Das Laster der Fliegerei

Kerosin ist das Schmier­mittel der Globa­li­sie­rung. Nur blöd, dass die Luft­fahrt den Planeten zerstört. Wie geht die Schweiz damit um? 
Keine gute Aussicht für den Flugverkehr (Foto: Dominik Scythe / Unsplash)

Läge die Schweiz in der Arktis, sie würde unter­gehen. Ein deutsch-ameri­ka­ni­sches Forscherduo hat berechnet, dass ein Flug von Frank­furt nach San Fran­cisco und zurück fünf Quadrat­meter Arktiseis verschwinden lässt. Die Schweizer Bevöl­ke­rung fliegt doppelt so viel wie die der Nach­bar­länder: 9’000 Kilo­meter pro Jahr und Kopf – das entspräche zwei­ein­halb Quadrat­me­tern Eis. Während die Stati­stiken zeigen, dass Schweizer Haus­halte in vielen Berei­chen ökolo­gi­scher werden, ist die Luft­fahrt die am stärk­sten wach­sende Emis­si­ons­ka­te­gorie. In den letzten fünf Jahren hat sie sich fast verdop­pelt, ihr Anteil am Schweizer Klima­ef­fekt beträgt 18 Prozent.

Die Mensch­heit bläst heute so viele Treib­haus­gase in die Atmo­sphäre, dass die mitt­lere Tempe­ratur bis zum Ende des Jahr­hun­derts laut der Uno um 4 Grad steigen könnte. Das wäre ein Arma­geddon. Millionen Menschen würden ihr Zuhause verlieren, Tier­arten aussterben, Dürren ganze Land­striche in Wüsten verwandeln.

Mit dem Horror­sze­nario im Rücken verab­schie­dete die Pariser Klima­kon­fe­renz im letzten Jahr ein Klima­ab­kommen mit dem Vorsatz, die Erder­wär­mung pauschal unter 2 Grad zu halten. Auch die Schweiz ist dabei. Der Vertrag ist ein Fort­schritt. Die Konfe­renz stellte sich hinter Ziele, die Entschlos­sen­heit ausdrücken und Hoff­nung schüren, dass die Welt nicht ohne einen Rettungs­ver­such dem mensch­li­chen Versagen ausge­lie­fert bleibt – Ein starker Kontrast zur Passi­vität der letzten Jahre.

Doch im Hinblick auf die düsteren Prognosen der Wissen­schaft ist das Abkommen schwach: In den meisten Ländern bleiben staat­liche Subven­tionen für fossile Ener­gie­träger unan­ge­ta­stet und die Luft­fahrt wird mit keiner Silbe erwähnt. Hier hat der Wille zum Kompro­miss ein Ende. Keine Regie­rung geht die Flie­gerei frei­willig hart an. Sie haben gute Gründe. Die globale Wirt­schaft ist auf die Flug­zeuge ange­wiesen, wie die Land­wirt­schaft auf ihre Trak­toren. Und jede kluge Regie­rung weiss: Versuche nie, einem Bauern den Traktor wegzunehmen.

Der Preis macht den Markt

Wäre die Luft­fahrt im Klima­ab­kommen einge­schlossen, würden die wenig­sten west­li­chen Indu­strie­na­tionen ihre hoch­ge­steckten Ziele errei­chen. Auch die Schweiz als Stre­berin unter den Klima­sün­dern hätte grösste Mühen. Der Bundesrat denkt zwar laut darüber nach, Ölhei­zungen oder Diesel­mo­toren zu verbieten, um damit den Erwar­tungen der Klima­ziele gerecht zu werden, die Luft­fahrt als Umweltsau hingegen bleibt im grünen Schatten des Pariser Abkom­mens unan­ge­ta­stet. Emis­sionen, die im Klima­zeugnis nicht bewertet werden, zählen für die Schweizer Politik nicht. Derzeit unter­nimmt kein Land genug, um das Zwei-Grad-Ziel zu errei­chen. Auch die Schweiz nicht.

Der eigent­liche Skandal: Die Schweiz lässt die Luft­fahrt­branche nicht nur in Ruhe, sondern sie subven­tio­nieren sie auch indi­rekt. Die inter­na­tio­nale Luft­fahrt ist von den Mehr­wert- und Mine­ral­öl­steuern befreit, die beim Auto­benzin über die Hälfte des Preises ausma­chen. Hinzu kommt, dass der euro­päi­sche Binnen­markt den Aufstieg von Billi­g­air­lines wie Easyjet ermög­licht und so tradi­tio­nelle Flug­ge­sell­schaften einem enormen Preis­druck ausge­setzt hat. Fliegen war noch nie so billig. Die tiefen Preisen begün­stigen die globalen Handels­ströme und füttern die Mobi­li­tätswut einer jungen Gene­ra­tion, die es in die Ferne zieht.

Wie kann die Schweiz verhin­dern, dass die Flug­e­mis­sionen weiter rasant zunehmen? Die Lösung ergibt sich aus dem Problem. Die Preise müssen wieder drastisch steigen: Kerosin muss wie alle anderen Mine­ralöle besteuert, die Mehr­wert­steuer aufge­schlagen werden. Es braucht eine zusätz­liche Ticket­steuer, wie sie bereits alle wirt­schafts­starken euro­päi­schen Staaten kennen. Das umwelt­schäd­liche Verkehrs­mittel wurde zu lange verhät­schelt und ökono­mi­sche Befind­lich­keiten haben ange­sichts der drohenden Kata­strophe keine Berech­ti­gung mehr. Das Shop­ping­wo­chen­ende am anderen Ende der Welt wird dann keinen Spass mehr machen, wenn kein Geld zum Einkaufen übrigbleibt.

Der Staat kann seine Bürger zwar mit Steuern bestrafen wie Pawlov seinen Hund und hoffen, dass er irgend­wann begreift. Doch die Schmer­zens­grenze liegt in der reichen Schweiz hoch. Am Ende entscheidet immer der Konsu­ment, die Konsu­mentin. Die Verant­wor­tung liegt bei ihnen. Es mag Gründe geben, die das Fliegen recht­fer­tigen. Die Liebe. Das Flücht­lings­pro­jekt. Ausreden, Erklä­rungen sind viele zur Hand. Lohnt es sich dafür die hohen Emis­sionen in Kauf zu nehmen? Stellen Sie sich bei näch­sten Ticket­kauf vor, ihr Zuhause wäre eine Eisscholle von der Grösse ihres Schlaf­zim­mers. Würden Sie jetzt noch in ein Flug­zeug steigen?

Dieser Beitrag erschien bereits auf Elias persön­li­chem Blog.

 


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