Medi­en­för­de­rung: Wer glaubt eigent­lich noch an den Markt?

Pathos bestimmt die Diskus­sion um die geplante Medi­en­för­de­rung. Teil­weise ist das schwer zu ertragen. Für den Ausbau der Medi­en­för­de­rung spre­chen prag­ma­ti­sche Gründe. 
"Das Lamm könnte bei einer Annahme der Medienförderung womöglich mit zusätzlichen Einnahmen von bis zu 60'000 Franken rechnen" (Illustration: Anna Egli)

Sie würden wohl beide die Frei­heit gewinnen, wenn sie auf diesem Weg zu gewinnen wäre. Kurz vor der Abstim­mung über das „Bundes­ge­setz über ein Mass­nah­men­paket zugun­sten der Medien“ führen beide Seiten lust­voll eine inten­sive Debatte um Unab­hän­gig­keit, Frei­heit, Knecht­schaft – und die Bewah­rung unseres libe­ralen Rechts­staats. Es geht um Jour­na­lismus; es geht um alles.

Auf der einen Seite der Diskus­sion stehen die „Freunde der Verfas­sung“, die sich vor Staats­me­dien fürchten. Auf der anderen Seite wirbt das Ja-Komitee mit dem Slogan „Ohne Medien keine Demo­kratie“ für die Annahme der Vorlage. Er wird unter anderem vom „Verband Medien mit Zukunft“ mitge­tragen, dem auch das Lamm ange­hört. Der Slogan weckt Erin­ne­rungen: War das nicht mal so eine Jutebeutel-Marke?

Es ist jeden­falls ein Abstim­mungs­kampf der grossen Schlag­worte. Und tatsäch­lich ist die Ausgangs­lage ja recht bedroh­lich. Die Markt­kon­zen­tra­tion in der Medi­en­branche ist so weit fort­ge­schritten, dass man nur noch schwer­lich von einem funk­tio­nie­renden System spre­chen kann. Redak­tionen werden zusam­men­ge­legt, Journalist:innen entlassen, die Branche ächzt.

Immerhin gibt es noch diskrete Reiche und wohl­tä­tige Stif­tungen, die zu Hilfe eilen. Nicht nur am rechten Rand des poli­ti­schen Spek­trums übri­gens: Ob die Repu­blik heute dort stünde, wo sie steht, wenn die Gebrüder Meili zu Beginn keinen Millio­nen­be­trag einge­schossen hätten, steht in den Sternen. Das Basler Lokal­me­dium Bajour finan­ziert sich derzeit noch zu einem grossen Teil über Gelder der Stif­tung für Medi­en­viel­falt. Und ja, auch das Lamm hat im letzten Jahr Zuschüsse von Stif­tungen erhalten (danke übrigens!).

Der Markt tut derweil das, was er meistens tut: Er versagt. Wobei das wohl eine Frage der Perspek­tive bleibt. Dass die Medi­en­viel­falt, minde­stens im Tages­jour­na­lismus, in den letzten Jahren so stark geschwunden ist, unter­liegt halt seiner Logik der Nach­frage. Für viele Unter­nehmen ist es schlicht besser und billiger, ihre Inse­rate im Internet zu schalten. Beson­ders für KMU. Aber wieso sollte das über­haupt rele­vant sein für die Frage, welchen Jour­na­lismus wir brauchen?

Vorhang auf für „den Staat“, der erstaun­li­cher­weise immer noch gern als gruse­liger Antago­nist „der Wirt­schaft“ gilt. Aber der eigent­lich ja viel­mehr als Betreu­ungs­figur fungiert, die den immer wieder aufs Neue began­genen Eska­paden ihres Schütz­lings mit über­mäs­siger Nach­sicht begegnet.

Aber das ist nur eine Rand­notiz. Wichtig ist zunächst, dass Medien in Form der Post­ta­xen­ver­bil­li­gung schon lange staat­liche Förde­rung erhalten. Von einer völlig verän­derten Situa­tion bei Annahme des Medi­en­pa­kets kann also keine Rede sein. Es geht bloss darum, dass erstens dieser Beitrag erhöht werden soll, zwei­tens neuer­dings Beiträge an jour­na­li­sti­sche Infra­struktur wie etwa die Nach­rich­ten­agentur Keystone-SDA fliessen sollen und drit­tens auch Online-Medien direkt unter­stützt werden sollen. Die Unter­stüt­zung wäre vorläufig befri­stet auf eine Lauf­zeit von sieben Jahren.

Insge­samt geht es um 130 Millionen zusätz­liche Franken pro Jahr. Klingt nach viel Geld. Ist es auch. Aber es lohnt sich, diesen Betrag zu kontex­tua­li­sieren: Die Familie Coninx mit ihrem geschätzten Vermögen von rund 1,5 Milli­arden Franken wäre ohne Weiteres in der Lage, die vorge­schla­gene Medi­en­för­de­rung sieben Jahre lang allein zu stemmen. Möglich gemacht hat diesen Reichtum unter anderem der wirt­schaft­liche Erfolg der TX Group, an der die Familie Coninx eine Mehr­heit hält. Zur TX Group gehören bekannt­lich etwa der Tages-Anzeiger, 20 Minuten, die Basler Zeitung und tutti.ch.

Und sie würde auch von der geplanten Medi­en­för­de­rung profi­tieren. Gemessen an ihrem Umsatz zwar deut­lich weniger als kleine Medien wie etwa das Lamm, aber in abso­luten Zahlen natür­lich in weitaus grös­serem Umfang.

Das ist stos­send, und es ist verständ­lich, dass die Vorlage deshalb auch in linken Kreisen auf wenig Enthu­si­asmus stösst. Zumal die TX Group – so wie auch andere Medi­en­un­ter­nehmen – durchaus profi­tabel ist. Was aller­dings eher an ihrem breiten Angebot prak­ti­scher Inse­ra­te­por­tale liegt als an ihrem Jour­na­lismus, den sie seit Jahren erfolg­reich prozessoptimiert.

Mehr Beschei­den­heit

Einem gewinn­ori­en­tierten Unter­nehmen vorzu­werfen, Gewinn zu schreiben, ist aber halt auch unbe­frie­di­gend. Und darin liegt letzt­lich das Problem dieser Debatte um die Bedeu­tung der Medien: in der Vorstel­lung, dass die Schwie­rig­keiten der Medi­en­branche als isoliertes Phänomen betrachtet werden und daher auch für sich allein gelöst werden könnten.

Statt­dessen täte dieser Branche mehr Beschei­den­heit gut. Die Losung „Ohne Jour­na­lismus keine Demo­kratie“ mag zwar nicht falsch sein, denn das Serbeln der Medi­en­branche ist bedroh­lich. Aber die geplante Medi­en­för­de­rung, in deren Kern die Bewah­rung der jetzigen Struk­turen liegt, wird uns auch nicht retten. Es geht bei dieser Vorlage eben nicht um alles.

Aber das muss es ja auch gar nicht. Fernab von Schlag­worten und abstrakten Vorstel­lungen heroi­scher Journalist:innen, die mit verzerrter Miene nach vorn gebückt die vierte Säule des Staates stützen, gibt es auch zugäng­li­chere Argu­mente für die Medienförderung.

Jour­na­lismus ist Arbeit. Er produ­ziert Wissen, das auch als Grund­lage radi­kaler Kritik unab­dingbar ist. Das braucht sowohl Zeit als auch Ressourcen. Und so wie in vielen anderen wich­tigen Arbeits­be­rei­chen auch, sind diese Voraus­set­zungen in der von Markt­me­cha­nismen drang­sa­lierten Medi­en­branche Mangelware.

Die Vorlage zum Ausbau der Medi­en­för­de­rung würde dieses Problem zwar nicht lösen – aber ihm entge­gen­wirken. Das Lamm könnte bei einer Annahme der Medi­en­för­de­rung womög­lich mit zusätz­li­chen Einnahmen von bis zu 60’000 Franken rechnen. Das würde noch keine guten Löhne finan­zieren – aber wäre doch sehr will­kommen. Ist das eine Frage der Gerech­tig­keit? Natür­lich nicht; das ist prag­ma­tisch. Und das ist auch in Ordnung: Die Frei­heit gewinnen wir später.


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