Letztens war ich mit einer Freundin spazieren. Es war ein sonniger und warmer Sonntag im Februar. Zwischen Bäumen und Feldern haben wir uns die Zukunft ausgemalt: Wie wird unser Leben wohl aussehen? Was werden wir beruflich machen? Wir hatten keine Antworten, nur Ideen. Die „Zukunft“ scheint uns noch zu weit weg. Trotzdem gibt es Gewissheiten in unserer Vorstellung vom guten Leben: „Ich weiss nicht wie, aber ich will nur so viel arbeiten, dass ich gut leben kann und glücklich bin, mehr nicht“, sagte ich ihr.
Klar: Eine solche Lebensvorstellung setzt viele Privilegien voraus. Aber mit diesem Wunsch bin ich nicht allein. Immer mehr junge Menschen legen Wert darauf, neben dem Beruf Zeit für Familie, Freund*innen und Hobbys zu haben. Dazu braucht es Veränderungen am Arbeitsmarkt: mehr Ferien, weniger Überstunden und ein gutes Arbeitsklima.
Für diese Forderungen haben manche Menschen aus den älteren Generationen wenig Verständnis. Am Arbeitsplatz treffen beide aufeinander. Hier die sogenannten Boomer, die mit dem Traum vom beruflichen Erfolg und Wohlstand aufwuchsen. Dort die „Generation Z“, die diesen Traum nur dann teilt, wenn sie dafür nicht ihre Vorstellung eines guten Lebens opfern muss – Karriere ja, aber nicht um jeden Preis. Klar kommt es da zu Auseinandersetzungen.
Klimahysterisch und radikal oder unverantwortlich und faul: Es wird viel an jungen Menschen rumgenörgelt. Schlimmer als die Kritik ist aber ihre fehlende Repräsentation in der Öffentlichkeit. Während sich alle Welt über Anliegen der Jugend äussert, finden diese selbst nur in sozialen Netzwerken eine Plattform. Das ändert nun die Kolumne „Jung und dumm“.
Helena Quarck ist 19 Jahre alt und Schülerin. Sie ist als Siebenjährige aus Brasilien in die Schweiz gezogen und musste Deutsch lernen. Diese Beschäftigung mit Sprache hat sie zum Schreiben gebracht. Helena ist Redaktorin des Jugendmagazins Quint.
Die Zusammenarbeit mit jungen Angestellten ist für Unternehmen anscheinend eine Herausforderung. Wir, die Gen Z, scheuen uns nicht mehr davor, bessere Arbeitsbedingungen zu fordern. Denn: Wegen des Fachkräftemangels werden wir dringend auf dem Arbeitsmarkt gebraucht – und das wissen wir. Wir müssen also nicht die Ersten sein, die im Büro auftauchen und dann noch Überstunden machen, um es den Arbeitgeber*innen recht zu machen. Das wird „Quiet Quitting“ genannt oder „Acting your wage“. Man arbeitet nur genau so viel, wie im Arbeitsvertrag gefordert wird.
Die NZZ veröffentlichte letztes Jahr einen Artikel, der sich mit dem Arbeitsethos von jungen Menschen auseinandersetzt. Der Text versucht, dem Arbeitsverhalten der Jungen auf die Schliche zu kommen. „Minimaler Leistungsaufwand bei gleichzeitiger Anspruchshaltung“, so beschreibt die Autorin den „Arbeitsethos“ meiner Generation. Dabei missversteht die Autorin das Anliegen der Jungen. Es geht ihnen darum, genau so viel zu arbeiten, wie im Arbeitsvertrag vereinbart wurde und wofür sie bezahlt werden, – nicht mehr und nicht weniger.
„Am liebsten würden sie heute entscheiden, wie viel sie morgen arbeiten“, erzählen die Gastronomen Michel Péclard und Florian Weber der NZZ. Die Arbeit mit jungen Menschen sei für die beiden dermassen anstrengend, dass sie am liebsten nur noch afghanische Mitarbeitende einstellen würden, zitiert der Text sie weiter. Diese seien wenigestens dankbar.
Diese Aussage ist äusserst problematisch. Die beiden Unternehmer sagen damit: Wer sich über schlechte Arbeitsbedingungen beschwert, ist ein Problem. Die Lösung sei es, Menschen einzustellen, die sich gar nicht beschweren können. Problem gelöst? Nein – nur verstummen lassen.
Eine Ärztin, welche im Artikel anonym bleibt, spricht von einer „Opfermentalität“ ihrer jungen Assistent*innen. Einige würden wegen – Achtung – Menstruationsbeschwerden zu Hause bleiben! Für sie sei das besonders belastend, weil ihr mit Diskriminierungsklagen gedroht werde, wenn sie nicht auf diese Forderung eintrete. Denn die Jungen – oh Schreck – würden das Arbeitsrecht kennen!
Wen nervt, dass die Angestellten ihr Rechte kennen, offenbart damit: Mein Unternehmen stützt sich auf die Ausbeutung von Arbeitnehmer*innen. Die Ärztin stelle inzwischen nur noch ältere Assistent*innen ein, die nichts anderes kennen, als ausgebeutet zu werden. Der Trost für diese Frauen? Manchmal kämen sie sogar erfüllt nach Hause.
Dafür, dass wir Jungen uns ein angenehmes Arbeitsklima wünschen, gibt die Autorin unseren Eltern die Schuld: Sie hätten uns zu fest das Gefühl gegeben, einzigartig zu sein. Darum bräuchten wir nun dauernd Wertschätzung, um klarzukommen. Ach schade! Hätten sie uns doch lieber beigebracht, dass Einzigartigkeit etwas Schlechtes ist und wir alle langweilig und gleich sein müssen. Wir seien ausserdem „Schneeflocken“, die wenig Widerstandskraft haben, wenn mal „rauerer Wind wehe“.
Dabei zeigt doch gerade unsere Generation, die während einer Pandemie aufwuchs, sich gegen Unterdrückung wehrt und für mehr Gerechtigkeit am Arbeitsplatz kämpft, ihre enorme Widerstandskraft. Wir stehen zuvorderst in einem gesellschaftlichen Wandel zu einem nachhaltigeren, gesünderen und erfüllteren Lebensstil, und ein solcher Wandel wird selten von Faulheit angetrieben.
Die Jugend der Gen Z ist in sich überlagernden Krisen aufgewachsen. Dies hat auch unseren Blick auf die Arbeitswelt geprägt. Die Pandemie etwa hat andere Arbeitsformen erzwungen: Einige Jugendliche, deren Eltern sonst kaum zu Hause waren, konnten plötzlich mit ihnen Zmittag essen. Andere junge Menschen, deren Eltern Pfleger*innen sind, haben ihre Eltern noch gestresster, ängstlicher und müder erlebt als sonst und somit ein Bewusstsein für schlechte Arbeitsbedingungen entwickelt.
Die Klimakrise verleiht unserem Leben eine Dringlichkeit. Sie ist eine kleine Stimme, die schreit: „Achtung, Achtung! Geh die Welt anschauen, solange es sie noch gibt!“ Ein Leben mit diesem ständigen Reminder hat uns beigebracht, nachhaltiger mit Ressourcen umzugehen – das spiegelt sich in unserem Arbeitsverhalten wider. Wir wollen nicht von Montag bis Freitag an einen Bürostuhl gefesselt sein, sondern das Leben geniessen.
Bewusst mit den eigenen Kräften umgehen – darum geht es. Es geht uns nicht darum, möglichst lange auf dem Sofa rumzuliegen, nur dann zu arbeiten, wenn es absolut sein muss und auch dann möglichst wenig zu leisten. Es geht darum, eine erfüllende Arbeit zu haben und nebenbei noch Zeit für einen Kaffee mit Freund*innen und einen Spaziergang durch die Innenstadt zu haben. Vielleicht hat meine Generation erkannt, dass sich der eigene Selbstwert nicht nur über die Karriere definiert. Die Generation Z weiss, was ihr guttut. Ich finde das wundervoll.
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