Nach dem Nein zum CO2-Gesetz im Sommer 2021 wurde Mitte Dezember der nächste Versuch, das CO2-Gesetz zu überarbeiten, in die Vernehmlassung geschickt. Das neue Gesetz soll die Klimaregeln von 2025 bis 2030 festlegen. In einer Pressekonferenz vom 17.12.21 stellte Umweltministerin Simonetta Sommaruga den Entwurf vor. Gewichtige Informationen blieben dabei jedoch unerwähnt.
Die allgemeine Stossrichtung des Gesetzes zeigte sich gleich zu Beginn der Pressekonferenz, als Sommaruga sagte: „Die Bevölkerung soll nicht das Gefühl haben, dass sie mit der Klimapolitik bestraft wird. Deshalb sind keine neuen Abgaben vorgesehen.“ Stattdessen wolle man die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Bevölkerung im Alltag klimafreundlich leben kann.
Um klimafreundliches Leben zu fördern, müssten Bund und Kantone nun die richtigen Anreize setzen, sagt die Umweltministerin weiter. Man könne nicht erwarten, dass jeder und jede selbst eine E‑Ladestation oder eine Wärmepumpe finanziere.
Weniger wird zurückverteilt
Deshalb ist im revidierten CO2-Gesetz vorgesehen, dass die Einnahmen aus der CO2-Abgabe neu bis zur Hälfte [1] für solche Klimaanreize verwendet werden können statt wie bisher bis zu gut einem Drittel. „Damit stellen wir sicher, dass die Mittel nicht ausgerechnet in den kommenden Jahren zurückgehen“, so Sommaruga.
Was man dazu wissen muss: Die CO2-Abgabe ist eine Lenkungsabgabe. Sprich: Der Staat sackt das Geld nicht einfach ein, sondern verteilt es gleichmässig an Bevölkerung und Wirtschaft zurück – zumindest zum Teil. Die Idee: Wer heute schon klimafreundlich lebt oder wirtschaftet, profitiert unter dem Strich. Denn man erhält mehr zurück, als man für das Verbrennen von Erdgas und Erdöl als CO2-Abgaben bezahlen muss.
Im revidierten Gesetz soll neu nur noch die Hälfte anstatt zwei Drittel zurückverteilt werden, während die andere Hälfte in Form einer sogenannten Teilzweckbindung für verschiedene Klimamassnahmen verwendet wird. Finanziert werden damit Gebäudesanierungen, der Ersatz von Ölheizungen, die Förderung der Geothermie, verschiedene Technologieentwicklungen, aber auch der Vollzug der CO2-Vorschriften bei den Autoimporten.
Private müssen mehr stemmen
Zu dieser Erhöhung der Teilzweckbindung hat an der Pressekonferenz Mitte Dezember ein Journalist der NZZ eine Frage an Sommaruga: „Sie haben gesagt, niemand soll bestraft werden, also auch die Bevölkerung nicht. Aber mit dieser Erhöhung der Teilzweckbindung bestrafen sie doch jene, die heute klimafreundlich leben und mehr aus der Abgabe zurückerhalten, als sie bezahlen.“
Die Antwort von Sommaruga ist sinngemäss: Es sei halt wichtig, dass über die CO2-Abgabe weiterhin genug Geld zur Verfügung stehe. Es wäre blöd, wenn uns jetzt das Geld ausgehen würde, um die richtigen Anreize zu schaffen. Dazu, ob es eine Bestrafung derjenigen sei, die klimamässig bereits ganz gut unterwegs sind, bezieht Sommaruga keine Stellung.
Firmen zahlen weniger
Dass es Geld braucht für Gebäudesanierungen und ähnliche Massnahmen, ist unbestritten. Nur: Für die Firmen geht der neue Vorschlag für die zukünftige Klimagesetzgebung in die entgegengesetzte Richtung. Diese sollen neu alle die Möglichkeiten erhalten, der CO2-Abgabe auszuweichen. Bisher konnten sich nur bestimmte Branchen von der CO2-Abgabe befreien. Neu soll die Befreiung von der CO2-Abgabe mit Hilfe einer Zielvereinbarung für allen Firmen möglich sein.
In Zukunft könnten sich also alle Firmen und Unternehmen von der CO2-Abgabe drücken. Gleichzeitig wird den privaten Haushalten mit einer höheren Teilzweckbindung mehr abverlangt. Die Begründung: Man brauche genug Geld für die benötigten Klimaanreize. Betrachtet man die Erhöhung der Teilzweckbindung jedoch zusammen mit der Ausweitung der CO2-Abgabebefreiung, klingt diese Begründung wenig konsistent. Denn die Ausweitung der CO2-Abgabebefreiung wird zu tieferen Einnahmen über die CO2-Abgabe führen.
Zudem: Sowohl eine von den Bundesämtern in Auftrag gegebene Analyse des unabhängigen Beratungsbüros Ecoplan wie auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) empfehlen im „Interesse der Effizienz der CO2-Abgabe“, die Befreiungsmöglichkeiten einzuschränken bzw. nicht weiter auszudehnen (Seite 145). Die Befreiungsmöglichkeit sei eigentlich nur als flankierende Massnahme für emissionsintensive Unternehmen eingeführt worden, die im internationalen Wettbewerb stünden (das Lamm berichtete).
Wer nun aber denkt, dies hätte dazu geführt, dass die Ausweitung der CO2-Abgabebefreiung an der Pressekonferenz umso intensiver diskutiert wurde, liegt weit daneben. Sommaruga erwähnte die geplante Änderung in ihrer Rede mit keinem Wort. Genauso wie weitere Gesetzesanpassungen, die vor allem Unternehmen betreffen würden – etwa die Kompensationspflicht für Treibstoffimporteur:innen.
Jetzt gibt es Reduktionen im Ausland
Im geltenden Recht müssen die Treibstoffimporteur:innen alle Kompensationen in der Schweiz erbringen. Im neuen Vorschlag dürften sie einen Teil der Kompensationen im Ausland zukaufen. Wie hoch dieser Anteil genau sein wird, steht jedoch nicht im Gesetzesentwurf, sondern würde erst später durch den Bundesrat festgelegt werden. Im CO2-Übergangsgesetz, das wegen dem „Volksnein“ im letzten Sommer nun bis Ende 2024 gelten wird, ist das anders. In Artikel 3 des Überganggesetzes ist definiert, dass ab 2022 neu 25% der Reduktionen mit Massnahmen im Ausland erbracht werden dürfen.
Aber auch die Auslandskompensationen erwähnt die höchste Umweltbeamtin in ihrer Rede nicht. Dabei ist der Anteil, der im Ausland kompensiert werden darf, seit Jahren ein Zankapfel.
Erst auf Rückfrage eines Journalisten kommt die Umweltministerin auf die Auslandskompensationen zu sprechen. Sie seien wichtig für die Schweiz, um das Klimaziel 2030 zu erreichen. Ob es jedoch sinnvoll ist, dass die Schweiz mit 14 Tonnen CO2-Ausstoss pro Person und Jahr im Senegal mit rund 0.3 Tonnen CO2-Ausstoss pro Person und Jahr reduzieren möchte, fragt keiner der Medienleute (mehr dazu hier) [2].
Die grössten Emittent:innen profitieren weiterhin
Auch das Emissionshandelssystem (EHS) wird mit keinem Wort erwähnt – obwohl sich dort die rund 100 grössten Verursacher:innen von Klimagasen der Schweiz versammeln. Diese werden auch in Zukunft keine CO2-Abgabe bezahlen, einen Grossteil der Verschmutzungszertifikate gratis vom Bund erhalten und gleichzeitig trotzdem von der Rückverteilung der CO2-Abgabe profitieren. Die offizielle Begründung dafür, weshalb diese Firmen Geld aus einem Topf zurückkriegen, in welchen sie nichts einbezahlt haben, ist folgende: „EHS-Firmen sind zur Teilnahme verpflichtet und haben keine Wahl. Deswegen will das Parlament, dass sie eine Rückverteilung erhalten.“
Es stimmt: Für einen grossen Teil der Firmen im EHS ist es obligatorisch, beim Emissionshandel mitzumachen. Nur: Es ist für sie der weitaus bessere Deal, als für jede Tonne emittiertes CO2 120 Franken Abgabe zu bezahlen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Firmen für diesen Vorteil ein weiteres Mal belohnt werden sollen.
Keine Auflagen für den Finanzplatz
Auch dazu, was das neue Gesetz für den Finanzplatz für Regeln parat hält, sagt Sommaruga nichts in ihrer Rede. Dabei ist die Regulierung des Finanzplatzes im Pariser Abkommen zentral. Bereits im zweiten Artikel steht, dass die Finanzmittelflüsse mit den Klimazielen in Einklang gebracht werden sollen. Denn auch Schweizer Banken verantworten durch ihre Investitionen riesige Mengen an Klimagasen.
Trotzdem sieht der aktuelle Gesetzesentwurf für den Finanzmarkt bis 2030 lediglich eine Berichterstattung vor. So wie es aussieht, wird der Schweizer Finanzplatz auch in knapp zehn Jahren noch sanktionsfrei in klimaschädliche Kohlekraftwerke oder Erdölbohrungen investieren können. Das ist kaum mit der Ratifikation des Pariser Klimaabkommens zu vereinbaren.
Zum Schluss betont die höchste Umweltbeamtin einmal mehr, dass sich durch dieses Gesetz Klimaschutz lohnen soll. Kein schlechter Ansatz. Nur lohnt er sich mit diesem Regelwerk vor allem für Grosskonzerne, Autofahrer:innen, die auf ein E‑Auto umsteigen wollen, und Einfamilienhausbesitzer:innen mit einem Solarpanel auf dem Dach. Velofahrer:innen, Veganer:innen oder Nichtflieger:innen werden kaum etwas davon haben. Und das, obwohl sie einen mindestens ebenso grossen Beitrag leisten zum Klimaschutz.
[1] Ganz exakt sind es maximal 49 %, die über die Teilzweckbindung für Klimamassnahmen eingesetzt werden dürfen. 51 % müssen den Privathaushalten und den Firmen zurückverteilt werden.
[2] Wir verwenden hier die Emissionsmengen nach Konsumationsprinzip. Gerade im Zusammenhang mit Auslandkompensationen erscheint uns dies sinnvoller, als die Zahlen nach Produktionsprinzip. Die zwei Berechnungsprinzipien werden hier erklärt.
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