Sie würden wohl beide die Freiheit gewinnen, wenn sie auf diesem Weg zu gewinnen wäre. Kurz vor der Abstimmung über das „Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien“ führen beide Seiten lustvoll eine intensive Debatte um Unabhängigkeit, Freiheit, Knechtschaft – und die Bewahrung unseres liberalen Rechtsstaats. Es geht um Journalismus; es geht um alles.
Auf der einen Seite der Diskussion stehen die „Freunde der Verfassung“, die sich vor Staatsmedien fürchten. Auf der anderen Seite wirbt das Ja-Komitee mit dem Slogan „Ohne Medien keine Demokratie“ für die Annahme der Vorlage. Er wird unter anderem vom „Verband Medien mit Zukunft“ mitgetragen, dem auch das Lamm angehört. Der Slogan weckt Erinnerungen: War das nicht mal so eine Jutebeutel-Marke?
Es ist jedenfalls ein Abstimmungskampf der grossen Schlagworte. Und tatsächlich ist die Ausgangslage ja recht bedrohlich. Die Marktkonzentration in der Medienbranche ist so weit fortgeschritten, dass man nur noch schwerlich von einem funktionierenden System sprechen kann. Redaktionen werden zusammengelegt, Journalist:innen entlassen, die Branche ächzt.
Immerhin gibt es noch diskrete Reiche und wohltätige Stiftungen, die zu Hilfe eilen. Nicht nur am rechten Rand des politischen Spektrums übrigens: Ob die Republik heute dort stünde, wo sie steht, wenn die Gebrüder Meili zu Beginn keinen Millionenbetrag eingeschossen hätten, steht in den Sternen. Das Basler Lokalmedium Bajour finanziert sich derzeit noch zu einem grossen Teil über Gelder der Stiftung für Medienvielfalt. Und ja, auch das Lamm hat im letzten Jahr Zuschüsse von Stiftungen erhalten (danke übrigens!).
Der Markt tut derweil das, was er meistens tut: Er versagt. Wobei das wohl eine Frage der Perspektive bleibt. Dass die Medienvielfalt, mindestens im Tagesjournalismus, in den letzten Jahren so stark geschwunden ist, unterliegt halt seiner Logik der Nachfrage. Für viele Unternehmen ist es schlicht besser und billiger, ihre Inserate im Internet zu schalten. Besonders für KMU. Aber wieso sollte das überhaupt relevant sein für die Frage, welchen Journalismus wir brauchen?
Vorhang auf für „den Staat“, der erstaunlicherweise immer noch gern als gruseliger Antagonist „der Wirtschaft“ gilt. Aber der eigentlich ja vielmehr als Betreuungsfigur fungiert, die den immer wieder aufs Neue begangenen Eskapaden ihres Schützlings mit übermässiger Nachsicht begegnet.
Aber das ist nur eine Randnotiz. Wichtig ist zunächst, dass Medien in Form der Posttaxenverbilligung schon lange staatliche Förderung erhalten. Von einer völlig veränderten Situation bei Annahme des Medienpakets kann also keine Rede sein. Es geht bloss darum, dass erstens dieser Beitrag erhöht werden soll, zweitens neuerdings Beiträge an journalistische Infrastruktur wie etwa die Nachrichtenagentur Keystone-SDA fliessen sollen und drittens auch Online-Medien direkt unterstützt werden sollen. Die Unterstützung wäre vorläufig befristet auf eine Laufzeit von sieben Jahren.
Insgesamt geht es um 130 Millionen zusätzliche Franken pro Jahr. Klingt nach viel Geld. Ist es auch. Aber es lohnt sich, diesen Betrag zu kontextualisieren: Die Familie Coninx mit ihrem geschätzten Vermögen von rund 1,5 Milliarden Franken wäre ohne Weiteres in der Lage, die vorgeschlagene Medienförderung sieben Jahre lang allein zu stemmen. Möglich gemacht hat diesen Reichtum unter anderem der wirtschaftliche Erfolg der TX Group, an der die Familie Coninx eine Mehrheit hält. Zur TX Group gehören bekanntlich etwa der Tages-Anzeiger, 20 Minuten, die Basler Zeitung und tutti.ch.
Und sie würde auch von der geplanten Medienförderung profitieren. Gemessen an ihrem Umsatz zwar deutlich weniger als kleine Medien wie etwa das Lamm, aber in absoluten Zahlen natürlich in weitaus grösserem Umfang.
Das ist stossend, und es ist verständlich, dass die Vorlage deshalb auch in linken Kreisen auf wenig Enthusiasmus stösst. Zumal die TX Group – so wie auch andere Medienunternehmen – durchaus profitabel ist. Was allerdings eher an ihrem breiten Angebot praktischer Inserateportale liegt als an ihrem Journalismus, den sie seit Jahren erfolgreich prozessoptimiert.
Mehr Bescheidenheit
Einem gewinnorientierten Unternehmen vorzuwerfen, Gewinn zu schreiben, ist aber halt auch unbefriedigend. Und darin liegt letztlich das Problem dieser Debatte um die Bedeutung der Medien: in der Vorstellung, dass die Schwierigkeiten der Medienbranche als isoliertes Phänomen betrachtet werden und daher auch für sich allein gelöst werden könnten.
Stattdessen täte dieser Branche mehr Bescheidenheit gut. Die Losung „Ohne Journalismus keine Demokratie“ mag zwar nicht falsch sein, denn das Serbeln der Medienbranche ist bedrohlich. Aber die geplante Medienförderung, in deren Kern die Bewahrung der jetzigen Strukturen liegt, wird uns auch nicht retten. Es geht bei dieser Vorlage eben nicht um alles.
Aber das muss es ja auch gar nicht. Fernab von Schlagworten und abstrakten Vorstellungen heroischer Journalist:innen, die mit verzerrter Miene nach vorn gebückt die vierte Säule des Staates stützen, gibt es auch zugänglichere Argumente für die Medienförderung.
Journalismus ist Arbeit. Er produziert Wissen, das auch als Grundlage radikaler Kritik unabdingbar ist. Das braucht sowohl Zeit als auch Ressourcen. Und so wie in vielen anderen wichtigen Arbeitsbereichen auch, sind diese Voraussetzungen in der von Marktmechanismen drangsalierten Medienbranche Mangelware.
Die Vorlage zum Ausbau der Medienförderung würde dieses Problem zwar nicht lösen – aber ihm entgegenwirken. Das Lamm könnte bei einer Annahme der Medienförderung womöglich mit zusätzlichen Einnahmen von bis zu 60’000 Franken rechnen. Das würde noch keine guten Löhne finanzieren – aber wäre doch sehr willkommen. Ist das eine Frage der Gerechtigkeit? Natürlich nicht; das ist pragmatisch. Und das ist auch in Ordnung: Die Freiheit gewinnen wir später.
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