Vegan-Fasten oder Daniel-Fasten sagt man dem, was ich in den vergangenen 40 Tagen gemacht habe. Letzterer Begriff geht auf eine christliche Erzählung zurück, in welcher sich Daniel und seine Freunde ausschliesslich von Gemüse und Früchten ernährten und laut der Bibel danach sogar fitter waren als diejenigen, die sich an der königlichen Tafel bedient hatten.
Vegetarisch habe ich mich schon lange ernährt. Aber über die Fastentage wollte ich es nun auch mal mit ausschliesslich veganer Ernährung probieren. Mein Ziel war es nicht, dadurch zur vollen Veganerin zu werden. Aber ich wollte mir einen Versuchszeitraum schaffen, in dem ich austesten konnte, welche tierischen Produkte ich wirklich will – und welche ich nur aus Faulheit oder aus Gewohnheit konsumiere.
Butter und Milch brauche ich gar nicht
Und ich werde so einiges aus dieser Vegan-Zeit beibehalten. Milch werde ich zum Beispiel nicht mehr kaufen. Nachdem ich das ganze Soja‑, Reis- und Mandelmilch-Sortiment durchprobiert habe, weiss ich nun, dass mir Hafermilch sogar besser schmeckt als Kuhmilch. Und wenn ich die richtige Margarine, nämlich die Alsan-Bio auf dem Tisch stehen habe, dann kann ich getrost auf Butter verzichten. Eier werde ich nur noch sehr zurückhaltend essen. Vor allem seit ich die roten und entzündeten Hinterteile der Hühner gesehen habe, welche die Wohngemeinschaft meines Freundes vor der Schlachtung gerettet hat. Weil die Hühner nicht mehr jeden Tag ein Ei legten, wollte man sie zu Biogas machen. Was ich mir nach Ostern aber wieder ab und zu gönnen werde, ist ein Stück Gruyère.
Der Vegan-Zeit verdanke ich aber nicht nur einen neuen Speisezettel, sondern auch ein neues Argument. Dazu eine kleine Geschichte: Nachdem etwa die Hälfte meiner Fastenzeit vergangen war, brachte eine Freundin einmal einen Topf Schokoladenmousse zu einem Treffen mit. Verständlicherweise war die Freude bei allen gross. Obwohl natürlich auch ich Schokoladenmousse liebe, winkte ich ab. Leider nicht vegan, meinte ich. „Ach komm, das wäre doch jetzt wirklich mal ein guter Grund, eine Ausnahme zu machen“, meinte meine Freundin darauf. Wieso denn gerade jetzt ein guter Grund sei, meine Fastenregeln zu brechen, wollte ich wissen. „Naja, ich habe heute halt Geburtstag“, kam als Erklärung zurück, und in die ausgelassene Schokoladenmousse-Freude mischte sich eine Portion „Upps... verk***t“, weil niemand an den Geburtstag gedacht hatte. Um ihr eine Freude zu machen und natürlich auch, weil ich es mag, nahm ich dann wirklich eine Schale Schokoladenmousse entgegen. „Aber das darfst du doch gar nicht“, wandte natürlich prompt ein anderer Kumpel ein. „Du bist doch vegan.“
Solche oder ähnliche Szenen spielten sich während meiner Fastenzeit öfter ab. Wer sich vegan ernährt, muss sich für die eigene Ernährung rechtfertigen. Immer wieder. Sei es wegen einer Schokoladenmousse-Ausnahme, wegen eines Kekses, der „Reste von Milch enthalten kann“ oder weil ich einen Löffel Sahne verputze, der sonst im Müll gelandet wäre. Das dürfe man als Veganerin nicht tun, heisst es dann. Aber stimmt das wirklich?
Ein Drittel der Klimagase kommt von unserem Essen
Laut dem Bundesamt für Umwelt darf jedeR 0.6 — 1.5 Tonnen CO2 pro Jahr ausstossen, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen. Momentan sind wir in der Schweiz jedoch bei mindestens 5.6 Tonnen pro Jahr und Person. Und gewisse Emissionen, wie zum Beispiel die vom Flugverkehr, sind in dieser Zahl noch nicht einmal enthalten. Ein Drittel dieser 5.6 Tonnen kommt laut der NGO Eaternity von unserer Ernährung. Auf der Website des WWF kann man nachlesen, dass sich der ernährungsbezogene Klimagasausstoss von Herrn und Frau Schweizer um 24 Prozent reduziert, wenn sie oder er sich vegetarisch ernährt. Stellt man auf vegane Ernährung um, dann sind es sogar 40 Prozent.
Zurück zum Schokoladenmousse: Wer darf wirklich?
Wer sich vegan ernährt, haut also massiv weniger CO2 in die Luft. Mit der Schale Schokoladenmousse in meiner Hand erwiderte ich deshalb: „Hm, ich glaube, das ist falsch. Denn wahrscheinlich bin ich hier sogar diejenige, die als erste und am meisten Mousse essen darf.“ Wieso? Weil niemand anders in der Schokomousse-Runde in den letzten Wochen so wenig tierische Produkte gegessen hat wie ich. Meine momentane Ernährung war auch mit dieser Schokoladenmousse-Ausnahme halbwegs mit den Klimazielen zu vereinbaren. Einige andere hingegen hatten ihr CO2-Budget wahrscheinlich schon lange vor der Mousse gesprengt.
Natürlich gibt es auch tierethische Gründe, weshalb man auf Fleisch, Eier und Milchprodukte verzichten will, kann oder soll. Aber wenn man die Geschichte mal nur aus der Klimaecke betrachtet, dann sind es eigentlich die VeganerInnen, die am ehesten mal zu einem tierischen Produkt greifen dürften. Wenn sie das aber tun, sind es ironischerweise genau sie, die besonders stark dafür kritisiert werden.