Dass Kaffeekapseln für die Umwelt eher problematisch sind, hört man immer wieder. Umso mehr erstaunt es, dass man sich laut einem von Nespresso gesponserten Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) nicht mit einem schlechten Gewissen herumplagen müsse beim Kapselkaffeegenuss, weil Alu ohne Ende rezykliert werden könne. Klingt gut, aber stimmt das auch?
Die Aussage ist an sich nicht falsch. Aluminiumkapseln können theoretisch sehr gut recycelt und zu anderen Alu-Produkten weiterverarbeitet werden. Auf der Website von Nespresso kann man zum Thema Recycling folgendes Statement lesen: „In der Schweiz existiert eine Recyclingkapazität für gebrauchte Aluminiumkapseln von 100%“. Sprich: Theoretisch gäbe es in der Schweiz die Infrastruktur, um 100% der verwendeten Kapseln einzusammeln und wiederzuverwerten. Nur: Man findet auf dieser Seite keine Angaben dazu, wie hoch die tatsächliche Sammelquote ist. Zudem stellt sich die Frage, aus was für Alu die Kapseln selbst hergestellt werden – aus frischem oder aus recyceltem?
Bei der Herstellung von neuem Alu geht sehr viel CO2 in die Atmosphäre
Es ist natürlich löblich, wenn Nespresso sich dafür einsetzt, dass die gebrauchten Kapseln gesammelt werden, um in einer neuen Form ein zweites Leben zu erhalten. Was aber mit den gebrauchten Kapseln geschieht, ist nur die eine Seite der Alu-Medaille. Was für Alu für die Produktion der neuen Kapseln verwendet wird, die andere.
Dabei wäre diese Frage genauso wichtig. Denn laut der Igora-Genossenschaft für Aluminiumrecycling, in der sich die Akteure der Verpackungs- und Aluminiumindustrie zusammengeschlossen haben, ist die Gewinnung von frischem Alu enorm energie- und CO2-intensiv. Bei der Verwendung von Recyclingaluminium werden im Vergleich zur Erstherstellung von Aluminium pro Kilogramm Alu neun Kilogramm CO2 und bis zu 95 % der ursprünglich aufgewendeten Energie eingespart. Je mehr Recyclingaluminium Nespresso also für die Herstellung seiner Kapseln einsetzt, desto weniger frisches Alu muss für die Produktion der Kapseln hinzugekauft werden. Und je weniger Frisch-Alu hergestellt werden muss, desto besser ist das für das Klima und schlussendlich auch für jede und jeden von uns.
Zu wieviel Prozent die Kapseln aus Recycling-Alu bestehen, erfährt man jedoch weder auf der nespressoeigenen Nachhaltigkeitsseite noch im Sponsored Content der NZZ. Deshalb haben wir nachgefragt:
Liebe Leute von Nespresso,
ich habe diesen Artikel von euch in der NZZ gelesen und hätte nun eine Frage: Benutzt ihr recyceltes Alu für eure Kaffeekapseln?
Vielen Dank für eine kurze Antwort und liebe Grüsse,
das Lamm
Kurze Zeit später erreicht uns eine mit viel Marketingdeutsch durchzogene Antwort:
Sehr geehrtes Lamm
Selbstverständlich nehmen wir Bezug auf Ihre Anfrage bezüglich recyceltem Aluminium und geben Ihnen folgende detaillierte Informationen weiter.
Es ist unmöglich, den Anteil eines Aluminiumbarrens auf recyceltes oder neues Aluminium zu bestimmen. Das Ziel eines Recyclingkreislaufes von gebrauchtem Aluminium ist es, diesen nicht zu unterbrechen.
Nespresso glaubt an den Wert dieses Metalls und an die Wichtigkeit des Recyclings, sodass wir bereits in vielen Ländern ein eigenes Recyclingsammelsystem für gebrauchte Kapseln eingeführt haben.
Für Nespressokapseln brauchen wir wenig gemischtes Aluminium und es ist schwierig, diese Legierung aus einem Recyclingformat zu erhalten. Die Wiederverwendung von gebrauchten Kapseln zu neuen Kapseln, sofern diese umweltverträglich ist, ist Teil unserer Strategie für 2020.
Wir wünschen Ihnen einen schönen Tag und genussreiche Momente mit Nespresso.
Freundliche Grüsse
Nespresso-Team
Nespresso strebt also einen in sich geschlossenen Recyclingkreislauf an. Aber ein Kreis ist eben nur dann ein Kreis, wenn er weder ein Anfang noch ein Ende hat. Und das wiederum wäre nur der Fall, wenn die Kapseln selbst aus 100% Recyclingaluminium bestehen würden. Braucht es für die Kapseln jedoch frisches Alu, stellen die Kapseln selbst genau die Unterbrechung des Kreislaufes dar, die Nespresso laut eigenen Angaben nicht will. Um also beurteilen zu können, inwieweit der Alu-Kreislauf bei Nespresso wirklich geschlossen ist, müsste man wissen, zu welchem Anteil die Kapseln aus Recycling-Alu bestehen.
Deshalb wenden wir uns mit derselben Frage erneut an die Firma Nespresso. Doch obwohl wir auf die zweite Anfrage eine Antwort direkt aus der Nachhaltigkeitsabteilung von Nespresso erhalten, suchen wir auch darin vergebens nach einer genauen Prozentangabe:
Nespresso-Kapseln sind zum Teil aus recyceltem Aluminium hergestellt. Nespresso-Kapseln erfordern Aluminium mit einem bestimmten Oxidationsgrad. Die Verfügbarkeit von recyceltem Aluminium mit diesem spezifischen Oxidationsgrad ist sehr gering. Die beste Quelle für Aluminium mit dem richtigen Oxidationsgrad sind recycelte Nespresso-Kapseln.
Auch hier erfahren wir nicht, wieviel Recyclingaluminium tatsächlich in den Kapseln steckt. Ob Nespresso uns das nicht sagen kann oder nicht sagen will, können wir nicht beurteilen. Eine andere Ungereimtheit ist aber ziemlich offensichtlich: Wenn die beste Quelle für recyceltes Alu gebrauchte Nespressokapseln sind, Nespresso aber gleichzeitig sagt, dass die Verfügbarkeit von recyceltem Alu mit den benötigten Eigenschaften sehr gering ist, passt dies nicht zu einer 100%igen Sammelkapazität. Oder aber: Dieser 100%igen Sammelkapazität steht eine viel geringere tatsächliche Sammelquote gegenüber. Denn kämen wirklich 100 % der Kapseln zurück, würde der Produktion von neuen Kapseln aus 100 % Recycling-Alu aus gesammelten Kapseln ja nichts im Weg stehen.
Wieviel Recycling-Alu tatsächlich in den Kapseln steckt, konnten wir nicht rausfinden
Sehr gerne hätten wir herausgefunden, wie hoch der Anteil an Recycling-Alu in den Nespressokapseln tatsächlich ist. Doch auch nach mehreren Monaten Recherche können wir hier leider keine Prozentzahl, ja nicht einmal eine Grössenordnung angeben. Lediglich Philip Sommer von der nichtstaatlichen Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) wagt es, hierzu konkret Stellung zu beziehen:
Nach unserer Kenntnis und nach Aussagen der Kaffeekapselhersteller bestehen Alu-Kaffeekapseln derzeit zu 100 % aus neu produziertem Aluminium und zu 0 % aus Recyclingaluminium. Das hat den Hintergrund, dass die Kapsel im Tiefziehverfahren hergestellt wird und hierfür eine hohe Reinheit des Materials bzw. eine exakte Legierung benötigt wird. Perspektivisch könnte es sein, dass man für die Deckelfolie irgendwann Recyclinganteile einsetzen kann.
Dies hätte ihm Nespresso vor etwa einem Jahr so mitgeteilt. Ob das wirklich stimmt, haben wir über mehrere Fachpersonen versucht zu verifizieren. Leider fanden wir keine Antworten, sondern lediglich verschwiegene ExpertInnen und verschnörkelte Ausweichmanöver seitens Nespresso. Vielleicht kennt sich ja jemand in unserer Leserschaft mit Alu, Recycling und Tiefziehverfahren aus. Dann würden wir uns über qualifizierte Kommentare freuen.
Wieviel Recycling-Alu wirklich in den Nespressokapseln steckt und wie nachhaltig die Kapselproduktion also tatsächlich ist, bleibt bis dahin irgendwo im Kaffeedunst verborgen. Dass es sich um einen grossen Anteil handelt, ist jedenfalls zu bezweifeln. Denn dann würde dies Nespresso an die ganz grosse Glocke hängen.
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