„Die Strategie, die Pandemie zu kontrollieren, ist gescheitert”, schreiben die Initiant:innen der am Mittwoch lancierten ZeroCovid-Initiative in ihrem Appell. Sie fordern einen „radikalen Strategiewechsel” und einen sofortigen europaweiten Lockdown in allen Bereichen der Wirtschaft. Zurecht.
Die Idee des deutsch-österreichisch-schweizerischen Bündnisses ist zwar nicht neu – ihr Anliegen drängt jedoch wie nie zuvor. Bis jetzt konzentrierten sich die europäischen Staaten lediglich darauf, den kompletten Zusammenbruch der Gesundheitssysteme zu verhindern. Das ist zwar wichtig, aber eben auch nur Pflästerli-Politik, die in ihrem vermeintlich objektiven Abwägen bereits Hunderte von Toten in Kauf genommen hat.
Die Schweiz kann Corona nicht
Auch die Schweiz scheitert in ihrer Pandemie-Politik auf ganzer Linie: Die Schliessung aller Läden für „Güter des nicht-täglichen Gebrauchs” ist erst für kommenden Montag vorgesehen. Und das, obwohl die Zahlen der Erkrankten und Toten schon seit Monaten wieder enorm sind. Doch bis vor zwei Wochen meinte der Bundesrat noch, dass „die für eine Verschärfung festgelegten Kriterien nicht erfüllt” seien. Dass es sich nur um eine Scheinwahl halten kann, wenn die Betriebe in ihrer ganzen persönlichen Freiheit entscheiden sollen, wann ihre Schliessung angebracht wäre, während sie gleichzeitig unter Profitzwang leiden, müsste allen längst klar sein.
Doch bislang wurde anstelle einer konsequent solidarischen Umstrukturierungen die Verantwortung vor allem ins Private verschoben. „Maßnahmen können nicht erfolgreich sein, wenn sie nur auf die Freizeit konzentriert sind, aber die Arbeitszeit ausnehmen”, steht in der Initiative.
Statt systematischen Massnahmen zum Wohle aller wurden solche verhängt, die in erster Linie das Kapital grosser Firmen sichern. „Die Wirtschaft retten”, heisst es dann. Shoppen und Schaffen – das sei den Leuten noch gegönnt. Wir können uns aber weder freishoppen noch gesundarbeiten. Und wir werden es nicht alleine durch die Pandemie schaffen. Für systematische Probleme gibt es keine individuellen Lösungen.
Schliesst die Schweiz
Ein solidarischer Shutdown würde bedeuten, dass alles geschlossen und gleichzeitig für das Wohl aller gesorgt würde. Das stets gepredigte Zuhausebleiben ist nämlich nur dann möglich, wenn die nötigen Sicherheitsnetze installiert und wir gemeinsam von dem Arbeitszwang befreit werden.
Das ist auch, was die Initiative ZeroCovid fordert: Um die Ansteckungen auf null zu reduzieren, müssen Länder und Regionen an einem Strang ziehen. Um das zu ermöglichen, sei ein „umfassendes Rettungspaket” nötig, wobei die am härtesten Betroffenen besonders unterstützt werden müssten.
Das hiesse zum Beispiel, dass wir uns auf Menschen in beengten und gewalttätigen Wohnverhältnissen konzentrieren, die Betreuungs- und Sorgearbeiter:innen entlasten, Menschen von der Strasse und aus den Lagern befreien würden. Auch der nachhaltige Ausbau der sozialen Gesundheitsstruktur wäre gefragt – was zum Beispiel die Erhöhung aller Löhne im Gesundheitswesen und die Eliminierung des Profitstrebens bedeuten würde. Auch die Impfstoffe müssten der privaten Profiterzielung entzogen und als globales Gemeingut gehandhabt werden.
Diese solidarischen Massnahmen und die Befreiung vom Arbeit- und Profitzwang wären durchaus umsetzbar. Sie wären finanzierbar, denn Reichtum gibt es auf der Welt genug. In Europa erst recht. Die Schweizer Nationalbank zum Beispiel erzielte im Pandemiejahr satte 21 Milliarden Franken Gewinn. Doch solange selbst in der Pandemie das unermessliche Schöpfen von Profiten als persönlicher Erfolg einiger Giganten verstanden wird und sie nicht zur Kasse gebeten werden, solange besteht auch kein ernsthaftes Interesse daran, diese Pandemie zu überwinden.
„Wir müssen die gesellschaftlich nicht dringend erforderlichen Bereiche der Wirtschaft für eine kurze Zeit stilllegen”, steht im Appell. Doch bisher geschah das Gegenteil: Es sind jene Mitglieder der Gesellschaft, die für die Wirtschaft als nicht relevant genug angesehen werden, die nun für immer still liegen.