CO2-Gesetz: Es ist an der Zeit, Profit abzugeben

Wer sich über die Kosten der Klima­krise beklagt, täte gut daran, zu schauen, wer denn alles nicht zur Kasse gebeten wird. Denn wenn andere weniger zahlen, muss man selbst mehr hinblät­tern. Ein Kommentar zu Vertei­lungs­fragen in Zeiten der Klimaerhitzung. 
Wer zahlt für die Kosten der Klimakrise? Und wer nicht? (Illustration: Luca Mondgenast)
Wer zahlt für die Kosten der Klimakrise? Und wer nicht? (Illustration: Luca Mondgenast)

Die Klima­krise kostet. Der Umbau der gesamten Infra­struktur von fossil auf erneu­erbar ist teuer. Dabei ist die Frage schon lange nicht mehr, ob wir bezahlen, sondern wer wie viel bezahlt. Die Finan­zie­rung der Klima­mass­nahmen, um recht­zeitig auf Netto-Null zu kommen, ist eine gesamt­ge­sell­schaft­liche Verteilungsfrage.

Das meiste Geld für diese Klima­mass­nahmen soll gemäss dem neusten Entwurf des CO2-Gesetzes aus den Abgaben auf fossile Brenn­stoffe kommen. Diese Abgabe zahlt man zum Beispiel, wenn man eine Ölhei­zung im Keller hat. Das zuge­hö­rige Preis­schild: 120.- CHF pro Tonne CO2. Ein Teil der Abgaben wird an die Bevöl­ke­rung und die Wirt­schaft zurück­ver­teilt. Mit dem anderen Teil soll unsere Infra­struktur auf klima­ver­träg­lich umge­rü­stet werden. 525 Millionen sollen dank der CO2-Abgabe zukünftig pro Jahr dafür zur Verfü­gung stehen. Doch wer genau zahlt diese Abgabe? Oder noch wich­tiger: Wer zahlt sie nicht?

Auf Treib­stoffe gibt es keine CO2-Abgabe

Die erste Lücke: CO2-Abgaben werden nur auf Brenn­stoffe (Heizöl oder Erdgas), nicht aber auf Treib­stoffe (Benzin oder Diesel) erhoben. Treib­stoff­firmen sind ledig­lich dazu verpflichtet, einen Teil des von ihnen verur­sachten CO2 zu kompen­sieren. 2021 betrug dieser Teil 12 Prozent. Die rest­li­chen 88 Prozent der Emis­si­ons­tonnen kosteten für die Treibsstoffimporteur:innen nichts.

Und was für ein Preis­schild hing an den zu kompen­sie­renden Tonnen? Im Inland bezahlen die Treib­stoff­firmen im Schnitt 84.- CHF pro Tonne CO2. Seit das CO2-Über­gangs­ge­setz in Kraft ist, können sie ihre Emis­sionen teil­weise auch im Ausland kompen­sieren. Dort ist die Tonne bereits ab 35.- CHF zu haben. Die Treibstoffimporteur:innen kriegen also nicht nur einen grossen Teil der CO2-Tonnen umsonst, sondern zahlen für den Rest auch noch einen tieferen Preis.

Die Mitglie­der­seite des Dach­ver­bands Avenergy Suisse, der die Inter­essen der Treib­stoff­firmen vertritt, zeigt, wer sich so vor der CO2-Abgabe drücken kann. Manche Namen wie Eni, Shell oder BP sind bekannt. Andere Namen wie die A.H. Meyer Holding oder Varo sind weniger geläufig. Was jedoch allen gemein ist: Millionen‑, wenn nicht Milli­ar­den­um­sätze. Und das seit Jahr­zehnten. Mit den entspre­chenden Auswir­kungen auf das globale Klima und den dazu­ge­hö­rigen Kosten.

Deshalb wäre es durchaus nicht zu viel verlangt, wenn auch diese Firmen einen ange­mes­senen Anteil ihrer Profite für Klima­mass­nahmen hergeben müssten. Würden sie für jede Emis­si­ons­tonne 120.- CHF CO2-Abgabe bezahlen, kämen insge­samt rund 1.7 Milli­arden[1] für die Klima­kasse zusammen.

Die Grössten kriegen die Verschmut­zungs­rechte geschenkt

Auch die rund 100 grössten Schweizer Emittent:innen von Klima­gasen zahlen keine CO2-Abgabe, sondern beglei­chen ihre CO2-Schulden im Rahmen des Emis­si­ons­han­dels­sy­stems (EHS). Darin werden sie jedoch nicht zu mehr, sondern zu weniger Klima­schutz verpflichtet. Anstatt pro Emis­si­ons­tonne 120.- CHF CO2-Abgabe zu bezahlen, müssen sie dem Bund ledig­lich CO2-Zerti­fi­kate abgeben. Und diese erhalten sie über­wie­gend umsonst vom Bundesamt für Umwelt. Zudem: Obwohl diese Firmen keine CO2-Abgabe bezahlen, profi­tieren sie von der Rück­ver­tei­lung der CO2-Abgabe an Bevöl­ke­rung und Wirtschaft.

Nicht wenige EHS-Firmen erhielten in den letzten Jahren sogar mehr Gratis­zer­ti­fi­kate, als sie abgeben müssen. Darunter einige bekannte Namen wie Hoff­mann-La Roche, Perlen Papier, Model AG oder Holcim. Der Beton­riese Holcim sitzt deshalb laut einer SRF-Recherche auf einem ganzen Haufen unge­nutzter Zerti­fi­kate, die dank dem stei­genden CO2-Preis laufend an Wert gewinnen.


- Teil 1: Das würde sich ändern
- Teil 2: Lücken und Beschö­ni­gungen in der Bundes­kom­mu­ni­ka­tion
- Teil 3: Es ist an der Zeit, Profit abzu­geben

Dieser Artikel ist der dritte Teil einer Serie zum neue­sten CO2-Geset­zes­ent­wurf. Der erste Teil gibt einen Über­blick zu den geplanten Neue­rungen. Der zweite Teil liefert ein Best-of der bundes­rät­li­chen Klima-Wort­akro­batik und was damit gemeint ist. Im dritten Teil erklärt unsere Redak­torin, wieso sie der Meinung ist, dass auch mit dem neusten Vorschlag für ein CO2-Gesetz die Last der Klima­krise nicht gleich­mässig verteilt wird. 


Wie viele Tonnen CO2 den EHS-Firmen genau geschenkt werden, ist im natio­nalen Emis­si­ons­han­dels­re­gi­ster einsehbar. In der Handel­s­pe­riode 2013 bis 2020 waren es 38 Millionen Tonnen CO2-Zerti­fi­kate. Selbst Zerti­fi­kate ablie­fern, um ihre CO2-Schulden zu beglei­chen, mussten sie nur gering­fügig mehr: 39 Millionen Tonnen.

Hätten die Firmen für die geschenkten 38 Millionen Tonnen Verschmut­zungs­rechte die heutige CO2-Abgabe von 120.- CHF bezahlen müssen, wären das pro Jahr 570 Millionen Franken [2] für die Klima­kasse. Anders als für Privat­haus­halte gilt für Gross­kon­zerne: Die Tonne CO2 kostet wenig, nichts oder bringt sogar noch ein Plus ein.

In Zukunft sollen sich alle Firmen vor der Abgabe drücken können

Dass es durch das Nein zur letzten CO2-Vorlage nun keine Flug­ticket­ab­gabe geben wird und die CO2-Abgabe vorerst nicht weiter steigt, ist schade. Nicht nur, weil die Flug­ticket­ab­gabe die Nach­frage nach Billig­flügen hätte eindämmen können, sondern auch, weil damit mehr Geld für den Umbau unserer Infra­struktur zur Verfü­gung gestanden wäre. Ebenso wichtig und minde­stens so lukrativ wäre es aber, wenn die bereits bestehende Abgabe einfach von allen bezahlt würde.

Der neue Vorschlag für ein CO2-Gesetz geht aber einmal mehr in die entge­gen­ge­setzte Rich­tung: Denn es sollen noch mehr Unter­nehmen die Möglich­keit erhalten, sich vor der CO2-Abgabe zu drücken. Firmen gewisser Bran­chen können bereits heute mit dem Bund eine soge­nannte „Ziel­ver­ein­ba­rung mit Vermin­de­rungs­pflicht“ eingehen. Als Gegen­lei­stung werden sie von der CO2-Abgabe befreit. 

Laut dem geltenden CO2-Über­gangs­ge­setz müssen diese abga­be­be­freiten Firmen ihre Emis­sionen jedes Jahr um 2% verrin­gern. Dafür sparen sie sich 120.- Franken CO2-Abgabe pro Tonne für die rest­li­chen 98% der Emis­sionen. Zukünftig soll dieser Deal allen Firmen offen­stehen. Und das würde natür­lich zu weniger Einnahmen über die CO2-Abgabe führen.

Am Schluss bezahlen Privat­haus­halte und KMUs

Alles in allem würde so wohl vor allem noch das Geld von privaten Haus­halten und kleinen Firmen in der Klima­kasse landen. Denn Erstere können sich nicht von der CO2-Abgabe auf ihre Heizemis­sionen befreien und für Letz­tere dürfte der admi­ni­stra­tive Aufwand dafür zu gross sein.

Kosten wird die Klima­krise trotzdem. Und weil die einen nicht zahlen müssen, wird es für die anderen teurer. Denn parallel zur Auswei­tung der CO2-Abga­be­be­freiung soll die soge­nannte Teil­zweck­bin­dung erhöht werden – also der Anteil der CO2-Abgabe, der für Klima­mass­nahmen einge­setzt wird. Im Umkehr­schluss wird weniger an Bevöl­ke­rung und Wirt­schaft zurück­ver­teilt: neu nicht mehr knapp zwei Drittel, sondern nur noch rund die Hälfte.

Kurzum: In erster Linie werden die Privat­haus­halte und die KMUs bezahlen. Und zwar nicht nur für sinn­volle Klima­mass­nahmen, sondern auch für den Profit von Holcim, Shell und Hoff­mann-La Roche. Und das sollte endlich auch all dieje­nigen inter­es­sieren, die im vergan­genen Sommer „zu hohe Benzin­preise“ oder „zu teuer für unsere KMUs“ geschrien haben. Denn es werden tatsäch­lich sie sein, die zur Kasse gebeten werden. Die Gross­kon­zerne wissen hingegen ganz genau, an welcher Schraube im CO2-Gesetz sie drehen müssen, um ohne Einbussen davonzukommen.

Schuld daran sind in erster Linie aber weder die Ölhei­zung noch der Benzin­preis, sondern das unre­gu­lierte Profit­streben der Erdöl­firmen, die Auswei­tung der CO2-Abga­be­be­freiung und die Tatsache, dass im Emis­si­ons­handel bis jetzt mehr verschenkt als zur Kasse gebeten wird. Wollen wir die Kosten der Klima­krise in Zukunft fair auf allen Schul­tern verteilen, braucht es deshalb vor allem eines: ein CO2-Gesetz, das sicher­stellt, dass auch die Wirt­schaft einen ange­mes­senen Teil des erwirt­schaf­teten Profits für den Klima­umbau hergibt.

Klima­ge­setz­ge­bung auf einen Blick (oder viel­leicht auf zwei):

Geplante Klima­ge­setz­ge­bung in der Schweiz. (Grafik: Luca Mond­genast)

[1] Laut dem Bundesamt für Umwelt wurden 2019 auf Schweizer Terri­to­rium 46.2 Millionen Tonnen Klima­gase emit­tiert. 32% davon stammen aus dem Verkehr, sprich 14.7 Millionen Tonnen. Multi­pli­ziert mit der CO2-Abgabe von 120.- CHF pro Tonne wären das Einnahmen von 1.774 Milli­arden CHF.

[2] Gratis zuge­teilte Zerti­fi­kate für 38’188’109 Tonnen Klima­gase in acht Jahren, das sind im Schnitt 4’773’513 geschenkte Tonnen. Müsste man dafür 120.- CHF CO2-Abgabe bezahlen, wären es 572’821’635 CHF.



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