Täter­schaft und Profi­fuss­ball: Der Fall Mendy

Vor kurzem wech­selte der Profi­fuss­baller Benjamin Mendy zum FC Zürich. Dem Welt­mei­ster wurden in der Vergan­gen­heit mehrere Verge­wal­ti­gungen vorge­worfen. Mit der Verpflich­tung von Mendy reiht sich der FCZ in ein System ein, das Profis schützt und Macht­miss­brauch ignoriert. 
Benjamin Mendy wurde in der Vergangenheit mehrfacher Vergewaltigung beschuldigt und ist nun der ganze Stolz des FC Zürichs. (Bild: SSbKK)

„Wir sind natür­lich sehr erfreut und auch ein wenig stolz, dass wir einen derart hoch­ka­rä­tigen Spieler verpflichten konnten“, schwärmt FCZ-Präsi­dent Ancillo Canepa über seinen neuen Spieler. „Er wird vor allem auch für unsere jungen Spieler eine wich­tige Stütze sein.“ Über die seit Jahren bekannten Vorwürfe sexua­li­sierter Gewalt des Star-Fuss­bal­lers Benjamin Mendy verliert der Fuss­ball­club beim Transfer des neuen Spie­lers kein Wort.

Insge­samt erhoben 13 verschie­dene Frauen zwischen Oktober 2018 und August 2021 Miss­hand­lungs-Vorwürfe gegen Mendy.

Benjamin Mendy begann seine Fuss­ball­kar­riere in Frank­reich. Als linker Aussen­ver­tei­diger wech­selte er von Marseille über Monaco zu Manche­ster City. Im Juni 2017 zahlte Manche­ster City damals 57,5 Millionen Euro für ihn, was ein neuer Rekord für einen Aussen­ver­tei­diger war.

Mendys grösster Erfolg war Frank­reis Gewinn der Welt­mei­ster­schaft 2018, obwohl der 30-jährige Fuss­baller dort kaum eine Rolle spielte. Seine Karriere war von vielen Verlet­zungen geprägt: Rein fuss­ball­tech­nisch könnte man sagen, dass City in diesem Fall Geld aus dem Fenster geworfen hat und von dem Talent nicht viel profi­tieren konnte.

Mendy und sein sexi­ti­sches Verhältnis zu Frauen

Im August 2021 wurde Benjamin Mendy von der Cheshire Cons­ta­bu­lary in vier Fällen von Verge­wal­ti­gung und einem Fall von sexu­eller Nöti­gung ange­klagt und verhaftet. Die Vorwürfe betrafen mutmass­liche Straf­taten gegen drei Frauen über 16 Jahren, die sich zwischen Oktober 2020 und August 2021 ereignet haben sollen. Es folgte sogleich die Suspen­die­rung von Manche­ster City. Im Januar 2022 konnte sich Mendy durch Kaution frei­kaufen. Seine Anwalts­ko­sten brachten ihn jedoch in finan­zi­elle Schief­lage, sodass er Geld von ehema­ligen Mitspie­lern leihen musste, trotz eines Jahres­ge­halt von 4,68 Millionen Euro bei Manche­ster City.

Bei Prozess­be­ginn im August 2022 ging es schliess­lich um sieben Verge­wal­ti­gungen, eine versuchte Verge­wal­ti­gung und einen Fall sexu­eller Nöti­gung. Als Mendy im Gericht zum ersten Mal sein Schweigen brach, erklärte er, dass es ihm mit 18 Jahren sehr schwer gefallen sei, mit Frauen in Kontakt zu treten. Nachdem er Profi wurde, gab er an, sei ihm das aber viel leichter gefallen.

„Dank Mendys Reichtum und Status waren andere bereit, ihm zu besorgen, was er wollte“, berich­tete der Staats­an­walt Timothy Cray laut der briti­schen Zeitung Guar­dian. Dem Gericht zufolge fand der Sportler die meisten Frauen in Nacht­klubs in Manche­ster. Der 41-jährige Louis Saha Matturie, eben­falls ehema­liger Profi-Fuss­baller, soll sie ihm zuge­führt haben. Er wurde 2022 eben­falls wegen mehr­fa­cher Verge­wal­ti­gung und weiterer Sexu­al­straf­taten angeklagt.

Fälle wie die von Cristiano Ronaldo, Robinho, Santi Mina oder Jérôme Boateng zeigen ein Muster: Während Frauen von Gewalt und Miss­brauch berichten, schützt ein System aus Bera­tern, Funk­tio­nären und Anwälten die Spieler und wahrt deren Image.

Mendy stritt alle Gewalt­vor­würfe ab und sucht Ausreden für sein Verhalten: Er sei durch seine vielen Verlet­zungen sehr traurig gewesen. Deshalb habe er  mehr­mals pro Woche gefeiert und danach in seiner Villa After­partys veran­staltet. Er habe es genossen, mit vielen Frauen Sex zu haben, oftmals sogar mit mehreren an einem Abend. Verhü­tungs­mittel habe er keine benutzt, obwohl ihm die Risiken bewusst waren. Er betonte, dass er immer aufge­hört habe, wenn eine Frau „Nein“ gesagt habe.

Laut Aussage der betrof­fenen Frauen soll der Ange­klagte während der Vorfälle zwischen 2018 und 2021 kein Nein akzep­tiert haben. Manche der Opfer waren demnach zu betrunken, um sich zu wehren.

Der Frei­spruch und das grosse Aber

Im Laufe des Jahres 2023 wurde Mendy von mehreren Ankla­ge­punkten frei­ge­spro­chen. Die Jury begrün­dete dies damit, dass die Beweis­lage für eine Verur­tei­lung nicht ausreiche. Das Gerichts­ur­teil besagt nicht, dass Mendy zwei­fels­frei unschuldig ist. Es gab zahl­reiche Zeugen­aus­sagen, die jedoch nicht ausreichten, um ihn ohne Zweifel schuldig zu spre­chen. Es ist eine übliche Schwie­rig­keit bei Sexu­al­de­likten, da sie meist Vier-Augen-Delikte und somit schwierig zu beweisen sind. Insge­samt erhoben 13 verschie­dene Frauen zwischen Oktober 2018 und August 2021 Miss­hand­lungs­vor­würfe gegen den Profifussballer.

Was man Mendy jedoch sicher vorwerfen kann, ist seine miso­gyne Haltung. Seine Aussagen vor Gericht zeugen deut­lich von einer Abwer­tung und Objek­ti­fi­zie­rung von Frauen. Es gab Berichte, wonach Mendy geprahlt haben soll, dass er „mit 10’000 Frauen geschlafen“ habe und dass Sex mit ihm „eine Ehre“ sei. Als Star-Fuss­baller sei es sehr einfach gewesen, Frauen aufzu­reissen. Durch seine Aussagen bestä­tigte er, dass er seine Posi­tion als Profi­fuss­baller gezielt ausnutzte, um mit Frauen in Kontakt zu treten. 

Der Guar­dian berich­tete damals, wie beide Männer eine „kalt­schnäu­zige Gleichgültigkeit„gegenüber den insge­samt 13 mutmass­li­chen Opfern an den Tag gelegt haben sollen. Die sexu­elle Erobe­rung junger Frauen sei für sie eine Art Spiel gewesen.

Das abge­le­gene Anwesen des Fuss­bal­lers wurde von Medien als „Festung“ beschrieben, fern vom Stadt­zen­trum von Manche­ster gelegen und durch­wegs bewacht. Die Frauen hätten das Gefühl gehabt, gefangen zu sein. Eine der Kläge­rinnen erklärte, sie habe nach den sexu­ellen Über­griffen einen Haus­an­ge­stellten bitten müssen, ihr die Tür nach draussen aufzuschliessssen.

Mendy ist kein Einzelfall

Profi­fuss­baller stehen immer wieder im Fokus von Sexu­al­straf­ver­fahren, doch viele von ihnen werden frei­ge­spro­chen oder entgehen Verur­tei­lungen durch Schwei­ge­geld­zah­lungen und Einfluss­nahme. Fälle wie die von Cristiano Ronaldo, Robinho, Santi Mina oder Jérôme Boateng zeigen ein Muster: Während Frauen von Gewalt und Miss­brauch berichten, schützt ein System aus Bera­tern, Funk­tio­nären und Anwälten die Spieler und wahrt deren Image.

Eine Recherche von Correctiv und der Süddeut­schen Zeitung deckte 2022 auf, wie Spieler ihre Ex-Part­ne­rinnen zum Schweigen bringen und Vorwürfe vertu­schen. Dabei geht es nicht nur um indi­vi­du­elle Schuld, sondern um ein Milli­arden-Busi­ness, das den Ruf der Profis um jeden Preis schützt.

Der Präsi­dent des FC Zürich recht­fer­tigte den Transfer von Mendy mit einer klas­si­schen Täter-Opfer-Umkehr: einer gefähr­li­chen Rhetorik, die Frauen, die über Gewalt spre­chen, pauschal als poten­zi­elle Lügne­rinnen darstellt und struk­tu­relle Probleme ignoriert.


Der hollän­di­scher Fuss­ball­profi Memphis Depay kriti­sierte öffent­lich den Umgang mit Mendy und forderte Unter­stüt­zung für ihn, während zahl­reiche Profis, darunter Antonio Rüdiger, Kevin Trapp und Jack Grea­lish, seine Worte bekräf­tigten. Die grosse Soli­da­rität für ihn zeigt, wie sehr Profi­fuss­baller in einer abge­schot­teten, männer­do­mi­nierten Blase leben, in der Macht­miss­brauch oft igno­riert wird. Während Frauen syste­ma­tisch benach­tei­ligt werden, schützen finan­zi­elle und struk­tu­relle Inter­essen die Spieler. 

Trotz der Vorwürfe führt Mendy seine Karriere bis heute fort.

Der FC Zürich freut sich über den Superstar

FCZ-Präsi­dent Canepa vertei­digte seinen neuen Spieler bei der Über­nahme: „Es gab und gibt für uns keinen Anlass, an der Korrekt­heit der juri­sti­schen Aufar­bei­tung zu zwei­feln.“ Bekannte Fuss­baller würden oft auch ohne Fehl­ver­halten von Frauen einge­klagt, die sie erpressen wollten. Dafür gäbe es leider einige Beispiele. Mit dieser Aussage betrieb der FZC-Präsi­dent eine klas­si­sche Täter-Opfer-Umkehr: eine gefähr­liche Rhetorik, die Frauen, die über Gewalt spre­chen, pauschal als poten­zi­elle Lügne­rinnen darstellt und struk­tu­relle Probleme ignoriert.

Kritik aus der Öffenltich­keit gegen­über dem Vorgehen des FCZ liess nicht lange auf sich warten. Doch der FCZ reagierte, indem er kriti­sche Kommen­tare auf Insta­gram löschte. Das Thema sollte augen­schein­lich totge­schwiegen werden.

Erst die Kritik der Frau­en­zen­trale Zürich erwirkte letzte Woche ein State­ment des Zürcher Fuss­ball­clubs. „Der welt­be­kannte Spieler wurde nicht verur­teilt“, begründet der FCZ nun seine Entschei­dung. „Aus Persön­lich­keits­schutz des Spie­lers“ habe man nicht auf die Vorfälle hinge­wiesen, was der Club bis heute als rich­tiges Vorgehen wertet. Der FCZ lehne jede Art von Gewalt, „insbe­son­dere gegen Frauen und Kinder“, strikte ab.

In Anbe­tracht des Umgangs mit dem Profi­fuss­ball­spieler wirken die Aussagen jedoch wie reine Flos­keln. Auch gibt keine Hinweise darauf, dass Mendy sein Verhalten bereut hat, reflek­tiert oder ändern will. Statt­dessen bekommt er durch den FC Zürich die Chance, seine Karriere fort­zu­setzen und sich inter­na­tional neu zu empfehlen. Der FCZ selbst verpasst in diesem Falle die Chance, kritisch und verant­wor­tungs­voll mit den eigenen Spie­lern umzugehen.

Eine erste Version dieses Textes erschien zuvor auf sozialismus.ch.

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