Zürich, Februar 2018. Vor mir liegt das Fairphone. Das scheinbar ethischste Telefon auf dem Markt. „Change is in your hands“ – der Slogan steht auf der Kartonverpackung, erscheint beim ersten Einschalten auf dem Bildschirm, liest sich auf der herausnehmbaren Batterie. Ich lade das Telefon auf und der Bildschirm zeigt eine kleine Landkarte der Demokratischen Republik Kongo – Zinn und Wolfram sind darauf verzeichnet. „Change is in your hands.“ Fühlt sich ganz gut an.
Die Schweiz hat laut dem Unternehmen die höchste Fairphone-Dichte der Welt: Jedes zehnte Fairphone wandert zwischen dem Rhein und dem Lago Maggiore über den Ladentisch. Genau wie ich scheinen hier viele ein Telefon besitzen zu wollen, das etwas über ihre Werte aussagt. Ein Handy, das zeigt, dass es ihnen nicht egal ist, woher die über 30 Mineralien kommen, die darin verbaut sind.
Dass die Rohstoffe aus konfliktfreien Minen stammen, ist bei Fairphone nur eines von vier Versprechen. Auch faire Arbeitsbedingungen für die chinesischen Fabrikarbeiter:innen, modulares Design zum Auswechseln von defekten Einzelteilen, Recycling und Kreislaufwirtschaft schreibt sich die niederländische Firma auf die Fahne.
Zu Beginn von Fairphone stand aber die Herkunft der Rohstoffe im Zentrum. Nachdem die Gründer:innen eine Sensibilisierungskampagne gegen Konfliktmineralien in Elektronikgeräten lanciert hatten, begannen sie 2013, ihr eigenes Telefon herzustellen. Ein Telefon, das Mensch und Planet vor Profit setzen soll, so die Mission.
Schnell mussten sie jedoch realisieren: Es ist nicht möglich, ein 100 Prozent faires Telefon herzustellen. Sie kommunizierten daraufhin den Anteil der fairen Rohstoffe in ihrem Smartphone und die Absicht, diesen laufend zu erhöhen. Das Fairphone 2, das ich mir damals gekauft hatte, besteht aus 25 Prozent fairen Materialien. Ein Beginn, dachte ich, und wollte Fairphone unterstützen, mit jedem verkauften Telefon ihre Lieferkette zu verbessern.
Doch als ich zwei Jahre später während einer Recherche zu Menschenrechtsverletzungen um eine Zinnmine im Ostkongo herausfand, dass sich genau diese auch in Fairphones Lieferkette befindet, wollte ich mehr wissen. Was genau macht Fairphone anders als Apple oder Samsung?
Konfliktfreies Zinn
Amsterdam, November 2013. Fairphone-Gründer Bas van Abel steht für einen TED Talk auf der Bühne. Die Leinwand über ihm zeigt einen Kühlschrank mit Tupperware und Pfirsichen. Mittendrin steht ein Plastiksack mit einem Post-it versehen: „Konfliktfreies Lötzinn – bitte nicht essen.“ Van Abel zeigt auf sein Fairphone und erzählt von seinem Mitarbeiter in China: „Er hat dieses Lötzinn, das wir aus einer Mine im Kongo bezogen haben, persönlich gekühlt, um sicherzustellen, dass es in der Fabrik für diesen Prototyp verwendet wird.“
Als das Problem der Konfliktmineralien vor knapp zehn Jahren öffentlich bekannt wurde, haben die meisten Technologieunternehmen die Rückverfolgung von Rohstoffen bis zu den Minen Afrikas als Unmöglichkeit dargestellt – zu komplex und intransparent sei die Produktionskette. Dabei wäre der Ursprungsort bei den Konfliktmineralien, zu denen nebst Zinn auch Tantal, Gold und Wolfram zählen, entscheidend: Denn der handwerkliche Abbau dieser Mineralien würde bewaffnete Gruppen im Kongo finanzieren und viel Leid verursachen – so das Narrativ.
Ohne Zinn würde aber mein Smartphone nicht funktionieren. Als graue dicke Lötpaste wird es auf die Leiterplatte – das Herzstück meines Smartphones – aufgetragen, um Bauteile wie Widerstände oder Schaltkreise darauf zu verkleben. Das Lötzinn lässt die Elektronen fliessen und garantiert, dass die verschiedenen Komponenten überhaupt miteinander kommunizieren können.
Das Zinn für diese Funktion in meinem Telefon kommt aus dem Kongo. Denn anders als viele Unternehmen hat Fairphone der Region nicht einfach den Rücken gekehrt, als der Öffentlichkeit damals klar wurde, dass potentiell schmutzige Rohstoffe in ihre Handys gelangen. Vielmehr wollte Fairphone hinschauen und Verbesserungen bewirken.
Denn im Gegensatz zum industriellen Bergbau, wie ihn Grosskonzerne wie Glencore betreiben, schafft der handwerkliche Abbau viele Arbeitsplätze. Schätzungsweise eine Million Kongoles:innen verdienen damit ihren Lebensunterhalt. Diese Beschaffungsphilosophie von Fairphone hatte mich überzeugt.
Direkt an die Quelle
Nyabibwe, Februar 2013. Zusammen mit Vertreter:innen der Elektronikkonzerne Philips und Motorola ist van Abel von Fairphone Teil einer Delegation der Conflict Free Tin Initiative im Ostkongo. Ihr Ziel ist die Kalimbi-Mine, in der Bergbauarbeiter:innen Zinnerz abbauen.
Die Delegation wird von Jaime de Bourbon Parme geleitet, einem niederländischen Prinzen, der als Sonderbeauftragter für natürliche Ressourcen sein Aussenministerium repräsentiert. Auf Fotos der Medienberichte inspiziert der Prinz gemeinsam mit van Abel eine Ladung Kassiterit – das schwarz bis grau-braun glänzende Erz aus Zinnoxid. Der Sack mit dem Kassiterit ist mit einem Strichcode-Etikett versehen.
„We go straight to the source“, wir gehen direkt an die Quelle, kommuniziert Fairphone seit diesem Besuch der Kalimbi-Zinnmine. Denn mittels eines Systems, das einzelne Säcke von Mineralien mit Strichcode-Etiketten nummeriert und in einer Datenbank aufzeichnet, gelangt das als „konfliktfrei“ validierte Zinnerz über eine Zinnschmelze in Malaysia und einen Lötpastenhersteller in Indien bis zur chinesischen Fabrik, in der das Fairphone zusammengesetzt wird. Die Delegation musste sich dieses System nicht selbst ausdenken, sondern konnte nutzen, was bereits existierte: die International Tin Supply Chain Initiative (ITSCI).
Die International Tin Supply Chain Initiative (ITSCI) wurde 2011 von der International Tin Association als Reaktion auf das Quasi-Embargo von Konfliktmineralien ins Leben gerufen. Es validiert handwerkliche Minen als „konfliktfrei“ und gewährleistet die Rückverfolgung von Rohstoffen aus Zentralafrika.
„Wir waren das erste Elektronikunternehmen, das Material aus einer konfliktfreien Mine im Kongo in die Lieferkette integriert hat“, sagt Monique Lempers acht Jahre später gegenüber das Lamm. Sie ist Impact Innovation Director bei Fairphone und dafür verantwortlich, dass der Anteil an fairen Mineralien in ihren Telefonen stetig ansteigt. Doch auch andere Elektronikunternehmen haben das Zinn der ersten Ladung der Conflict Free Tin Initiative in ihre Lieferkette integriert. Zum Beispiel hat Philips damit eine Starthilfe für Leuchtstofflampen hergestellt.
Und es gibt noch mehr Ungereimtheiten. Erstaunt stelle ich im Laufe meiner Recherche fest, dass es die Conflict Free Tin Initiative gar nicht mehr gibt. Und trotzdem verweist Fairphone weiterhin auf die angebliche Rückverfolgbarkeit ihrer Lieferkette – etwa in Blogposts vom Mai und Juni 2020. Auch in Medienberichten oder der Vermarktung der Fairphones 3 und 4 wird die Conflict Free Tin Initiative erwähnt. Doch die hat bereits 2014 aufgehört zu existieren.
Weshalb brüstet sich Fairphone noch immer mit dieser Initiative? Die Antwort kommt schriftlich: „Die Conflict Free Tin Initiative war ein Pilotprojekt, das zeigen sollte, dass rückverfolgbares konfliktfreies Zinn aus dem Kongo auf den Markt gebracht werden kann. Da das Pilotprojekt erfolgreich war, wurde es enorm ausgeweitet und brauchte daher in seiner ursprünglichen Form nicht mehr zu existieren.“
Also steckt das Zinn aus der Kalimbi-Mine nun doch noch in meinem Fairphone?
Ade physisch rückverfolgbare Lieferkette
Butterworth, Juli 2015. Auf einer Fabrikfläche direkt am Hafen der malaysischen Stadt sind sechs Flammöfen in Betrieb: Seit 1901 wird hier Zinnkonzentrat auf bis zu 1450 Grad Celsius erhitzt und das Zinnmetall aus seinem Erz gelöst. Die rotglühende Metallmasse fliesst aus den Öfen, bevor sie in Zinnbarren gepresst oder zu Zinnpulver verfeinert wird.
Auch das Zinn aus Kalimbi landete in dieser Fabrik. Nun wurde es beim Schmelzprozess mit Zinn aus aller Welt vermischt und an alle möglichen Abnehmer:innen verteilt. An Apple und Samsung genauso wie an Fairphone. Denn mit der Herstellung des Fairphone 2 und der Auflösung der Conflict Free Tin Initiative wurde die zuvor vom Zinnerz bis zur Zinnlötpaste separat gehaltene Produktionslinie ins ITSCI-System überführt.
Auch ITSCI gewährleistet die Rückverfolgbarkeit von Rohstoffen aus zentralafrikanischen Minen – jedoch nur bis zu den Schmelzöfen. Das heisst: Was Fairphone-Gründer van Abel seinem TED-Talk-Publikum 2013 in Amsterdam verkündete, funktionierte bereits 2014 nicht mehr. Fairphone kann nicht mehr sagen, wie viel Zinn aus der Kalimbi-Mine oder dem ITSCI-Programm tatsächlich in ihren Telefonen landet, wenn überhaupt. Dies ist bei Massenbilanzmodellen von Lieferketten aber immer der Fall – solange die eingespeiste Menge des zertifizierten Materials dem entspricht, was schlussendlich verwendet wird. So funktionieren auch Initiativen wie Fairtrade Gold, Fairtrade Orangensaft oder Ökostrom.
Das ist zwar schade, hat aber durchaus nachvollziehbare Gründe. Denn die physische Trennung des Zinns auf jeder Stufe der Lieferkette, also beim Transport, beim Handel, bei der Lagerung und schlussendlich bei der Verarbeitung, war logistisch kaum umsetzbar und kommerziell nicht tragbar. Zu wenig und zu unreines Zinnerz wurde unter der damaligen Conflict Free Tin Initiative aus der Kalimbi-Mine herausgeholt, um dafür extra die riesigen Schmelzöfen in Malaysia laufen zu lassen.
ITSCI gewährleistet also zwar keine physische Rückverfolgbarkeit, konnte sich aber wohl auch deswegen ausweiten. Macht Sinn, finde ich. Doch in dem Moment, in dem ich mich beruhigt zurücklehnen will, stolpere ich über die nächsten Fragen.
Finde den Unterschied
Zürich, April 2021. Auf meinem Laptop öffne ich Fairphones Liste von Unternehmen, die Rohstoffe und Bauteile für das damals neueste Modell lieferten. 239 Schmelzen und Raffinerien kann Fairphone auf dieser Liste ausweisen. 239 Orte, an denen Zinn, Wolfram, Tantal und Gold für das Fairphone verarbeitet werden. Für US-Unternehmen ist es seit 2010 Pflicht, die Schmelzen und Raffinerien in ihrer Lieferkette aufzulisten. Für europäische Unternehmen wurde dies erst verbindlich mit der EU-Konfliktmineralienverordnung, die seit Januar 2021 in Kraft ist.
Dass auch Apple oder Samsung diese Daten zur Verfügung stellen, lädt zu einem Vergleich ein – und dieser überrascht: Denn offensichtlich unterscheiden sich die Bezugsquellen von Zinn für das iPhone kaum von denen für das Fairphone. Apple gibt in seiner Liste 54 Schmelzhütten an, Fairphone 51. Diese 51 Zinnschmelzen kommen in beiden Listen vor. Auch mit Samsung teilt sich Fairphone 51 Zinnschmelzen.
Ich bin perplex: Wie bitte kann mein Fairphone fairer sein als ein normales Samsung oder iPhone, wenn das Zinn aus denselben Schmelzen stammt?
Man kann sich die Lieferkettenwelt der Smartphones ein bisschen wie eine Sanduhr vorstellen. In diesem Sanduhr-Modell bilden Schmelzen und Raffinerien die engste Stelle und damit eine gut identifizierbare Gruppe von Akteur:innen. Deshalb sind sie auch am einfachsten zu kontrollieren. Wie die meisten Elektronikunternehmen verlässt sich auch Fairphone auf ein Kontrollprogramm, den Responsible Minerals Assurance Process (RMAP), das die Beschaffungspraxis von Schmelzen und Raffinerien bewertet.
Der Responsible Minerals Assurance Process (RMAP) ist ein von der Responsible Minerals Initiative (RMI) verwaltetes Kontrollprogramm, dass die Rohstoffbeschaffung von Schmelzen und Raffinerien durch unabhängige Kontrollfirmen überprüft.
In Zusammenarbeit mit ITSCI und anderen Konfliktfrei-Initiativen gewährleistet das Programm den Endverbraucher:innen, dass sie keine Konfliktmineralien in ihren Produkten haben.
Die Responsible Minerals Initiative (RMI) listete im Juni 2019 gesamthaft 83 Zinnschmelzen auf. 72 davon haben am RMAP teilgenommen. Sechs wurden als nicht konform beurteilt. Im November 2021 haben von gesamthaft 80 Zinnschmelzen 67 am RMAP teilgenommen, bislang wurden nur 54 davon als konform und somit als konfliktfrei eingestuft. Die Zahl der konformen Zinnschmelzen sei wegen Verzögerungen der Kontrollen durch die COVID-Pandemie aktuell vergleichsweise niedrig, so die RMI auf Anfrage von das Lamm.
Was festzuhalten ist: Bei dieser relativ kleinen Anzahl von Zinnschmelzen mit einer grundsätzlich sehr hohen Konformität überrascht es nicht, dass Apple, Samsung und Fairphone über beinahe identische Lieferketten verfügen. Durch die RMAP beziehen sie alle – indirekt über die Komponentenhersteller:innen – als konfliktfrei deklariertes Zinn von denselben Schmelzen. Dies gilt auch für Gold, Tantal und Wolfram.
Monique Lempers von Fairphone kann aber erklären, wie sie ihr Zinn nichtsdestotrotz, anders als Apple oder Samsung, hauptsächlich aus konfliktfreien handwerklichen Minen aus dem Kongo beziehen: „Wir haben die Komponenten identifiziert, in welchen Zinn gebraucht wird und haben herausgefunden: Die Lötpaste macht 90 Prozent des Zinns in unseren Handys aus.“
Die benötigte Menge Zinnkonzentrat für Fairphones Lötpaste wird von einem Händler als ITSCI-Material in die Schmelze eingespeist und nach der Verarbeitung an den Lötpastenhersteller weiterverkauft. Via Massenbilanzmodell und durch die Identifikation des Anteils der Lötpaste kann Fairphone ihren kommerziellen Anspruch also geltend machen.
Diese Frage scheint geklärt. Doch wie fair sind die 90 Prozent ITSCI-Material wirklich?
Fragliche 90 Prozent
Universität Zürich, Juli 2019. Christoph Vogel vom Geographischen Institut erhält für seine Doktorarbeit eine Auszeichnung. Seine Forschung fokussierte auf die Auswirkungen von ITSCI im Ostkongo. Er kam zum Schluss: Das industriegeführte Rückverfolgbarkeitssystem dient vor allem als Preiskontroll- und Monopolisierungsinstrument.
ITSCI kontrolliert mittlerweile rund 95 Prozent des handwerklich abgebauten Zinns, Tantals und Wolframs aus dem Kongo, Burundi, Ruanda und Uganda. Das Programm wird zu mehr als 90 Prozent über eine Mineralgewinnabgabe finanziert, die bei den internationalen Händler:innen erhoben wird. Die Handelsverträge sollten dafür sorgen, dass die Abgabe fair über die ganze Lieferkette aufgeteilt wird.
Doch tatsächlich sind es die Bergleute, die den höchsten Preis dafür bezahlen, dass sie ihre Mineralien mit dem Etikett „konfliktfrei“ verkaufen dürfen. Denn die von ITSCI geforderte Abgabe für jede Tonne Zinn wird vorwiegend vom Verkaufspreis abgezogen, den die Händler:innen den Bergleuten bezahlen. Dies legt auch eine neuere Studie der Universität Antwerpen dar. Die Einhaltung der Sorgfaltspflicht von Firmen wie Apple oder Fairphone wird finanziell also in erster Linie auf die Bergleute abgewälzt.
Freiwillig beteiligen sich die Endverbraucher:innen gerade einmal mit einem Prozent der Kosten am Programm. Beispielsweise zahlen HP, Intel, Motorola oder Apple je einen Mitgliederbeitrag von jährlich 7500 US-Dollar an ITSCI, um die unverhältnismässig starke Kostenlast für die Bergleute zu verringern. Sie unterstützen die Initiative direkt, obwohl sie wie Fairphone nicht wissen, ob oder wieviel ITSCI-Material tatsächlich in ihren Geräten landet.
Fairphone tut das nicht. Aufgrund der geringen Grösse und begrenzter Ressourcen sei das Unternehmen kein zahlendes Mitglied, heisst es gegenüber das Lamm. Fairphone verweist zudem auf die zusätzlichen Betriebskosten, welche entstehen, weil sie ihre Massenbilanz aus konfliktfreien Zinnminen beziehen und für das Thema sensibilisieren.
Überspringe die Lieferkette
Amsterdam, April 2021. Abgehakt ist das Thema Zinn bei Fairphone aber nicht: „Wir haben den nächsten Schritt von konfliktfreiem zu sogenannt fairem Zinn identifiziert“, erklärt Monique Lempers. In den nächsten drei Jahren, sagt sie, wird das Unternehmen Initiativen rund um Zinn unterstützen, die sich auch mit sicheren Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit und fairen Einkommen beschäftigen.
Solche Initiativen sind in der Branche gängige Praxis: Ohne zu wissen, ob sie deren Material wirklich in ihren Lieferketten haben, investieren Elektronikunternehmen in Programme, die zu besseren Bedingungen in einzelnen Minen beitragen sollen. Fairphone war unter anderem an der Gründung der Fair Cobalt Alliance oder der Uganda Gold Partnership beteiligt.
Die Kalimbi-Mine selbst hat Fairphone seit einer zweiten Besichtigung 2015 nicht mehr besucht, geschweige denn in sie investiert, obwohl dies in einer Evaluation der Conflict Free Tin Initiative als weiterer möglicher Schritt vorgeschlagen wurde. Stattdessen plant die Firma mit ‚Fair Tin‘ wohl ein neues Prestigeprojekt, das sich zwar auf verbesserte Bedingungen in einer oder zwei Minen konzentriert, aber die notwendigen strukturellen Veränderungen aussen vor lässt. Wie Apple oder Intel zahlendes Mitglied bei ITSCI zu sein, scheinen die Fairphonemacher:innen weniger sexy zu finden, als sich als Vorreiter:in einer neuen Fairtrade-Initiative präsentieren zu können.
Jedenfalls brauchen Endverbraucher:innen keine physisch rückverfolgbaren Lieferketten, um in Programme vor Ort zu investieren. Doch was bedeutet es, wenn sie schlussendlich alle über Listen verfügen, die lediglich aussagen, dass sie Rohstoffe aus denselben Schmelzen und Raffinerien verwenden?
Teil 2 dieser Serie führt an einen Konflikt um eine industrielle Mine im Kongo. In Gesprächen mit ehemaligen Bergleuten und Menschenrechtsaktivist:innen wird das Lamm noch tiefer in die Rohstoffwelt eintauchen und Responsible-Mining-Zertifikate um einen wichtigen Zulieferer von Fairphone genauer unter die Lupe nehmen.
„Es ist kein Geheimnis: Wir wollen die Welt verändern. Fairphone stellt Mensch und Umwelt an erste Stelle.“ Mit diesem Anspruch will Fairphone nun schon seit bald zehn Jahren die Geschäftswelt der Smartphones revolutionieren. Anfang Oktober 2021 ist ihr viertes Fairphone-Modell erschienen. Kann dieses Telefon wirklich eine fairere Welt schaffen?
In einer vierteiligen Serie geht das Lamm dieser Frage nach.
Teil 1: Fairphones Zinnlieferkette: Different but same
Teil 2: Wenn Zertifikate Menschenrechtsverletzungen vertuschen
Teil 3: Fairphone: Der Preis des Wachstums
Teil 4: Wenn das Geld abfliesst
Die Serie enthält Links zu wissenschaftlicher Literatur, die nicht für alle frei zugänglich ist. Kontaktiere uns, wenn du sie lesen möchtest.
Diese Reportage wurde in Zusammenarbeit mit dem kongolesischen Geologen Lucien Kamala realisiert und von der Journalistin Sylke Gruhnwald begleitet. Die Recherche wurde gefördert und unterstützt von Netzwerk Recherche und der Olin gGmbH.
Journalismus kostet
Diese Recherche hat vor über einem Jahr begonnen und es ist unmöglich, die Zeit, die unsere Autorin zusammen mit ihrem Kollegen im Kongo gebraucht hat, in Stunden anzugeben. Unterstütze auch du uns mit einer Spende dabei, dass wir solche Beiträge weiter realisieren können.