Die Klimakrise kostet. Der Umbau der gesamten Infrastruktur von fossil auf erneuerbar ist teuer. Dabei ist die Frage schon lange nicht mehr, ob wir bezahlen, sondern wer wie viel bezahlt. Die Finanzierung der Klimamassnahmen, um rechtzeitig auf Netto-Null zu kommen, ist eine gesamtgesellschaftliche Verteilungsfrage.
Das meiste Geld für diese Klimamassnahmen soll gemäss dem neusten Entwurf des CO2-Gesetzes aus den Abgaben auf fossile Brennstoffe kommen. Diese Abgabe zahlt man zum Beispiel, wenn man eine Ölheizung im Keller hat. Das zugehörige Preisschild: 120.- CHF pro Tonne CO2. Ein Teil der Abgaben wird an die Bevölkerung und die Wirtschaft zurückverteilt. Mit dem anderen Teil soll unsere Infrastruktur auf klimaverträglich umgerüstet werden. 525 Millionen sollen dank der CO2-Abgabe zukünftig pro Jahr dafür zur Verfügung stehen. Doch wer genau zahlt diese Abgabe? Oder noch wichtiger: Wer zahlt sie nicht?
Auf Treibstoffe gibt es keine CO2-Abgabe
Die erste Lücke: CO2-Abgaben werden nur auf Brennstoffe (Heizöl oder Erdgas), nicht aber auf Treibstoffe (Benzin oder Diesel) erhoben. Treibstofffirmen sind lediglich dazu verpflichtet, einen Teil des von ihnen verursachten CO2 zu kompensieren. 2021 betrug dieser Teil 12 Prozent. Die restlichen 88 Prozent der Emissionstonnen kosteten für die Treibsstoffimporteur:innen nichts.
Und was für ein Preisschild hing an den zu kompensierenden Tonnen? Im Inland bezahlen die Treibstofffirmen im Schnitt 84.- CHF pro Tonne CO2. Seit das CO2-Übergangsgesetz in Kraft ist, können sie ihre Emissionen teilweise auch im Ausland kompensieren. Dort ist die Tonne bereits ab 35.- CHF zu haben. Die Treibstoffimporteur:innen kriegen also nicht nur einen grossen Teil der CO2-Tonnen umsonst, sondern zahlen für den Rest auch noch einen tieferen Preis.
Die Mitgliederseite des Dachverbands Avenergy Suisse, der die Interessen der Treibstofffirmen vertritt, zeigt, wer sich so vor der CO2-Abgabe drücken kann. Manche Namen wie Eni, Shell oder BP sind bekannt. Andere Namen wie die A.H. Meyer Holding oder Varo sind weniger geläufig. Was jedoch allen gemein ist: Millionen‑, wenn nicht Milliardenumsätze. Und das seit Jahrzehnten. Mit den entsprechenden Auswirkungen auf das globale Klima und den dazugehörigen Kosten.
Deshalb wäre es durchaus nicht zu viel verlangt, wenn auch diese Firmen einen angemessenen Anteil ihrer Profite für Klimamassnahmen hergeben müssten. Würden sie für jede Emissionstonne 120.- CHF CO2-Abgabe bezahlen, kämen insgesamt rund 1.7 Milliarden[1] für die Klimakasse zusammen.
Die Grössten kriegen die Verschmutzungsrechte geschenkt
Auch die rund 100 grössten Schweizer Emittent:innen von Klimagasen zahlen keine CO2-Abgabe, sondern begleichen ihre CO2-Schulden im Rahmen des Emissionshandelssystems (EHS). Darin werden sie jedoch nicht zu mehr, sondern zu weniger Klimaschutz verpflichtet. Anstatt pro Emissionstonne 120.- CHF CO2-Abgabe zu bezahlen, müssen sie dem Bund lediglich CO2-Zertifikate abgeben. Und diese erhalten sie überwiegend umsonst vom Bundesamt für Umwelt. Zudem: Obwohl diese Firmen keine CO2-Abgabe bezahlen, profitieren sie von der Rückverteilung der CO2-Abgabe an Bevölkerung und Wirtschaft.
Nicht wenige EHS-Firmen erhielten in den letzten Jahren sogar mehr Gratiszertifikate, als sie abgeben müssen. Darunter einige bekannte Namen wie Hoffmann-La Roche, Perlen Papier, Model AG oder Holcim. Der Betonriese Holcim sitzt deshalb laut einer SRF-Recherche auf einem ganzen Haufen ungenutzter Zertifikate, die dank dem steigenden CO2-Preis laufend an Wert gewinnen.
- Teil 1: Das würde sich ändern
- Teil 2: Lücken und Beschönigungen in der Bundeskommunikation
- Teil 3: Es ist an der Zeit, Profit abzugeben
Dieser Artikel ist der dritte Teil einer Serie zum neuesten CO2-Gesetzesentwurf. Der erste Teil gibt einen Überblick zu den geplanten Neuerungen. Der zweite Teil liefert ein Best-of der bundesrätlichen Klima-Wortakrobatik und was damit gemeint ist. Im dritten Teil erklärt unsere Redaktorin, wieso sie der Meinung ist, dass auch mit dem neusten Vorschlag für ein CO2-Gesetz die Last der Klimakrise nicht gleichmässig verteilt wird.
Wie viele Tonnen CO2 den EHS-Firmen genau geschenkt werden, ist im nationalen Emissionshandelsregister einsehbar. In der Handelsperiode 2013 bis 2020 waren es 38 Millionen Tonnen CO2-Zertifikate. Selbst Zertifikate abliefern, um ihre CO2-Schulden zu begleichen, mussten sie nur geringfügig mehr: 39 Millionen Tonnen.
Hätten die Firmen für die geschenkten 38 Millionen Tonnen Verschmutzungsrechte die heutige CO2-Abgabe von 120.- CHF bezahlen müssen, wären das pro Jahr 570 Millionen Franken [2] für die Klimakasse. Anders als für Privathaushalte gilt für Grosskonzerne: Die Tonne CO2 kostet wenig, nichts oder bringt sogar noch ein Plus ein.
In Zukunft sollen sich alle Firmen vor der Abgabe drücken können
Dass es durch das Nein zur letzten CO2-Vorlage nun keine Flugticketabgabe geben wird und die CO2-Abgabe vorerst nicht weiter steigt, ist schade. Nicht nur, weil die Flugticketabgabe die Nachfrage nach Billigflügen hätte eindämmen können, sondern auch, weil damit mehr Geld für den Umbau unserer Infrastruktur zur Verfügung gestanden wäre. Ebenso wichtig und mindestens so lukrativ wäre es aber, wenn die bereits bestehende Abgabe einfach von allen bezahlt würde.
Der neue Vorschlag für ein CO2-Gesetz geht aber einmal mehr in die entgegengesetzte Richtung: Denn es sollen noch mehr Unternehmen die Möglichkeit erhalten, sich vor der CO2-Abgabe zu drücken. Firmen gewisser Branchen können bereits heute mit dem Bund eine sogenannte „Zielvereinbarung mit Verminderungspflicht“ eingehen. Als Gegenleistung werden sie von der CO2-Abgabe befreit.
Laut dem geltenden CO2-Übergangsgesetz müssen diese abgabebefreiten Firmen ihre Emissionen jedes Jahr um 2% verringern. Dafür sparen sie sich 120.- Franken CO2-Abgabe pro Tonne für die restlichen 98% der Emissionen. Zukünftig soll dieser Deal allen Firmen offenstehen. Und das würde natürlich zu weniger Einnahmen über die CO2-Abgabe führen.
Am Schluss bezahlen Privathaushalte und KMUs
Alles in allem würde so wohl vor allem noch das Geld von privaten Haushalten und kleinen Firmen in der Klimakasse landen. Denn Erstere können sich nicht von der CO2-Abgabe auf ihre Heizemissionen befreien und für Letztere dürfte der administrative Aufwand dafür zu gross sein.
Kosten wird die Klimakrise trotzdem. Und weil die einen nicht zahlen müssen, wird es für die anderen teurer. Denn parallel zur Ausweitung der CO2-Abgabebefreiung soll die sogenannte Teilzweckbindung erhöht werden – also der Anteil der CO2-Abgabe, der für Klimamassnahmen eingesetzt wird. Im Umkehrschluss wird weniger an Bevölkerung und Wirtschaft zurückverteilt: neu nicht mehr knapp zwei Drittel, sondern nur noch rund die Hälfte.
Kurzum: In erster Linie werden die Privathaushalte und die KMUs bezahlen. Und zwar nicht nur für sinnvolle Klimamassnahmen, sondern auch für den Profit von Holcim, Shell und Hoffmann-La Roche. Und das sollte endlich auch all diejenigen interessieren, die im vergangenen Sommer „zu hohe Benzinpreise“ oder „zu teuer für unsere KMUs“ geschrien haben. Denn es werden tatsächlich sie sein, die zur Kasse gebeten werden. Die Grosskonzerne wissen hingegen ganz genau, an welcher Schraube im CO2-Gesetz sie drehen müssen, um ohne Einbussen davonzukommen.
Schuld daran sind in erster Linie aber weder die Ölheizung noch der Benzinpreis, sondern das unregulierte Profitstreben der Erdölfirmen, die Ausweitung der CO2-Abgabebefreiung und die Tatsache, dass im Emissionshandel bis jetzt mehr verschenkt als zur Kasse gebeten wird. Wollen wir die Kosten der Klimakrise in Zukunft fair auf allen Schultern verteilen, braucht es deshalb vor allem eines: ein CO2-Gesetz, das sicherstellt, dass auch die Wirtschaft einen angemessenen Teil des erwirtschafteten Profits für den Klimaumbau hergibt.
Klimagesetzgebung auf einen Blick (oder vielleicht auf zwei):
[1] Laut dem Bundesamt für Umwelt wurden 2019 auf Schweizer Territorium 46.2 Millionen Tonnen Klimagase emittiert. 32% davon stammen aus dem Verkehr, sprich 14.7 Millionen Tonnen. Multipliziert mit der CO2-Abgabe von 120.- CHF pro Tonne wären das Einnahmen von 1.774 Milliarden CHF.
[2] Gratis zugeteilte Zertifikate für 38’188’109 Tonnen Klimagase in acht Jahren, das sind im Schnitt 4’773’513 geschenkte Tonnen. Müsste man dafür 120.- CHF CO2-Abgabe bezahlen, wären es 572’821’635 CHF.
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