Das Gehege „Lewa Savanne“ mit Nashörnern und Giraffen ist seit zweieinhalb Jahren ein Vorzeigeprojekt des Zoos Zürich. Mit Teilen des Erlöses aus dem Projekt unterstützt der Zoo das Artenschutzgebiet „Lewa Wildlife Conservancy“ (LWC) in Kenia. An die vier Millionen Franken sind bis heute schon geflossen.
Schweizer Medien berichten über die „Lewa Savanne“ des Zoos und die LWC mit einem Wohlwollen, das fast schon an Schleichwerbung grenzt. Der Beitrag von SRF Einstein kam ohne kritische Nachfragen aus. Giaccobo/Müller machten sogar einen Werbe-Sketch.
Was diese LWC eigentlich genau ist und ob sie aus sozialer und artenschutztechnischer Sicht unterstützenswert ist, scheint in der Schweiz kaum jemanden zu interessieren. Es wird Geld für einen guten Zweck gesammelt, Ende der Diskussion.
Schaut einmal zum Fenster raus, wahrscheinlich seht ihr bald ein Tier. Sie sind die Mehrheit der Bevölkerung. Doch in der Schweizer Medienlandschaft werden sie meist ignoriert. Animal Politique gibt Gegensteuer. Nico Müller schreibt über Machtsysteme, Medien, Forschung und Lobbyismus. Und denkt nicht, es gehe immer „nur“ um Tiere. Ihre Unterdrückung hängt oft mit der Unterdrückung von Menschen zusammen. Animal Politique macht das sichtbar.
Nico Müller hat den Doktor in Tierethik gemacht und arbeitet an der Uni Basel. Daneben setzt er sich politisch für Tierschutz und ‑rechte ein, besonders mit dem Verein Animal Rights Switzerland.
Dabei reicht eine kurze Google-Suche aus, um zu sehen, dass die LWC nicht einfach ein Artenschutzprojekt ist, sondern auch ein Luxus-Safari-Resort im Besitz eines britischen Kolonialerben. Und dass sie finanziell äusserst solide aufgestellt ist – auch ohne die Gelder des Zürcher Zoos. Hinzu kommt: „Conservancies“ wie die LWC werden in Kenia stark von Forschenden und Aktivist*innen kritisiert, weil sie hochmilitarisiert sind und die Abhängigkeit von ehemaligen Kolonialmächten erhöhen.
Aber alles der Reihe nach.
Nashörner raus, Rinder rein
Was ist diese „Lewa Wildlife Conservancy“ denn eigentlich? Nun, sie ist ein privates Artenschutzgebiet. Inhaber ist der begeisterte britische Grosswildjäger Ian Craig.
Das Land hat Ian Craig wiederum geerbt. Das britische Regime hatte der Craig-Familie das Land für die Viehzucht zugesprochen, um die damalige Kolonie mit Fleisch zu versorgen. Viel später, in den 1980ern, kollabierte der kenianische Viehmarkt. Der Familie Craig drohte der Bankrott und der Zwangsverkauf des Landes.
Die Craigs ergriffen die Flucht nach vorne. Lewa wurde zum Luxus-Safari-Resort. Die spektakulärsten Tiere hatte man zwar längst erschossen, um Platz für Rinder zu machen. Doch man holte sich einfach neue Tiere aus der Nähe, wie ein kenianischer Verwaltungsbeamter dem Ethnografen Marlous van den Akker mitteilte (S. 145). Die LWC habe gesunde Tiere betäubt und abtransportiert, unter dem Vorwand, sie seien krank oder verletzt. Danach seien sie auf dem LWC-Gelände verblieben. Die kenianischen Behörden hätten die Craigs dabei komplett ignoriert.
Mit den neu angesiedelten Tieren kam auch etwas Tourismus-Umsatz. Immerhin war die Klientel reich und die Löhne tief. Noch heute verdient eine Hotellerie-Angestellte oder Wildtier-Rangerin in Kenia keine 5000 Dollar im Jahr.
Dafür können Tourist*innen ab 7‘500 Dollar pro Nacht in der „Arijiju Safari Lodge“ übernachten, gemäss Webseite „a beautiful, private home in the game-rich, malaria-free, Kenyan Highlands with rare, truly wild luxuries“. Auch der Zoo Zürich ist Reiseveranstalter. Die angebotenen Lewa-Pauschalreisen sind mit 11‘250 Franken für zwei Wochen etwas günstiger.
Aus der Hotellerie schöpft die LWC gemäss eigener Aussage aber nur 30 Prozent ihrer Einnahmen, der Rest komme vor allem durch Einzelspenden zustande. Nur 15 Prozent der Spenden kämen von Zoos, Firmen und Stiftungen. Darunter waren bereits die Weltbank und der WWF (S. 146), sowie Disney und der San Diego Zoo, der grösste Tierpark der USA. Besser kann Fundraising kaum laufen.
Auch der britische Staat unterstützt die LWC. Prinz William machte Kate Middleton den Heiratsantrag im Resort. Diese Gratiswerbung ist unbezahlbar. Auch Ex-Premierminister Boris Johnson kam schon medienwirksam vorbei. Und die Queen verlieh Ian Craig gar den britischen Ritterorden.
Um mit diesem Wissen im Hinterkopf zum Anfang zurück zu kommen: Wäre das Geld eines Schweizer Zoos woanders nicht effektiver eingesetzt? Warum unterstützt er ausgerechnet ein Projekt, das sowieso auf die Hilfe der Reichsten und Mächtigsten zählen kann? Ein Schelm, wer „Greenwashing“ dabei denkt.
Der weisse Retter Conservancy
Doch in Kenia geht die Kritik an „Conservancies“ wie der LWC noch einiges weiter. Gut ein Zehntel des Landes ist heute geschütztes Gebiet in privater, meist weisser Hand. Dass Land ständig derselben Partei gehören muss, widerspricht der nomadischen Lebensweise, die etwa die Maasai praktizieren.
„Conservancies“ lösen diesen Konflikt meist durch Landnutzungsverträge mit den Locals. Sie schmücken sich sogar damit, Stichwort „Community Conservation“. Doch die Verträge werden bisweilen ohne Rechtsbeistand abgeschlossen und sind oft unfair, versprochene Gegenleistungen werden immer wieder nicht geliefert, Anwohner*innen gar vertrieben.
Private Institutionen wie die LWC übernehmen zudem nicht nur Land, sondern auch Staatsaufgaben. So bestimmen wieder Weisse über Polizei, Bildung und Gesundheitsversorgung auf „ihren“ Landstrichen. „Conservancies“ bewegen sich somit irgendwo zwischen weissem Rettertum und kolonialistischem „Land Grab“, wie der kenianische Ökologe Dr. Mordecai Ogada hervorhebt (am besten im Original lesen).
Und was, wenn doch jemand aufs geschützte Land kommt? Zeitweise war die offizielle Devise „shoot to kill“. Unter dem Deckmantel der Anti-Wilderei wurden kenianische Wildlife Rangers seit den 1980ern paramilitärisch aufgerüstet. Auch Ian Craigs Sohn führt seine eigene militärische Sicherheitsfirma, die Savanne gleicht einer Festung.
Der Zoo Zürich scheint davon zu wissen – und beteiligt sich mit sichtlicher Begeisterung an der Aufrüstung der Lewa-Rangers: „Mit unserem Beitrag konnte der Helikopter so umgerüstet werden, dass dieser heute auch bei Dunkelheit fliegt. […] Mit dem Helikopter können nun schnell bewaffnete Sicherheitsteams zur Verstärkung vor Ort abgesetzt werden.“
Ich fragte Dr. Ogada, wie die Gewinne des Zürcher Zoos in Kenia tatsächlich sinnvoll eingesetzt werden könnten. Seine Antwort:
„Der Zoo sollte Zeit investieren, um die Probleme in Kenia zu verstehen. Lösen müssen die Probleme aber Kenianer*innen.“ Und: „Wenn der Zoo unbedingt Geld investieren will, soll er es öffentlichen kenianischen Universitäten überlassen, damit sie selbst die Themen erforschen und Lösungen finden können. Niemals privaten Institutionen wie der LWC. Wenn das nicht geht, soll er sein Geld lieber behalten.“
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