Das besetzte Koch-Areal in Altstetten soll bekanntlich geräumt werden. Das eifrige Ausmerzen von Freiräumen in der Stadt Zürich wird freudig vorangetrieben und macht auch vor der letzten wirklich grossen Besetzung nicht halt.
Das neue sogenannte Koch-Quartier wurde von der abstimmungsberechtigten Bevölkerung abgesegnet und die Baufirmen stehen in den Startlöchern. Im Februar soll mit dem Rückbau des besetzten Kochs begonnen werden. Und die Stadt Zürich macht einen weiteren grossen Schritt in Richtung Minergie-Neubau-Paradies.
Die Allgemeine Baugenossenschaft Zürich (ABZ) baut einen 85-Meter-Turm mit viel Grün und Photovoltaik und was man halt sonst noch so macht (weisch wägem Kliiima).
Die Genoss*innenschaft Kraftwerk 1 freut sich auf ein Wohn- und Gewerbehaus mit ganz vielen innovativen Wohnkonzepten, darunter auch Räume im Rohbau, die von den neuen Bewohner*innen selbst ausgebaut werden dürfen (DIY und so – fast schon Bsetzivibes – ebe geil!).
Einfach dann nicht die guten Hosen anziehen und grusig aufpassen, dass der Bart nicht in die Tischfräse kommt, gell.
In den Rücken gefallen
Es ist doch einfach herzerwärmend, dass ausgerechnet die alte 80er-Gang vom Kraftwerk 1, die Bolo-Bolo-Jünger, die nostalgischen Alt-Revoluzzer*innen willfährig Hand bieten, einen der letzten Freiräume der Stadt zu verbauen. Man wird halt erwachsen. Ausserdem ist ja jetzt alles gut, das kann man mit damals nicht vergleichen!
Am so wunderbaren öko-sozialen, 2000-Watt-konformen „Quartier“ ist auch die Senn Development AG beteiligt, die in der Aufwertung von Altstetten auch andernorts mitmischt. So haben sie mit den Chef-Gentrifizierern von Herzog & de Meuron bereits am Lindenplatz ein Projektli am laufen.
„Wohnraum in Zürich ist knapp, bebaubare Fläche noch rarer. Genau dort setzt das Projekt an.“ Soll heissen: Wir holen uns, was in dieser Kack-Stadt verdammt noch mal noch zu holen ist. Laut eigener Website „entwickeln“ sie Altstetten. Ey, danke!
Dieselbe Firma erstellt auf dem Koch-Areal einen Gewerbebau namens MACH unter dem etwas komisch anmutenden Slogan MADE IM KOCH. Da können sich dann jene neuen Bewohner*innen mit dem nötigen Kapital gleich einmieten und, was weiss ich, irgend ein Second-Hand-Upcycling-Kleider-Label oder ein innovatives Depot-Kaffeebecher-App-Leihsystem aufbauen.
„Denn das MACH deckt das volle Spektrum des urbanen Produktivismus ab.“ Zugegeben, ich war nicht an der HSG, verzeiht, aber what the fuck ist „urbaner Produktivismus“? Eine Idee davon erhält man auf der MACH-Website, da gibt’s Bildli mit Velos, Roboterarmen oder Grossraumbüro-Lounges. Industriechic. Pure Inspiration.
Wir sind noch nicht fertig
Derweil besteht die Notwendigkeit der Erschaffung und Verteidigung von Freiräumen in den immer exklusiveren Städten der Schweiz nicht nur, sie nimmt stetig zu. Der Widerstand gegen die Zerstörung dieser Räume beschränkt sich nicht aufs Koch-Areal und wird auch nach dessen (eventueller) Räumung nicht einfach verschwinden.
In den letzten Monaten wurden wieder vermehrt Häuser in Zürich besetzt. Mitte Oktober fand eine erste Demonstration gegen die drohende Räumung des Koch-Areals statt. Es werden sicher nicht die letzten Aktionen gewesen sein.
Und den neuen Start-ups und sonstigen Business im zukünftigen MACH sei an dieser Stelle vor allem eines empfohlen: eine gute Glasbruch-Versicherung.
Dieser Text wurde in leicht abgewandelter Form zuvor in der Fabrikzeitung publiziert.
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