Acht Steu­er­tricks für Ueli Maurer

Am 11. März gab der Bundesrat die Geset­zes­vor­lage zur Einfüh­rung der globalen Mindest­steuer in die Vernehm­las­sung. Unsere Steu­er­be­ra­terin zeigt, mit welchen Tricks die Schweiz ihre Spit­zen­po­si­tion im Steu­er­wett­kampf trotz OECD-Steu­er­re­form beibe­halten kann. 
Die Steueroase Schweiz ist trotz globaler Mindeststeuer nicht wirklich in Gefahr. (Illustration: Luca Mondgenast)

Seit jeher zieht die Schweiz Unter­nehmen und Steu­er­gelder von anderen Ländern ab. Zuge­geben: Der Reichtum der Schweiz war schon immer der Reichtum der anderen. Doch die fetten Jahre sind viel­leicht bald vorbei, denn die globale Mindest­steuer soll Steu­er­oasen wie die Schweiz trocken­legen – und damit auch die Flüsse aus Dollar und Rubel, die den welt­weit einzig­ar­tigen Lebens­stan­dard hier finanzieren.

Aber noch ist es nicht so weit, denn ein Mann stellt sich tapfer gegen mehr inter­na­tio­nale Steu­er­ge­rech­tig­keit: Bundesrat Ueli Maurer (SVP). Natür­lich hat er erkannt, dass es nichts bringt, sich gegen die Umset­zung der globalen Mindest­steuer hier­zu­lande zu wehren. Denn er hat verstanden: Wenn ein Schweizer Rohstoff­kon­zern mit weniger als 15 Prozent besteuert wird, dann wird die Diffe­renz über eine ihrer Toch­ter­firmen in einem anderen Staat besteuert. Da will Maurer das zusätz­liche Geld doch lieber im eigenen Land einziehen. 

Damit die Schweiz aber trotzdem für grosse Unter­nehmen attraktiv bleibt, listen wir hier acht Steu­er­tricks, zu denen der Finanz­mi­ni­ster oftmals selbst den Anstoss gab, für Ueli Maurer noch­mals auf. Damit die Schweiz auch in Zukunft auf Kosten anderer Leben kann.

1. Den Kantonen die Macht geben

Ueli Maurer weiss, dass es sinn­voll ist, die Kantone über die Umset­zung der globalen Mindest­steuer walten zu lassen. Denn wer ist mit den Unter­nehmen und ihren Bedürf­nissen besser vertraut als die kanto­nalen Finanzdirektor:innen?

Vor der Vernehm­las­sung wurde zwar geprüft, ob die neuen Regeln besser zentral durch die Eidge­nös­si­sche Steu­er­ver­wal­tung umge­setzt werden sollten. Doch die Wirt­schafts­lobby und die kanto­nalen Finanzdirektor:innen argu­men­tierten früh­zeitig dagegen und brachten die „posi­tiven Erfah­rungen“ an, die sie mit den kanto­nalen Steu­er­be­hörden bereits machen.

So fliessen die zusätz­li­chen Einnahmen der Mindest­steuer – geschätzte ein bis zwei Milli­arden Franken – voll­ständig in die Hände der Kantone. Dieje­nigen mit tiefen Steu­er­sätzen wie etwa Zug oder Genf werden höhere Zusatz­ein­nahmen haben und können selbst dafür sorgen, dass dieses Geld wieder den Konzernen zugu­te­kommt. Es ist erfreu­lich, dass ihnen der Bund dabei explizit keine Vorgaben macht und den „finanz­po­li­ti­schen Spiel­raum“ der Kantone ernst­haft respektiert.

Der Bund hat auch gut daran getan, die Pläne der Kantone über ihre Stand­ort­mass­nahmen bis zur Botschaft des Bundes­rates unter Verschluss zu halten. Denn je intrans­pa­renter die Vernehm­las­sungs­phase, desto weniger können inter­es­sierte Kreise mit schlag­kräf­tigen Argu­menten intervenieren.

2. Den Reichen die Steuern schenken

Wenn wir unsere Unter­nehmen nicht mehr direkt tief besteuern können, dann zumin­dest ihre Manager:innen. Denn die Topverdiener:innen der Konzerne denken bei Standort­über­le­gungen selbst­ver­ständ­lich auch an sich selbst. Ihnen kommt es entgegen, wenn ihr Einkommen und Vermögen tief besteuert wird. 

Dies wurde von Vertreter:innen ganz unter­schied­li­cher poli­ti­scher Couleur erkannt. Dank des Zuger Finanz­di­rek­tors Heinz Tännler (SVP) ist der Vorschlag zur Senkung der Vermö­gens­steuer bereits in der kanto­nalen Vernehm­las­sung; die Basler SP-Regie­rungs­rätin Tanja Soland ist bereit, dies für das nächste kanto­nale Steu­er­paket zu prüfen. Basel muss für die Pharma attraktiv bleiben, da darf man auch mal ein biss­chen von der Partei­linie abdriften, oder? Ihre Parteikolleg:innen haben diesem viel­ver­spre­chenden Vorhaben jedoch bereits jetzt den Kampf angesagt.

Für diese Ausein­an­der­set­zungen wird es sich lohnen, laut­stark den Trickle-down-Effekt zu betonen – also mit Nach­druck immer wieder zu bekräf­tigen, dass eine vorteil­hafte Behand­lung der Reich­sten dem Schweizer Wirt­schafts­standort und letzt­lich uns allen zugu­te­kommt. Ratsam ist auch, die aktu­ell­sten Unter­su­chungen, die das wider­legen, zu ignorieren.

Falls es trotzdem nicht klappt: Manager:innen von Konzernen müssen nicht zwin­gend mittels Steu­er­vor­teilen zufrie­den­ge­stellt werden: Die Kantone können auch die Kosten für Privat­schulen der Kinder von Expats über­nehmen. Oder Kita­plätze kostenlos zur Verfü­gung stellen. Und wenn es dann halt sein muss, gleich für alle. Sogar Heinz Tännler konnte sich unter den kommenden ungün­stigen Bedin­gungen dafür erwärmen.

Im Rahmen des OECD Inclu­sive Frame­work haben sich 125 Staaten auf eine Mindest­be­steue­rung von 15 Prozent für Unter­nehmen mit Umsätzen von über 750 Millionen Euro geei­nigt. Etwa 200 Schweizer Konzerne sowie um die 2000 inter­na­tio­nale Unter­nehmen, die in der Schweiz Nieder­las­sungen haben, dürften betroffen sein. Zwei Drittel der Kantone liegen derzeit unter dem Mindeststeuersatz.

In der Schweiz soll die globale Mindest­steuer durch eine Verfas­sungs­än­de­rung umge­setzt werden, die am 1. Januar 2024 in Kraft tritt. Seit dem 11. März ist die Geset­zes­vor­lage in einer – aufgrund des Zeit­drucks – verkürzten Vernehm­las­sung von sechs Wochen. Die Botschaft an das Parla­ment soll im Juni 2022 verab­schiedet werden, worauf die parla­men­ta­ri­sche Bera­tung folgt. Die obli­ga­to­ri­sche Volks­ab­stim­mung über die Verfas­sungs­än­de­rung ist auf den 18. Juni 2023 angesetzt.

Die globalen Mindest­steuer wurde in Säule 2 der OECD-Steu­er­re­form verhan­delt. Säule 1 der Steu­er­re­form betrifft die soge­nannte Markt­staat­be­steue­rung, die dafür sorgt, dass Konzerne nicht nur in den Ländern ihrer Firmen­sitze Steuern zahlen, sondern auch dort, wo sie ihre Produkte verkaufen – gerade wenn dies imma­te­ri­elle Güter wie Patent‑, Marken- oder Soft­ware­rechte sind.

3. Konzerne direkt subventionieren

Die Wirt­schaft durch Subven­tionen fördern? Das ist hier­zu­lande ein No-Go. Verständ­li­cher­weise, kann doch der Zugang zu staat­li­chen Beihilfen stra­te­gisch genutzt werden – und zwar auch von unpro­fi­ta­blen Unter­nehmen. Das ist kontra­pro­duktiv für die Wachs­tums­wirt­schaft und deshalb unter Manager:innen als eine „Verschwen­dung der Ressourcen“ verschrien.

Mit der aktu­ellen Bedro­hung sieht es anders aus. Jetzt, wo der Steu­er­wett­be­werb stark vermin­dert wird, ist es nur nach­voll­ziehbar, dass Wirt­schafts­ver­bände und bürger­liche Parteien plötz­lich wenig Skrupel haben, direkte Subven­tionen für Konzerne zu verlangen. Econo­mie­su­isse und Swiss­hol­dings haben dies bereits im September in einem vorerst geheimen „Arbeits­pa­pier zuhanden des Staats­se­kre­ta­riats für inter­na­tio­nale Finanz­fragen (SIF)“ kommu­ni­ziert: Sie wünschen sich unter anderem Subven­tionen zur Finan­zie­rung hoher Löhne und Arbeits­platz­ko­sten, Entschä­di­gung für Sozi­al­ver­si­che­rungs­ab­gaben oder Beiträge an Infrastrukturkosten.

Es über­raschte, dass sich der anson­sten unter­neh­mens­freund­liche Ueli Maurer zuerst von neuen staat­li­chen Subven­tionen distan­zierte. Umso erfreu­li­cher war es, dass diese im Januar an der Pres­se­kon­fe­renz des Bundes zur Mindest­steuer wieder offi­ziell auf dem Tisch lagen.

Denn durch Subven­tionen fliessen die Mehr­ein­nahmen der globalen Mindest­steuer an die Unter­nehmen zurück. Das ist gut. Uns sollte aber bewusst sein, dass von solchen Subven­tionen nicht alle glei­cher­massen profi­tieren werden. Vor allem Schweizer Brief­ka­sten­firmen seien gewarnt: Auf sie kommen höhere Steuern zu, während sie ohne Mitarbeiter:innen in der Schweiz nicht von Lohn­sub­ven­tionen Gebrauch machen können.

4. Inter­na­tional verein­barte Steu­er­ab­züge geschickt nutzen

Das Ziel der globalen Mindest­steuer ist es, den wirk­lich lukra­tiven Steu­er­wett­be­werb einzu­dämmen – also die Möglich­keit, die Gewinne einer profi­ta­blen Toch­ter­firma, die in einem Land mit hohen Steuern wirt­schaftet, an den Haupt­sitz des Konzerns in einem Steu­er­pa­ra­dies zu verschieben.

Die OECD-Muster­re­geln erlauben es, dass Konzerne, die in Forschung und Entwick­lung tätig sind, Steu­er­ab­züge auf ihre Lohn­ko­sten und Gebäude geltend machen können. Das heisst: Mit der neuen Rege­lung werden Unter­nehmen bevor­zugt behan­delt, die auch hier­zu­lande wirt­schaften, gegen­über denje­nigen, die im Ausland Rohstoffe schürfen und Fabriken betreiben.

Die OECD hatte aber bereits im Vorfeld dafür gesorgt, dass der Anreiz für Gewinn­ver­schie­bungen trotzdem weiterhin bestehen bleibt. Denn was genau „echte Geschäfts­tä­tig­keit“ bedeutet, wurde breit formu­liert. Plus: Akti­vi­täten im Bereich Forschung und Entwick­lung lassen sich leichter verla­gern und aufblähen als effek­tive Produktionsstandorte.

Ein Beispiel: Als „echte Geschäfts­tä­tig­keit“ gilt, wenn Mitarbeiter:innen eines Phar­ma­kon­zerns in der Schweiz Marke­ting betreiben, auch wenn die Medi­ka­mente anderswo herge­stellt werden. Zudem kann der Phar­ma­kon­zern von seinen Toch­ter­ge­sell­schaften immense Gebühren für Patente zur Herstel­lung dieser Medi­ka­mente verlangen, und so geschickt Gewinne verschieben.

Dass die Steu­er­ab­züge gegen Ende der OECD-Verhand­lungen noch­mals ausge­weitet wurden – von je 105 Prozent auf 110 Prozent (Perso­nal­ko­sten) und 108 Prozent (Sach­an­lagen) – ist auch Ueli Maurer zu verdanken. In seinem Brief an OECD-Gene­ral­se­kretär Mathias Cormann schlug der ehema­lige Buch­halter als Abzug gar das Doppelte der Lohn­ko­sten vor.

Die Höhe dieser Abzüge bringt zuge­geben ein paar Nach­teile fürs Schweizer Gemein­wesen: Im ersten Jahr der globalen Mindest­steuer werden dem Schweizer Fiskus dadurch geschätzte 1.6 Milli­arden Euro fehlen. Das ist aber vernach­läs­sigbar, denn sie berück­sich­tigt das Wohl der Schweizer Pharma und von Konzernen wie Syngenta, Lafar­ge­Holcim und Ems Chemie, die dadurch weniger Steuern zahlen.

Diese Unter­nehmen werden gut daran tun, alle Möglich­keiten zu nutzen, die Anzahl ihrer Vermö­gens­werte und Mitarbeiter:innen in der Schweiz zu erhöhen. Oder noch besser: zumin­dest diesen Schein zu erwecken.

5. Konzerne mit der Tonna­ge­steuer bevorteilen

Die Lobby der inter­na­tio­nalen Schiff­fahrt hat sich bei der OECD erfolg­reich dafür einge­setzt, dass die ganze Branche von der globalen Mindest­steuer ausge­schlossen ist. Das ist beson­ders erfreu­lich für die Schweiz. 

Denn obwohl der Alpen­staat über keine Seehäfen verfügt, haben rund 100 Unter­nehmen der Schiff­fahrts­in­du­strie ihren Sitz in der Genfer­see­re­gion – unter ihnen der grösste Contai­ner­ver­lader der Welt, die Medi­ter­ra­nean Ship­ping Company. Zusammen orga­ni­sieren und koor­di­nieren diese Unter­nehmen 22 Prozent aller Schiffs­be­we­gungen welt­weit.

Doch die Schweiz kann dem Schiff­fahrts­sektor noch einen weiteren Gefallen tun: indem sie diese nicht, wie bis anhin, der übli­chen Gewinn­steuer, sondern der soge­nannten Tonna­ge­steuer unter­stellt. Diese Steuer, die anstatt eines Prozent­satzes der Gewinne einen festen Betrag auf der Grund­lage der Fracht­vo­lumen der Schiffe zahlt, wird in vielen Ländern bereits erfolg­reich ange­wandt. Warum also nicht auch hier bei uns?

Was für die Schweiz dabei beson­ders wichtig ist: Das könnte nicht nur der Schiff­fahrts­branche, sondern auch den grössten Konzernen hier­zu­lande helfen. Rohstoffhändler:innen wie Trafi­gura und Glen­core sind bereits jetzt über Toch­ter­ge­sell­schaften im Trans­port ihrer eigenen Rohstoffe tätig oder zumin­dest an den ausfüh­renden Unter­nehmen betei­ligt. Mit der Tonna­ge­steuer ist ein Ausbau dieser Trans­port­ak­ti­vi­täten zu empfehlen: Denn wenn sie konzern­in­terne Schiff­fahrts­un­ter­nehmen gründen oder bestehende aufkaufen, können sie möglichst viele ihrer Einnahmen auf die Trans­porte dieser Toch­ter­ge­sell­schaften verbu­chen. Und damit so viel Geld wie möglich sowohl an den kanto­nalen Gewinn­steuern als auch an der zusätz­li­chen globalen Mindest­steuer vorbeischleusen.

Der Bund hat die Rele­vanz des globalen Rohstoff­han­dels für unseren Wohl­stand erkannt und die Einfüh­rung der Tonna­ge­steuer bereits in die Vernehm­las­sung geschickt.

6. Lästige Verrech­nungs­steuer abschaffen

Den betrof­fenen Unter­nehmen steht vor allem eines im Weg: die Verrech­nungs­steuer, die sie dazu zwingt, Erträge aus Zinsen und Divi­denden in der Steu­er­erklä­rung sauber anzu­geben. Einer Umfrage zufolge steht die Abschaf­fung der Verrech­nungs­steuer denn auch zuoberst auf deren Wunsch­liste, um von der globalen Mindest­steuer entla­stet zu werden.

An der Pres­se­kon­fe­renz im Januar beti­telte Finanz­mi­ni­ster Maurer diese natio­nale Mass­nahme als „eigent­lich bereits beschlos­sene Sache“. Denn Ende letzten Jahres hat das Parla­ment eine Reform verab­schiedet, die die Verrech­nungs­steuer auf Zinsen aus inlän­di­schen Obli­ga­tionen ersatzlos strei­chen soll. Das macht die Schweiz attrak­tiver für Fremd­ka­pital und Inve­sti­tionen in Schweizer Unter­nehmen würden günstiger werden. 

Inof­fi­ziell schwächt es natür­lich den Siche­rungs­zweck der Steuer – also dass Zins­er­träge und Vermögen in der Steu­er­erklä­rung korrekt dekla­riert werden – und begün­stigt damit soge­nannte Steu­er­hin­ter­zie­hung. (Das ist so ein unschönes Wort. Steu­er­ver­mei­dung nennen wir das hier­zu­lande.) Ungün­sti­ger­weise hat ein über­par­tei­li­ches Komitee aus SP, Grünen und Gewerk­schaften das Schlupf­loch erkannt und bereits das Refe­rendum ergriffen.

So beschlossen ist die Sache wohl doch nicht. Denn dass unser Herz für Konzerne manchen stimm­be­rech­tigten Schweizer:innen zuwider ist, hat sich in der Ableh­nung der Abschaf­fung der Stem­pel­steuer bereits gezeigt. Die Wirt­schafts­lobby und das rechts­bür­ger­liche Estab­lish­ment sollten sich in Acht nehmen, dass wir zumin­dest diese erneute Chance nicht verspielen.

7. So weiter­ma­chen wie bisher

Die OECD hat es geschafft, die Steu­er­re­form zum Vorteil der reichen Länder zu gestalten. Trotz der steu­er­re­vo­lu­tio­ni­sti­schen Jubel­rufe können wir daher ziem­lich beru­higt sein, denn grund­sätz­lich gilt: busi­ness as usual.

Das liegt einer­seits am tiefen Mindest­steu­er­satz. Denn 15 Prozent entspre­chen etwa dem Steu­er­satz von Steu­er­oasen (der kanto­nale Schweizer Durch­schnitt liegt bei 14,9 Prozent). Auch die tiefe Mindest­steuer haben wir unter anderem unserem Ueli zu verdanken. Und damit die Tatsache, dass es uns weiterhin gelingen wird, anderen Ländern Steu­er­sub­trat abzu­ziehen. Vor allem den Rohstoff­län­dern des Globalen Südens, wo die Gewinn­steu­er­sätze zwischen lächer­li­chen 25 und 35 Prozent liegen.

Und weil die OECD die Stimmen dieser Länder glück­li­cher­weise gekonnt igno­riert und die Sache mit den Trans­fer­preisen nicht ange­gangen ist (das Lamm berich­tete, dieses linke Schmier­blatt), können sich die Entwick­lungs­länder gegen die Steu­er­tricks unserer Konzerne noch immer kaum wehren. So haben wir in der Schweiz stolze 39 Prozent unserer gesamten Unter­neh­mens­steu­er­ein­nahmen durch künst­liche Gewinn­ver­schie­bungen erzielt. Gar 19 Milli­arden US-Dollar konnten wir durch unter­neh­mens­ei­gene Steu­er­tricks anderen Ländern abluchsen. Und damit unsere Velo­wege, Kinder­gärten, Busli­nien und Univer­si­täten finanzieren.

All dies steht zum Glück auch mit der Einfüh­rung der globalen Mindest­steuer nicht auf dem Spiel. Denn wenn und wo auch immer Konzern­ein­heiten den Mindest­steu­er­satz unter­schreiten: Die zusätz­liche Besteue­rung können wir einziehen, weil wir so viele Haupt­sitze der Konzerne behei­maten. In den letzten Jahren kam gar jedes fünfte multi­na­tio­nale Unter­nehmen, das den Sitz inner­halb oder nach Europa verlegte, in die Schweiz. 

Deshalb ist dem herauf­be­schwo­renen Schreckens­sze­nario des erläu­ternden Berichts zur Geset­zes­vor­lage nicht viel Beach­tung zu schenken. Die Unter­nehmen werden nicht abwan­dern, Einnahmen aus weiteren Steuern und Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trägen nicht wegfallen.

Natür­lich kann man sich darüber streiten, wie die Zusatz­ein­nahmen aus der Mindest­steuer einge­setzt werden. Die parla­men­ta­ri­sche Linke will sie typi­scher­weise lieber in ÖV, Bildung, Klima­fi­nan­zie­rung und nach­hal­tige Entwick­lung inve­stieren, anstatt dass sie über Kompen­sa­tionen zu den Unter­nehmen zurück­fliessen. Noch radi­kaler sind hingegen die Forde­rungen von Insti­tu­tionen wie Alli­ance Sud. Aber auch hier gibt es Lösungen!

8. NGO-Phan­tasmen instrumentalisieren

Da es mora­lisch scheinbar nicht vertretbar ist, dass die in Ländern des Globalen Südens erwirt­schaf­teten Konzern­ge­winne über die globale Mindest­steuer noch immer zu uns gelangen, verlangt Alli­ance Sud, dass ein Teil dieser Zusatz­ein­nahmen rück­ver­teilt wird. Bei allen, die den freien globalen Markt loben, sollten hier die Alarm­glocken läuten.

Um dieses sozia­li­sti­sche Unter­fangen zu reali­sieren, witzelt der Dach­ver­band auf der einen Seite mit der Einfüh­rung von METR (Minimum Effec­tive Tax Rate for Multi­na­tio­nals). Diese soll sicher­stellen, dass die unter 15 Prozent besteu­erten Gewinne tatsäch­lich dort versteuert werden, wo sie auch erar­beitet wurden. So würde eine wirk­lich gerech­tere Vertei­lung von Konzern­ge­winnen wohl aussehen, pfui.

Auf der anderen Seite schlägt Alli­ance Sud vor, mit den zusätz­li­chen Gewinn­steu­er­ein­nahmen das Budget für die inter­na­tio­nale Zusam­men­ar­beit (IZA) aufzu­stocken. Das so sorg­fältig in die Schweiz verscho­bene Geld soll also über Entwick­lungs­pro­jekte wieder dorthin zurück­fliessen, wo es herkommt.

Dass dieser Rück­ver­tei­lungs­me­cha­nismus nur ein weiterer roter Wunsch­traum der NGOs ist und im Parla­ment sowieso keine Chance hat, liegt auf der Hand. Wer aber genauer hinschaut, erkennt: Sogar hier liegt Poten­tial für Konzerne. Denn mit der Unter­stüt­zung der Entwick­lungs­budget-Idee könnten sich die Konzerne in ein gutes Licht stellen und die ätzenden Gutmen­schen der NGOs zufrie­den­stellen – ohne dabei in die eigene Tasche greifen zu müssen.

Diese Möglich­keit sollten sie nutzen. Denn dieser Ablass­handel mit der inter­na­tio­nalen Zusam­men­ar­beit würde der radi­ka­leren METR-Forde­rung für gerech­tere Vertei­lung den Wind aus den Segeln nehmen. Denn dort müssten die Konzerne wohl mehr von ihren Profiten abgeben.

Jeden­falls sollten wir uns inmitten all dieser Forde­rungen davor hüten, es der EU gleich­zutun und mehr Trans­pa­renz zuzu­lassen. Damit Rück­ver­tei­lungs­me­cha­nismen über­haupt griffig sind, müssten die soge­nannten länder­be­zo­genen Berichte über die Kapi­tal­flüsse der Konzerne öffent­lich gemacht werden. Die EU hat diesen Fehl­tritt bereits getan, doch wir werden diese Infor­ma­tionen weiterhin unter dem Deckel halten. Staat­li­cher Schutz für Konzerne ist und bleibt der Schlüssel in Sachen Steueroptimierung.


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