Teil I Berlin vs. Zürich: Abfalltrennung deluxe in Berlin
Teil II Berlin vs. Zürich: Schwachstrom-Bio gibt’s überall. Aber wo gibt’s mehr davon?
Teil III Berlin vs. Zürich: Wo kommt man besser voran, ohne die Luft zu verpesten?
Teil IV Berlin vs. Zürich: Berlin vs. Zürich: In welcher Stadt gibt’s mehr Natur?
Ob in der Berliner Eckkneipe oder mit einem Quöllfrisch an der Zürcher Seepromenade: Politische Diskussionen gehören in beiden Städten zum Feierabendbier dazu. Aber während ich in Berlin das Gefühl habe, monatelang über dasselbe Zeug zu reden, ohne zu neuen Erkenntnissen zu kommen, war das in Zürich anders: Da wechselten in derselben Zeit ganz selbstverständlich mehrmals die Themen, zu welchen man seine Meinungen beim Panache rausposaunte.
Der Grund: Alle paar Monate flattert ein neues Abstimmungscouvert in alle Briefkästen. Als ich im Frühjahr 2017 in der Limmatstadt war, redete die ganze Schweiz über die Energiestrategie. Bei meinem nächsten Besuch im Spätsommer kam man bei keiner bierseligen Runde an der Rentenreform vorbei. Dank der direkten Demokratie führte ich in meinem Zürcher Freundeskreis immer wieder geniale Gespräche zu ständig wechselnden Themen.
Die Abstimmungscouverts takten die politischen Diskussionen. Das ist mir vorher nie aufgefallen. Dank dem Kreuzchen, das man setzen muss, reden alle für kurze Zeit über dasselbe, um zu einer Entscheidung zu kommen. Und wir versuchen zumindest, einander zuzuhören. Wie genial!
Auch die Rechtsradikalen lieben die direkte Demokratie
Und trotzdem verstricke ich mich in Berlin immer wieder in Diskussionen über das Schweizer System, aus denen ich oft geknickt herausgehe. Entweder muss ich eine Erklärung dafür abgeben, weshalb die rechtsradikale Alternative für Deutschland (AfD) auf ihren Plakaten damit wirbt, dass sie das Schweizer System in Deutschland einführen will — oder mich gleich konkret dafür rechtfertigen, dass es die direkte Demokratie war, die in der Schweiz Minarette verboten und ein paralleles Rechtssystem für Ausländer eingeführt hatte. Beides ist nicht sehr angenehm.
Ganz unangebracht ist die Kritik ja auch nicht. Manchmal entscheidet das Volk nicht zum Wohle aller. Wie können wir die Schwächeren in diesem System schützen — all diejenigen, die nie die Mehrheit stellen werden, weil sie eben Minderheiten sind? Ja, wer soll überhaupt mitreden dürfen? Die Regierten regieren sich selbst — das wäre das Herzstück der Demokratie. Wer von den Regeln, über die gemeinsam entschieden wird, betroffen ist, soll auch mitreden dürfen beim Aufstellen dieser Regeln. Aber einE Schweizer StimmbürgerIn wird nie direkt von den neuen Ausschaffungsgesetzen betroffen sein. Auf der anderen Seite hätte die Annahme der Fair-Food-Initiative wohl mindestens so viel Einfluss auf das Leben der Kakaobauernfamilie in Peru wie auf das von Herrn und Frau Schweizer. Aber abstimmen darf sie trotzdem nicht. Was das Schweizer Volk entscheidet, betrifft schon lange nicht mehr nur das Schweizer Volk. Haben wir wirklich das Recht, das Leben anderer so zu beeinflussen, ohne ihnen eine Stimme zu geben? Ist das dann noch Demokratie? (Dazu hat sich übrigens der Philosoph Arash Abizadeh in dem empfehlenswerten Aufsatz „Geschlossene Grenzen, Menschenrechte und demokratische Legitimation” schon mehr als nur einen Gedanken gemacht.)
Klar ist: Das Schweizer System ist nicht perfekt. Aber sich damit auseinanderzusetzen und als StimmbürgerIn Verantwortung zu übernehmen: Auch das macht es eben aus. Und deshalb geht dieser Punkt an Zürich.
Zürich gewinnt! — und ich komme heim
Nachdem ich die beiden Städte nun in fünf Punkten verglichen habe, ist der Fall klar: Zürich gewinnt das kleine Städteduell! Es steht, mit einem „unentschieden”, 3 : 1. Und das ist auch gut so. Denn das ist ein guter Grund, wieder zurückzukehren in die Limmatstadt und das Kapitel Berlin vorerst zuzuschlagen. Ich freue mich auf Zürich und das, was mich dort erwartet. Denn es ist Zeit für Veränderung. Deshalb werde ich auch noch andere Kapitel zuschlagen. Doch mehr will ich erst im nächsten Beitrag verraten.
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