Das verfluchte Gold

Der Bergbau schafft Arbeits­plätze, aber immer auf Kosten der Umwelt. Symbo­lisch dafür steht die Stadt Anda­collo im Norden Chiles, der Ort des Goldes. 
In Andacollo lebt der Bergbau mit der Religion im scheinbaren Einklang. Blick von einer Abraumhalde im Stadtzentrum auf die Kathedrale. (Foto: Rodrigo Salinas)

Der klein­ge­wach­sene Héctor Luis Vicencio Quin­tana steht auf einem Hügel über seiner Heimat­stadt, im Hinter­grund eine Strasse, die direkt zu den Häusern führt. Sein Blick wirkt lako­nisch, fast tragisch. Er richtet die Augen auf sein Zuhause und sagt: „Wir haben unsere eigene Zukunft zerstört.“

Das Städt­chen heisst Anda­collo, doch die Geschichte könnte in irgend­einer der Berg­bau­städte statt­finden, die in den kleinen Tälern der chile­ni­schen Anden liegen. Es sind Städte, die seit jeher mit der Suche nach Mine­ra­lien verbunden sind.

Um die Suche nach Gold und anderen Metallen entstehen Geschichten, Mythen und reli­giöse Zere­mo­nien. So ist auch Anda­collo als Wall­fahrtsort bekannt. Zweimal jähr­lich kommen katho­li­sche Gläu­bige aus dem ganzen Land, um der Jung­frau von Anda­collo zu huldigen. Über den kleinen Häusern der Stadt, am zentralen Platz, thronen zwei riesige Kirch­türme: Das Gold der Berge ist Segen und Fluch zugleich.

Um die Stadt herum befinden sich zwei riesige Gruben. Sie sind das Resultat der Arbeit zweier Berg­werke, die sich in den 90er-Jahren ange­sie­delt und tief in den Berg hinein­ge­fressen haben. Die eine ist heute inaktiv. In der anderen fahren haus­hohe Last­wagen das Gestein zu riesigen Sortier­ma­schinen. Dort werden Kupfer, Gold und das seltene Molybdän durch chemi­sche und elek­tri­sche Verfahren aus der Erde gewaschen.

Die Mine gehört dem kana­di­schen Unter­nehmen Teck, dass der Stadt und ihren Bewohner*innen einst Wohl­stand versprach. Doch dieser wird in Form von Gold direkt aus dem Bergbau zum Flug­hafen trans­por­tiert und landet ein paar Stunden später in Zürich. In der Schweiz wird es verar­beitet und verkauft. Während­dessen bleibt in Anda­collo ein riesiges Staubecken zurück, gefüllt mit Schwer­me­tallen wie Arsen, Queck­silber und Zyanid, die zum Auswa­schen von Gold und Kupfer verwendet werden.

Auch Vicencio lebte einst vom Gold in den Bergen, dann wurde er wegen seines Kampfes für die Umwelt entlassen. Heute sieht er, wie seine Heimat durch die endlose Suche nach Reichtum zerstört wird. In ganz Chile hat die Suche nach Wohl­stand einen Preis: die Ausbeu­tung aller natür­li­chen Ressourcen und die Vergif­tung der Böden und Gewässer.

In diesem ersten Teil der vier­tei­ligen Serie geht es um die Zerstö­rung eines Ortes – seit der Kolo­nia­li­sie­rung durch die spani­sche Krone bis heute.

Was vom Gold übrigbleibt

Anda­collo gibt es nur, weil Gold unter dem Boden schlum­mert. Als die spani­schen Kolo­ni­al­herren Anfang des 17. Jahr­hun­derts den Ort erreichten, beschrieben die ersten Briefe an die spani­sche Krone die Hügel um Anda­collo als äusserst reich an Gold und Kupfer.

‚Anta‘ bedeutet in der indi­genen Sprache Quechua Gold oder Kupfer und ‚Collo‘ Hügel. Um die Hügel von Anda­collo entstand mitsamt der Suche nach den Metallen ein reli­giöser Kult. Zweimal im Jahr reisen bis heute tausende Gläu­bige in die trockene und hüge­lige Land­schaft, um der Jung­frau von Anda­collo zu huldigen. Ein Glaube, der eben­falls der Grün­dung der Klein­stadt entspringt.

Verkauf reli­giöser Mitbringsel im Stadt­zen­trum von Anda­collo. (Foto: Rodrigo Salinas)

Angeb­lich sah ein Kind Anfang des 17. Jahr­hun­derts die Jung­frau Maria in der Nähe von Anda­collo erscheinen. Grund genug, um den Ort für heilig zu erklären und eine riesige Kathe­drale zu bauen. Heute weisen Historiker*innen darauf hin, dass Jung­frau­er­schei­nungen von der spani­schen Krone erfunden wurden, um reli­giöse Bräuche der Indi­genen zu über­tün­chen und wert­volle Orte zu markieren. Archäo­lo­gi­sche Funde stärken die Vermu­tung, dass Anda­collo schon vor der spani­schen Krone ein wich­tiger zere­mo­ni­eller Ort war.

Heute leben in der Klein­stadt unge­fähr elftau­send Menschen, Vicencio ist einer davon. Im Gespräch erzählt er, wie die jungen Leute unter der Woche in benach­barte Städte pendeln. Denn hier gibt es im Unter­schied zu früheren Zeiten kaum Arbeit. Bis Ende der 1990er-Jahre lebten die Menschen vom hand­werk­li­chen Gold­abbau: Sie bohrten kleine Löcher in den Boden und wuschen dann das Gold mit Queck­silber aus der Erde, entweder zu Hause oder in den Dutzenden Werk­stätten rund um die Stadt. Die giftigen Reste lagerten sie in Sand­bergen gleich neben ihren Häusern ab.

In vier Kapi­teln widmet sich das Lamm dem Bergbau in Anda­collo. Der Fall zeigt exem­pla­risch auf, wie legaler Gold­abbau im globalen Süden funk­tio­niert und was dieser für die lokale Bevöl­ke­rung bedeutet. 

Vicencio begann im Alter von 26 Jahren in den kleinen Löchern der hand­werk­li­chen Gold­minen zu graben – die einzige Arbeit, die er finden konnte. Er studierte in der nahe gele­genen Stadt La Serena und war Mitglied der Sozia­li­sti­schen Partei, doch 1973 putschte sich das Militär an die Macht. Vicencio wurde inhaf­tiert und gefol­tert, später kam er frei, doch sein Studium konnte er nicht fort­setzen und niemand wollte ihm wegen seiner linken Ideale einen Job geben. Also musste er in den Minen nach Gold suchen. Eine Arbeit unter Lebens­ge­fahr, die er damals aber noch nicht ernst nahm.

Er erin­nert sich: „Damals haben wir uns keine Sorgen um unsere Gesund­heit gemacht. Wir fühlten uns immun.“ Niemand habe Atem­schutz­masken benutzt. Man habe Geld sparen und keine teuren Filter kaufen wollen. Aber gerade das Bohren von Spreng­lö­chern im Inneren der Mine und die anschlies­sende Explo­sion verur­sa­chen viel Staub, der Auslöser für Sili­kose ist.

Die klit­ze­kleinen Staub­par­tikel setzen sich in der Lunge ab, können aber vom Körper nicht abge­baut werden. Dies führt zu Entzün­dungen und der Bildung von Binde­ge­webe in der Lunge. Das Atmen wird immer schwie­riger, die Stimme wird heiser und schwä­cher, bis die Menschen buch­stäb­lich ersticken.

Die Ärztin Muriel Ramírez von der Katho­li­schen Univer­sität des Nordens sagt, dass in Anda­collo mehr Menschen an Lungen­pro­blemen sterben als im Durch­schnitt. Fünfzig Prozent mehr als auf natio­naler Ebene. „Die Betrof­fenen sind haupt­säch­lich Männer über 60 Jahre, die seit Jahr­zehnten in den Minen arbeiten und keine adäquaten Schutz­ele­mente benutzt haben“, sagt sie.

Doch nicht nur die Berg­ar­beiter sind gemäss Ramírez betroffen: „Nach den Gesund­heits­vor­schriften dürfte hier eigent­lich niemand leben.“ Die giftigen Hügel mitten in der Stadt seien bereits Grund genug, zusätz­liche Bauten zu verbieten. Doch die Realität sieht anders aus.

Anfang der 1990er-Jahre versuchte die neue demo­kra­ti­sche Regie­rung, auslän­di­sche Inve­storen anzu­ziehen, und siedelte zwei Berg­bau­un­ter­nehmen in Anda­collo an. Eine davon, die Dayton-Gold­mine, ist inzwi­schen still­ge­legt, während die andere, die Kupfer- und Gold­mine von Teck, seit 1995 in den Anden in Betrieb ist und voraus­sicht­lich bis 2031 weiter­ar­beiten wird.

Die grossen Minen verdrängten den hand­werk­li­chen Bergbau und lösten damit vormals ein Problem: Anstatt der Abraum­halden im Zentrum der Stadt baute man nun zwei riesige Stau­seen, wo die giftigen Über­reste weit über der Stadt gela­gert werden. Traurig erin­nert sich Vicencio daran, dass unter ihm die letzte natür­liche Quelle im Tal begraben wurde. Mitt­ler­weile wird das Wasser für die Mine und die Bevöl­ke­rung aus benach­barten Tälern hochgepumpt.

Anda­collo bleibt bis heute eine konta­mi­nierte Stadt. Laut dem Natio­nalen Dienst für Geologie und Bergbau gibt es mitt­ler­weile 121 Abraum­halden in Andacollo.

Die Grube von Teck mit Anda­collo im Hinter­grund. Täglich weht der Staub der Spren­gungen über die Stadt. (Foto: Rodrigo Salinas)

Im Jahr 1996 begann Vicencio bei Teck zu arbeiten. Er war jung und bekam einen Job, nachdem viele kleine Berg­werke schliessen mussten und ältere Leute von den grossen Berg­werken abge­lehnt wurden. Teck und Dayton siedelten über den besten Gold- und Kupfer­adern an, vertrieben die hand­werk­li­chen Mineur*innen, brauchten aber weitaus weniger Leute, als zuvor in den Löchern gear­beitet hatten.

Vicencio sagt, dass die Arbeits­be­din­gungen damals viel besser und der Lohn am Ende des Monats garan­tiert gewesen sei. Auch Schutz­klei­dung sei zur Verfü­gung gestellt worden. Doch mit den besseren Arbeits­be­din­gungen für die Arbeiter*innen begannen die Umweltprobleme.

Die Minen sind riesige offene Löcher. Bohrungen, LKW-Trans­port und vor allem Spren­gungen verur­sa­chen gewal­tige Staub­wolken, die sich über Anda­collo ausbreiten.

Das Ausmass ist erschreckend: Seit 2009 gilt Anda­collo als „gesät­tigte Gemeinde“, eine Gemeinde, in der die Fein­staub­be­la­stung den chile­ni­schen Grenz­wert von 50 Mikro­gramm Fein­staub pro Kubik­meter Luft im Jahres­durch­schnitt über­schreitet. Zum Vergleich: Die Schweiz und die Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­tion haben den Grenz­wert auf einen Jahres­durch­schnitt von 10 Mikro­gramm pro Kubik­meter Luft festgelegt.

Die Erklä­rung zur gesät­tigten Gemeinde bedeutet, dass in Anda­collo keine neue Indu­strie ange­sie­delt werden darf. 2015 trat ein Plan zur Verrin­ge­rung der Umwelt­ver­schmut­zung in Kraft. Obwohl er als Fünf-Jahres-Plan zur „Errei­chung normaler Luft­qua­li­täts­be­din­gungen“ proji­ziert wurde, setzte man ihn im Jahr 2020 still­schwei­gend fort. Bis heute über­schreitet Anda­collo regel­mässig die ohnehin schon hohen Grenz­werte. Und trotzdem soll die Mine von Teck erwei­tert werden.

Giftige Riesen

Neben den kleinen Häusern der Stadt thronen die gelben Riesen. Sand­berge, die zum Teil schon vor Jahr­zehnten verlassen wurden. Im fest gewor­denen Sand sind Rillen zu erkennen, an denen an den wenigen Regen­tagen im Jahr das Wasser hinun­ter­fliesst, direkt auf die Strasse und in die Gärten der Häuser. Giftiger Schlamm als Abschieds­ge­schenk jahr­hun­der­te­langer Minenaktivitäten.

In der näch­sten Stras­sen­ecke, ein kleines Kran­ken­haus – das einzige weit und breit. Maria­nela Rojas arbeitet hier, sie ist die Präsi­dentin der Gewerk­schaft des Gesund­heits­per­so­nals CONFUSAM. Sie erzählt: „Unserer Gesund­heit geht es schlecht, es gibt viele Atem­wegs­er­kran­kungen aufgrund von Covid, aber auch wegen der Luftverschmutzung.“

Maria­nela Rojas im Kran­ken­haus von Anda­collo. (Foto: Rodrigo Salinas)

Laut offi­zi­ellen Zahlen, die das Lamm per chile­ni­schem Öffent­lich­keits­ge­setz zugäng­lich gemacht wurden, liegen die Herz- und Kreis­lauf­krank­heiten, also jene, die zum Teil auf Luft­ver­schmut­zung zurück­zu­führen sind, weit über dem natio­nalen Durchschnitt.

Im Jahr 2009 lag die Sterb­lich­keits­rate durch solche Krank­heiten auf natio­naler Ebene bei 49,8 pro 100’000 Einwohner*innen, während sie in der Gemeinde Anda­collo 181,7 betrug, also mehr als das Drei­fache der natio­nalen Rate. Bis 2019 hat sich der Unter­schied zwischen dem natio­nalen Durch­schnitt und der Gemeinde Anda­collo verrin­gert, bleibt aber deut­lich höher. 72,6 Todes­fälle pro 100’000 Einwohner*innen, gegen­über 110,8 in Anda­collo. Auch die Kinder­sterb­lich­keit liegt mit 11,7 bei 1’000 lebend gebo­renen Kindern weit über dem natio­nalen Durch­schnitt von 6,9.

Doch dem Spital der Stadt fehlt es an allem. Es wirkt herun­ter­ge­kommen, die Farbe blät­tert von den Wänden ab, die Maschinen sind alt. Rojas erzählt, dass es kaum medi­zi­ni­sche Spezialist*innen gebe, denn es fehle an Geld. Ausserdem wolle hier niemand wohnen. Für fast alle Eingriffe müsse man über die Pass­strasse in die nächste Stadt Coquimbo, die rund 50 Kilo­meter entfernt liegt.

Anda­collo ist mit derselben Realität konfron­tiert wie viele andere Berg­bau­städte Chiles: Die gesund­heit­li­chen Einrich­tungen sind in einem schlechten Zustand, die Bevöl­ke­rung leidet unter den Auswir­kungen der Umweltverschmutzung.

Verschie­dene Studien haben im Fall von Anda­collo einen hohen Gehalt von Queck­silber in den Abraum­halden gemessen sowie eine beson­dere Gesund­heits­ge­fähr­dung für die lokale Bevöl­ke­rung durch Fein­staub und Schwermetalle.

Eine 2012 von der School of Public Health der Univer­sidad de Chile durch­ge­führte Studie unter­suchte die gesund­heit­li­chen Auswir­kungen auf Kinder von Fein­staub aus Minen­ab­fällen, die in der Bucht von Chañaral, nörd­lich von Anda­collo in der Atacama-Region, abge­la­gert wurden.

Die Studie kommt unter anderem zum Schluss, dass die Atem­wegs­funk­tion der unter­suchten Schul­kinder durch erhöhte Fein­staub­werte beein­träch­tigt wird, was bei lang­fri­stigem Expo­niert­sein sogar zu chro­ni­schen Krank­heiten führen kann. Verstärkt wird dies durch das Vorhan­den­sein von Schwer­me­tallen im Fein­staub, die Entzün­dungs­ef­fekte auf der Ebene des Lungen­pa­ren­chyms hervor­rufen können. Und so über­rascht auch nicht, dass die Kinder­sterb­lich­keit mit zehn Fällen pro 1’000 fast doppelt so hoch ist wie im natio­nalen Mittel.

In Chañaral gibt es gerade einmal sieben Abraum­halden. Eine sehr viel gerin­gere Menge als im benach­barten Andacollo.

Für Ivanna Olivares, eine Umwelt­ak­ti­vi­stin aus der Region von Coquimbo, spie­gelt die Situa­tion in Anda­collo wider, was in vielen Gemeinden im chile­ni­schen Norden geschieht: „Anda­collo, Illapel und La Higuera sind die Gemeinden, in denen sich die meisten Altla­sten in der Region sammeln. Ein Gross­teil der Abfälle befindet sich inner­halb des Stadt­ge­biets, einige sogar in der Nähe von Wohn­häu­sern, Schulen oder Wasser­läufen.“ Dies beein­träch­tige die Lebens­mit­tel­qua­lität, die Gesund­heit, insbe­son­dere der schwäch­sten Bevöl­ke­rungs­gruppen wie Kinder und älteren Menschen.

Eine Studie aus dem Jahr 2020, die in Anda­collo durch­ge­führt wurde, unter­suchte den Zusam­men­hang zwischen der Fein­staub­be­la­stung (PM10) und dem Vorhan­den­sein von still­ge­legten Berg­werks­ab­fällen. Die Schluss­fol­ge­rungen sind eindeutig: „Die Emis­sionen aus still­ge­legten und inak­tiven Abraum­halden zeigen, dass das PM10-Inventar ansteigt, so dass es notwendig ist, die gesetz­li­chen Rege­lungen über Emis­si­ons­fak­toren zu ändern und an die chile­ni­sche Realität anzu­passen.“ Sprich: Die Halden sollten nicht weiter in der Stadt existieren, da sie eine enorme Fein­staub­be­la­stung darstellen. Und: Die chile­ni­sche Norm erlaubt viel zu hohe Feinstaubwerte.

Seit Jahr­zehnten doku­men­tiert Hector Vicencio die Zerstö­rung seiner Heimat­stadt. Vom Rand des künst­li­chen Stau­sees von Teck lässt sich das Ausmass erkennen. Der See ist gefüllt mit giftigem Schlamm. (Foto: Rodrigo Salinas)

Gerne würde auch die Medi­zi­nerin Muriel Ramirez weitere Studien durch­führen, doch es fehlt an Geldern und die öffent­li­chen Mess­an­lagen entspre­chen kaum den inter­na­tio­nalen Stan­dards. „Die einzige Mess­sta­tion, die nicht dem Berg­bau­un­ter­nehmen gehört, wird weder akkurat noch regel­mässig gewartet“, so Ramírez. Aufgrund dessen ist es unmög­lich, die Daten als vertrau­ens­würdig einzu­ordnen. Das zustän­dige Umwelt­mi­ni­ste­rium sollte drin­gend Verbes­se­rungen durch­führen, hat dies bislang aller­dings weder ange­kün­digt geschweige denn umgesetzt.

Anda­collo ist dadurch zu einem Para­de­bei­spiel für eine durch Abraum konta­mi­nierte Stadt geworden, doch das Problem der Berg­bau­ab­fälle ist ein landes­weites. Der Mangel an staat­li­cher Aufmerk­sam­keit war einer der Haupt­fak­toren für den unkon­trol­lierten Bau der Halden.

Zwar wurde bereits im Jahr 1970 das erste Geset­zes­de­kret erlassen, das den Bau der Halden regelte. Doch es dauerte 37 Jahre, bis eine Verord­nung erlassen wurde, die sich der Stilllegung von Abraum­halden widmete. Denn um die Abson­de­rung von Schad­stoffen zu verhin­dern, müssen die Halden versie­gelt werden. So sind alle Abraum­halden, die zwischen 1970 und 2007 gebaut wurden, sich selbst über­lassen – niemand ist für die Folgen verantwortlich.

Die Umwelt­ak­ti­vi­stin Ivanna Olivares meint, der Bergbau würde seine Kosten durch Umwelt­ver­schmut­zungen wie den Berg­bau­halden exter­na­li­sieren. Der Gewinn geht, die Verschmut­zung bleibt. Das Stich­wort dafür ist Extrak­ti­vismus. Daher sei es für sie „eine Prio­rität, zu einem post-extrak­ti­vi­sti­schen Wirt­schafts­mo­dell über­zu­gehen, weil die Klima­krise dies verlangt, ebenso wie die tiefe Krise der Gemein­schaften und Gebiete, die für die Aufrecht­erhal­tung dieses wirt­schaft­li­chen Modells geop­fert wurden“, schliesst sie.

Für die Gewerk­schaf­terin Rojas ist die Unge­rech­tig­keit offen­sicht­lich. Sie erin­nert sich, dass das Berg­bau­un­ter­nehmen Teck in Kanada ein neues Kran­ken­haus in der Nähe seiner Berg­bau­an­lagen gebaut hat, in Chile hingegen nicht.

Diese Kombi­na­tion vom Abbau natür­li­cher Ressourcen, der fehlenden Gewinn­be­tei­li­gung der lokalen Bevöl­ke­rung und der Zerstö­rung der Umwelt birgt Konflikt­po­ten­zial. Nach Angaben des chile­ni­schen Natio­nalen Insti­tuts für Menschen­rechte (INDH) kämpfen an 128 Orten im ganzen Land Menschen gegen konkrete Umwelt­pro­bleme, ausge­löst durch die ansäs­sige Indu­strie. 27 Prozent davon stehen in direktem Zusam­men­hang mit dem Bergbau, wobei die Menschen vor allem das Menschen­recht auf eine gesunde und schad­stoff­freie Umwelt einfordern.

Auch in Anda­collo hat sich die Bevöl­ke­rung mehr­mals gegen die Verschmut­zung erhoben. Hector Vicencio war jeweils dabei, heute kämpft er weiter gegen die Umwelt­ver­schmut­zung. Doch es wirkt wie ein Kampf gegen Windmühlen.

Diese Repor­tage wurde mit Unter­stüt­zung von Journa­FONDS recher­chiert und umgesetzt.


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