1. Vereinfacht die Frist(en)!
Ja gopferdammi, wer kommt denn da noch draus: Wie ungefähr alles in der Schweiz ist das Bürgerrecht dreistufig gegliedert: in Gemeinde‑, Kantons- und Staatsbürgerschaft. Und natürlich gelten je nach Kanton und Gemeinde unterschiedliche Fristen, nach denen man zum Einbürgerungsverfahren zugelassen ist. Erlangen kann man die drei Bürgerrechte allerdings nur zusammen. Alles klar?
In der Realität sieht das dann so aus: Zwölf Jahre muss man in der Schweiz gelebt haben, bevor man die Einbürgerung beantragen kann (ab 2018: zehn Jahre). Dazu kommen zwei bis acht Jahre, die man im selben Kanton gewohnt haben muss (jeder Kanton regelt das anders) – und eine zusätzliche Anzahl Jahre in derselben Gemeinde. Wie hoch diese Anzahl Jahre ist, legt die Gemeinde selber fest. Ausserdem dürfen die Gemeinden fast beliebige Zusatzbedingungen definieren beziehungsweise erfinden, wie zum Beispiel eine höhere nationale Frist oder eine Zeit, die ununterbrochen in der Gemeinde gelebt wurde. So verlangt Dübendorf stolze 15 Jahre Schweiz, zwei davon in der Gemeinde.
Die extremen Unterschiede, die durch diese grossen Freiheiten der Gemeinden entstehen, sind unfair. Zudem ist es schlicht nicht mehr zeitgemäss, dass man in der heutigen ultramobilen Gesellschaft eine bestimmte Anzahl Jahre im gleichen Ort gelebt haben muss, damit man sich in der Schweiz einbürgern kann.
Und wenn wir schon dabei sind: Zwölf (und auch zehn Jahre) sind eine halbe Ewigkeit, wenn man bedenkt, dass es ja noch einige weitere Bedingungen gibt. Die meisten europäischen Länder verlangen heute bloss fünf Jahre.
Unser Vorschlag: Fünf Jahre Schweiz und dann basta: Man wird zum Verfahren zugelassen, egal, ob man in diesen fünf Jahren in fünf Gemeinden gewohnt hat oder in ein und demselben Dorf.
2. Unnötige Hindernisse abbauen und vor allem nicht aufbauen
Stell dir vor, du erfüllst all diese komplizierten Fristen, klingst wie der Zürcher oder die Thurgauerin schlechthin und kannst dich trotzdem nicht einbürgern lassen. Ab 2018 kann dieser Fall eintreten. Denn mit der Totalrevision des Bürgerrechtes wird eine Niederlassungsbewilligung (C‑Ausweis) zur Bedingung, damit man sich um die Staatsbürgerschaft bewerben kann. Für einen C‑Ausweis muss man zehn Jahre ununterbrochen in der Schweiz gelebt haben.
Die Änderung betrifft dann auch ehemalige Flüchtlinge, die nur vorläufig aufgenommen wurden und seit zehn Jahren auf einen definitiven Entscheid warten (ja, es ist wirklich möglich, genug lange diesen Status zu haben, um die Fristen zu erfüllen, und ja, das ist an sich schon problematisch) – und vor allem deren Kinder. Über diese Gruppe steht heute im Handbuch Bürgerrecht:
Der Umstand, dass sie kein anderes Aufenthaltsrecht in der Schweiz besitzen, ändert nichts daran, dass sie nach einem langjährigen Aufenthalt intensive, tatsächliche Beziehungen zu unserem Land geknüpft haben, die im Rahmen der Erteilung der eidgenössischen Einbürgerungsbewilligung zu berücksichtigen sind.
Kann ich nicht schöner formulieren, gehört nicht geändert.
Unser Vorschlag: Für einmal den Status quo beibehalten. Sprich: Wer alle Fristen erfüllt, soll sich einbürgern lassen können. Die Art der Bewilligung soll kein Hindernis auf dem Weg zum roten Pass sein.
3. Bürger-Vote must go
Habe ich nicht auch ein bisschen gelacht, als Kuh- und Kirchglockenverbieterin Nancy Holten an der Gemeindeversammlung von Gipf-Oberfrick das Bürgerrecht verwehrt wurde, weil Nervensäge? Sicher. Tut mir ihr Gesäusel in den Ohren weh? Absolut. Sollte man sie deshalb nicht einbürgern? Nein.
Wären nur Leute, die mich nicht nerven, Schweizerinnen und Schweizer, könnten wir nationale Landsgemeinden auf dem Bürkliplatz abhalten. Einbürgerung via Volksentscheid ist, wie wenn man sich in der Schule bei Vorträgen gegenseitig Noten geben musste. Jeder weiss, dass manche von vornherein einfach einen schlechteren Stand in der Klasse haben als andere und absolut nichts dagegen machen können. Trotzdem ist es in der Schweiz noch in vielen Gemeinde üblich, über Einbürgerungsgesuche die Gemeinde abstimmen zu lassen.
Das ist falsch. Ob jemand eingebürgert wird, soll von rationalen Kriterien abhängen. Ein persönliches Schicksal darf nicht vom „Volk“ bestimmt werden.
Kann der Typ ja umziehen, werden selbsternannte Volkswillen-Verfechterinnen und ‑Verfechter anmerken. Aber eben, siehe Punkt 1, so einfach ist das nicht mit dem Umziehen und Einbürgern.
Unser Vorschlag: Abstimmungen über Einbürgerungen abschaffen.
4. Was sind wirkliche Kriterien?
Wann fand in der Schweiz der letzte landesweite Generalstreik statt? Wer war Bruder Klaus? Wofür ist Arnold Winkelried bekannt? — Du kennst die Antworten nicht? Du unwürdiger Eidgenosse, du. Ich bin für Sprachanforderungen bei der Einbürgerung. Aber der Schweizer Wissenstest ist einfach ein wenig hirnrissig.
Unser Vorschlag: Den Wissenstest ersatzlos zu streichen wäre eine Idee; ihn durch etwas Sinnvolleres zu ersetzten eine andere: 2015 ertranken in der Schweiz 50 Menschen, disproportional viele davon waren AusländerInnen oder hatten einen Migrationshintergrund. Wieso nicht eine Einbürgerung als Möglichkeit nutzen, den NichtschwimmerInnen unter den BewerberInnen beizubringen, wie man nicht ertrinkt? Ein Seepferdli-Abzeichen bringt mehr im Schweizer Alltag als Bruder Klaus.
5. Gleichstellung eingetragener Partnerschaften mit der Ehe
Ehe und eingetragene Partnerschaft sind gleichberechtigt? Stimmt nicht in jedem Lebensbereich. Zum Beispiel nicht bezüglich der geltenden Regeln für die Einbürgerung. Zwar ist die nationale Frist in beiden Fällen auf fünf Jahre verkürzt. Nach diesen fünf Jahren ist für den Ehepartner eines Schweizers oder einer Schweizerin aber eine erleichterte Einbürgerung möglich, während eingetragene PartnerInnen den normalen Prozess durchlaufen müssen.
Das Parlament hat zwar im letzten Jahr (gegen den Widerstand der SVP) entschieden, dies zu ändern. Die Änderung ist jetzt allerdings blockiert, weil Uneinigkeit herrscht, ob es für diese Anpassung einer Verfassungsänderung bedarf. Zudem will das Parlament die Änderung erst umsetzten, wenn die „Ehe-für-Alle“-Frage geklärt ist. Und das wird noch eine Weile dauern.
Unser Vorschlag: Vereinfachte Einbürgerung auch für eingetragene Partner von SchweizerInnen. Nicht erst in zehn Jahren, bitte.
Journalismus kostet
Die Produktion dieses Artikels nahm 18 Stunden in Anspruch. Um alle Kosten zu decken, müssten wir mit diesem Artikel CHF 1196 einnehmen.
Als Leser*in von das Lamm konsumierst du unsere Texte, Bilder und Videos gratis. Und das wird auch immer so bleiben. Denn: mit Paywall keine Demokratie. Das bedeutet aber nicht, dass die Produktion unserer Inhalte gratis ist. Die trockene Rechnung sieht so aus:
Wir haben einen Lohndeckel bei CHF 22. Die gewerkschaftliche Empfehlung wäre CHF 35 pro Stunde.
CHF 630 → 35 CHF/h für Lohn der Schreibenden, Redigat, Korrektorat (Produktion)
CHF 306 → 17 CHF/h für Fixkosten (Raum- & Servermiete, Programme usw.)
CHF 260 pro Artikel → Backoffice, Kommunikation, IT, Bildredaktion, Marketing usw.
Weitere Informationen zu unseren Finanzen findest du hier.
Solidarisches Abo
Nur durch Abos erhalten wir finanzielle Sicherheit. Mit deinem Soli-Abo ab 60 CHF im Jahr oder 5 CHF im Monat unterstützt du uns nachhaltig und machst Journalismus demokratisch zugänglich. Wer kann, darf auch gerne einen höheren Beitrag zahlen.
Ihr unterstützt mit eurem Abo das, was ihr ohnehin von uns erhaltet: sorgfältig recherchierte Informationen, kritisch aufbereitet. So haltet ihr unser Magazin am Leben und stellt sicher, dass alle Menschen – unabhängig von ihren finanziellen Ressourcen – Zugang zu fundiertem Journalismus abseits von schnellen News und Clickbait erhalten.
In der kriselnden Medienwelt ist es ohnehin fast unmöglich, schwarze Zahlen zu schreiben. Da das Lamm unkommerziell ausgerichtet ist, keine Werbung schaltet und für alle frei zugänglich bleiben will, sind wir um so mehr auf eure solidarischen Abos angewiesen. Unser Lohn ist unmittelbar an eure Abos und Spenden geknüpft. Je weniger Abos, desto weniger Lohn haben wir – und somit weniger Ressourcen für das, was wir tun: Kritischen Journalismus für alle.
Einzelspende
Ihr wollt uns lieber einmalig unterstützen?