Trophä­en­jagd: Ein neoli­be­raler Fiebertraum

In Europa wird disku­tiert, den Import von Jagd­tro­phäen zu verbieten. Der bots­wa­ni­sche Präsi­dent Masisi nennt das Kolo­nia­lismus. Reiche sollen weiterhin Elefanten erschiessen und so den Arten­schutz finanzieren. 
Es kostet etwa 50'000 Franken, einen Elefanten zu erschiessen. (Foto: James Hammond / Unsplash)

Bots­wana ist nicht oft in den deutsch­spra­chigen Schlag­zeilen. Im April 2024 jedoch provo­zierte Staats­prä­si­dent Mokg­weetsi Masisi mit der Aussage, er würde den Deut­schen 20’000 Elefanten schicken, sollten sie den Import von Jagd­tro­phäen verbieten. Auch Gross­bri­tan­nien hatte seine Regie­rung 10’000 Elefanten ange­boten, bezie­hungs­weise angedroht.

Die deut­sche und die briti­sche Presse fanden das unglaub­lich ulkig. Dutzende Artikel machten sich einen Spass daraus, sich die Umsied­lung in bunten Farben auszu­malen. Man konnte glatt vergessen, dass es eigent­lich darum geht, dass Elefanten in Bots­wana weiterhin erschossen werden sollen.

Weit­ge­hend unhin­ter­fragt blieb Masisis Argu­ment, dass die Elefan­ten­po­pu­la­tion nur dank der Trophä­en­jagd konstant bleibt und nicht explo­diert. In den letzten dreissig Jahren hat sich diese von 50’000 auf 130’000 erholt – wobei diese oft zitierten Zahlen bisweilen bestritten werden. Ebenso unhin­ter­fragt blieb, dass man Konflikte zwischen Menschen und Elefanten nur durch Schuss­waffen regeln kann.

Ökonomie der Trophäenjagd

Etwas Kontext: Noch in den 2000er-Jahren florierte der Jagd­tou­rismus in Bots­wana. Das Aushän­ge­schild der Indu­strie waren die Elefanten, auch wenn sie stati­stisch gesehen viel seltener erschossen wurden als etwa Impalas. Das CITES-Arten­schutz­ab­kommen gibt zudem vor, dass in Bots­wana nicht mehr als vier­hun­dert Elefanten pro Jahr erschossen und als Trophäe expor­tiert werden dürfen.

Schaut einmal zum Fenster raus, wahr­schein­lich seht ihr bald ein Tier. Sie sind die Mehr­heit der Bevöl­ke­rung. Doch in der Schweizer Medi­en­land­schaft werden sie meist igno­riert. „Animal Poli­tique“ gibt Gegen­steuer. Nico Müller schreibt über Macht­sy­steme, Medien, Forschung und Lobby­ismus. Und denkt nicht, es gehe immer „nur“ um Tiere. Ihre Unter­drückung hängt oft mit der Unter­drückung von Menschen zusammen. „Animal Poli­tique“, geschrieben von Tier­ethiker Nico Müller, macht das sichtbar.

Es kostet etwa 50’000 Franken, einen Elefanten zu erschiessen. Laut Behaup­tungen der Indu­strie bleiben etwa drei Viertel des Geldes in Bots­wana. Insge­samt machte die Trophä­en­jagd 2001 etwa 1.3 Promille des Brut­to­in­land­pro­dukts aus – nicht gerade der Wirt­schafts­motor, aber auch nicht ganz zu vernachlässigen.

Das entschei­dende Argu­ment für die Trophä­en­jagd war aller­dings nie, dass sie Bots­wana insge­samt ernährt. Sondern dass sie es ermög­licht, Geld in abge­le­genen und weniger schönen Gebieten zu verdienen, wo der übliche Öko- und Foto-Tourismus nicht funktioniert.

Entspre­chend gross war der Aufschrei 2014, als die Regie­rung des dama­ligen Präsi­denten Ian Khama die Trophä­en­jagd verbot. Weder wurde die lokale Bevöl­ke­rung einbe­zogen, noch gab es ausrei­chende Mass­nahmen, um finan­zi­elle Ausfälle auszu­glei­chen. Der Umstieg auf Foto­tou­rismus war harzig und gelang nur teilweise.

Eine Trophäe gilt als Zeichen erfolg­rei­cher Erobe­rung und Unter­wer­fung, und sie ist ein Erinnerungsstück.

Während­dessen gab es immer wieder Konflikte, weil Elefanten sich an Feldern bedienten, Gebäude beschä­digten oder im Extrem­fall auch Menschen verletzten oder töteten. Es gibt zwar durchaus Ansätze, um dies zu verhin­dern – zum Beispiel kann man Elefanten mit Stro­bo­licht oder dem Geruch verbrannter Chili­schoten von Feldern abhalten. Aber diese Lösungen sind weder perfekt noch flächen­deckend implementiert.

Das Trophä­en­jagd­verbot wurde laut Umfragen sehr negativ aufge­nommen und förderte Ressen­ti­ments gegen den Elefan­ten­schutz. Die meisten Anwoh­nenden hätten sich – verständ­li­cher­weise – eine Kompen­sa­tion gewünscht. Statt­dessen führte Masisi die Trophä­en­jagd 2019 kurzer­hand wieder ein.

Nun stört er sich daran, dass manche euro­päi­schen Länder ihrer­seits den Import von Jagd­tro­phäen strenger regeln wollen. Belgien hat bereits ein Verbot für Trophäen bedrohter Arten einge­führt, in Deutsch­land und Gross­bri­tan­nien wird darüber diskutiert.

Eine Trophäe gilt als Zeichen erfolg­rei­cher Erobe­rung und Unter­wer­fung, und sie ist ein Erin­ne­rungs­stück. Das ist alles witzlos, wenn man sie nicht nach Hause mitnehmen darf. Es drohen also wieder finan­zi­elle Einbussen für Botswana.

Neoli­be­raler Elefantenschutz

Der mitreis­sende Redner Masisi versteht es, die euro­päi­sche Presse für seine Botschaft zu nutzen. Dabei setzt er auf zwei Argu­mente, die auf rechte und linke Sensi­bi­li­täten zuge­schnitten sind.

Wie die meisten neoli­be­ralen Lösungen krankt auch diese daran, dass am Ende nur wenige profitieren.

Das ökono­mi­sche Argu­ment für die Trophä­en­jagd ist ein neoli­be­raler Fieber­traum. Nicht nur, weil der Arten­schutz laut diesem Argu­ment durch private statt öffent­liche Mittel finan­ziert werden soll. Nein, der gute Zweck soll sogar durch indi­vi­du­elle Laster erreicht werden – durch die Grau­sam­keit, den Grös­sen­wahn, das Geltungs­be­dürfnis der Reichen. Das ist gera­dezu symbo­lisch für ein rechts­li­ber­täres Welt­bild, in dem alles durch das freie Zusam­men­spiel indi­vi­du­eller Gier funk­tio­nieren soll.

Wie die meisten neoli­be­ralen Lösungen krankt aber auch diese daran, dass am Ende nur wenige profi­tieren. Selbst wenn 75 Prozent des gene­rierten Geldes in Bots­wana bleibt, heisst das noch lange nicht, dass es gewöhn­li­chen Anwoh­nenden zugu­te­kommt. Elefantenschützer*innen bemän­geln, dass für viele Jagdhelfer*innen bloss ein Hunger­lohn und etwas Elefan­ten­fleisch heraus­springt. Die Arten im Gebiet seien dann zwar geschützt, aber die Menschen darin lebten prekär.

Wer ist hier kolonialistisch?

Für die Linke offe­riert Masisi im glei­chen Atemzug ein anderes Argu­ment, nämlich eine vernich­tende mora­li­sche Kritik: Import­ver­bote seien „herab­las­send” und eine „Rück­kehr zu kolo­nialer Erobe­rung”. Es sei nicht an Europa zu bestimmen, wie Bots­wana seinen Arten­schutz finanziert.

Alles, was mit der Jagd in Afrika zu tun hat, basiert auf White Supremacy.”

Mordecai Ogada, Ökologe

Auch dieser Punkt blieb in der euro­päi­schen Presse ziem­lich unre­flek­tiert. Kaum ein Bericht machte sich die Mühe, neben Masisi noch eine andere Person aus einer ehema­ligen Kolonie nach ihrer Einschät­zung zu fragen. Dabei hat sich zum Beispiel der kenia­ni­sche Ökologe Mordecai Ogada, der in das Lamm bereits den Zürcher Zoo kriti­sierte, schon vor Jahren zum Zusam­men­hang von Trophä­en­jagd und Kolo­nia­lismus geäus­sert.

Alles, was mit der Jagd in Afrika zu tun hat, basiert auf White Supre­macy”, schreibt mir Dr. Ogada. „Dazu gehört auch ein Präsi­dent, der darüber jammert, dass Weisse nicht mehr vorbei­kommen und seine Elefanten töten wollen.” Es sei Masisi, der hier das kolo­nia­li­sti­sche Denken fördere.

Und was rät er euro­päi­schen Ländern – sollen sie Jagd­tro­phäen impor­tieren oder nicht? „Es ist völlig egal, was sie tun, solange sie über unsere Arten­schutz­po­litik und ‑praxis in Afrika den Mund halten.”

Auch die Schweiz erlaubt Importe

Da legt Dr. Ogada den Finger genau in die Wunde. Denn wenn Europäer*innen über den Import von Jagd­tro­phäen disku­tieren, spre­chen sie tatsäch­lich meistens darüber, welche Auswir­kungen er im Ursprungs­land hat. Als ob man den Arten­schutz über den Kopf der dortigen Regie­rung und Bevöl­ke­rung hinweg regeln könnte.

Das ist auch in der Schweiz nicht anders. In parla­men­ta­ri­schen Vorstössen, die Jagd­tro­phäen verbieten oder strenger regu­lieren wollen (etwa hier, hier und hier), dreht sich die Argu­men­ta­tion darum, wie sich die Trophä­en­jagd vor Ort auswirkt. Der Bundesrat sagt dann jeweils, dass solche Ange­le­gen­heiten besser inter­na­tional gere­gelt werden.

Man könnte Jagd­tro­phäen auch verbieten, weil wir es nicht dulden wollen, dass unsere Reichen in den Süden fliegen, um sich dort einen Spass aus Tier­quä­lerei zu machen.

Doch man könnte auch anders argu­men­tieren. Zum Vergleich: In der Schweiz gibt es bald ein Pelz-Import­verbot. Aber nicht, weil wir uns einbilden, dadurch die Tier­quä­lerei der finni­schen oder chine­si­schen Pelz­in­du­strie zu beenden. Der Grund ist viel­mehr schweiz­be­zogen: Wir wollen einfach nicht, dass etwas impor­tiert wird, dessen Herstel­lung bei uns zu Recht verboten ist. So argu­men­tierte zum Beispiel Natio­nalrat Matthias Aebi­scher (SP).

Man könnte Jagd­tro­phäen also auch verbieten, weil wir es nicht dulden wollen, dass unsere Reichen in den Süden fliegen, um sich dort einen Spass aus Tier­quä­lerei zu machen. Das ist in erster Linie inlän­di­sche Politik und völlig berechtigt.

Ergeben sich für Bots­wana dadurch ernst­hafte Einbussen, sollte die Schweiz und die inter­na­tio­nale Gemein­schaft mehr Unter­stüt­zung leisten. Denn wären uns die Elefanten wirk­lich wichtig, würden wir Bots­wana so unter­stützen, dass eine fried­liche Koexi­stenz der Spezies möglich ist. Und nicht nur genug, um vermeint­lich über­zäh­lige Elefanten abzuknallen.


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Berühmt und brotlos

Unsere Kolumnistin maia arson crimew ist "die berühmteste Hackerin der Schweiz". Ihre aktivistische und journalistische Arbeit schlug international grosse Wellen. Trotzdem lebt sie am Existenzminimum – und so wie ihr geht es vielen Berühmtheiten heutzutage.