am fairen Handel deswegen gar nicht erst leisten. Ausserdem können die Käufer oft nicht die gesamte Ernte eines Produzenten zu einem fairen Preis abkaufen, was diese dazu zwingt, einen Teil doch auf dem freien Markt loszuwerden.
Dennoch ist es im Moment die einfachste Art, die miserablen Arbeitsbedingungen auf den Plantagen zu bekämpfen und den Kleinbauernfamilien ein sicheres Einkommen zu gewährleisten. Ausserdem sendet der Konsum von Fairtradekaffee ein Signal an grosse Konzerne.
Problem 4: Müll
Eine durchschnittliche Kaffeekapsel besteht aus zwei bis drei Gramm Verpackung und sechs bis sieben Gramm Inhalt. Zwar kann man Kaffeekapseln mittlerweile recyclen, aber dies rechtfertigt noch nicht, dass sie überhaupt produziert werden. Die Produktion benötigt Unmengen an Energie und Wasser. Ähnlich verhält es sich mit To-Go-Pappbechern. Diese sind ebenfalls aufwändig in der Herstellung und produzieren unnötigen Müll.
Lösungsansatz: Grosse Packungen!
Besser ist es, grosse Packungen an gemahlenem Kaffee zu kaufen, um das Verhältnis von Verpackung zu Inhalt zu verbessern. Auch auf To-Go-Becher lässt sich leicht verzichten, indem man für unterwegs einen Mehrwegbecher benützt.
Das ist dir alles zu kompliziert?
Ganz auf den Labeldschungel verzichten kannst du, indem du mit deinem Kaffeekauf direkt ein gemeinnütziges Projekt unterstützt. Die Kaffeemarke RebelDia beispielsweise arbeitet mit autonomen zapatistischen Kaffeekooperativen in Mexiko zusammen. Der Zürcher Verein unterstützt so deren Lebensunterhalt und ihre politischen Ambitionen. Die indigenen ZapatistInnen kämpfen für Autonomie und Menschenrechte für indigene Menschen in Mexiko, die von der Regierung bis heute marginalisiert werden. Das Projekt kritisiert den Kapitalismus und schafft eine Öffentlichkeit für die Anliegen der ZapatistInnen. Der Kaffee wird ausserdem biologisch angebaut und schmeckt hervorragend. Kaufen kannst du RebelDia übers Internet oder an einer der Verkaufsstellen in der ganzen Schweiz – allerdings in keinem grossen Supermarkt.
Auch die Zürcher Firma Direct Coffee legt besonders Wert auf eine transparente und effiziente Wertschöpfungskette. Sie will Brücken schlagen zwischen den KonsumentInnen und den Kaffeebauernfamilien. Der Kaffee kommt direkt aus Kaffeekooperativen in Äthiopien. Die Zwischenhändler, von denen es im internationalen Handel eine Menge gibt, sollen umgangen werden. Mit dem Geld, das so gespart wird, werden soziale Projekte in den Kooperativen finanziert: Entwurmungen für die Kinder der Kaffeebauern und ‑bäuerinnen beispielsweise.
Die KundInnen in der Schweiz sollten möglichst gut darüber informiert sein, woher der Kaffee kommt, findet Marie Tuil, einer der beiden Köpfe hinter Direct Coffee. Deshalb will sie den KaffeetrinkerInnen noch mehr Nähe zu den Produzenten bieten als das Fairtradesystem, das ihr zu ineffizient und anonym ist.
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