„Torffrei“ steht auf immer mehr Erden, die uns in den Gartenbauabteilungen anlachen. Und das ist gut so. Denn Torf macht sich zwar als Wasserspeicher gut in der Gartenerde, ist aber in seiner natürlichen Umgebung noch viel wertvoller. Torf bildet sich in Hochmooren und besteht aus abgestorbenen Moosen. Die wichtigsten Moose für die Torfbildung sind diejenigen aus der Gruppe der Sphagnum-Moose.
Da es in einem Moor immer nass ist, die Moose aber Luft brauchen, um zu überleben, türmen sich die Torfmoose jedes Jahr ein wenig höher auf. Die frischen Torfmoose wachsen auf den letztjährigen, die langsam in der ewigen Feuchtigkeit des Moores versacken. Die Feuchtigkeit ist dafür verantwortlich, dass die Torfmoose nie ganz verrotten, sondern zu Torf werden. Aber dieser Vorgang dauert lange: Bis sich eine einen Meter dicke Torfschicht gebildet hat, dauert es 1000 Jahre.
Wird der Torf abgebaut, ist das Hochmoor weitgehend zerstört – und damit auch die Heimat all der Pflanzen und Tiere, die das Ökosystem bewohnen. Seit der Annahme der Rothenthurm-Initiative im Jahr 1987 stehen deshalb alle noch vorhandenen Hochmoore der Schweiz unter absolutem Schutz. De facto beinhaltet dieser Schutz auch das Verbot von Torfabbau – auch wenn ein solches Verbot nirgends explizit ausformuliert ist. Der Eidgenossenschaft scheint es ernst zu sein mit dem Schutz der Moore.
Staunend steht das Lamm in der Landi vor einem grossen Palett Torf
Umso überraschter war das Lamm, als es in einer Landi-Filiale in der Nähe von Rapperswil-Jona vor einem ganzen Palett Torf stand. Über einen Meter hoch stapelte sich die Sphagnummasse: 1000 Jahre Torfwachstum – abgepackt in 50-Liter-Plastiksäcke.
Woher kommt dieser Torf? In welchem Moor hat sein Abbau ein Loch hinterlassen, das erst in einem Jahrtausend wieder zugewachsen sein wird? Und findet es die Landi nicht seltsam, etwas zu verkaufen, das man hier nicht mehr abbauen darf, weil dadurch die Moore mit ihrem Artenreichtum kaputt gehen? Wir haben bei der Landi nachgefragt.
Guten Tag
Vor ein paar Tagen stand ich wieder einmal in einer Landi-Filiale, was für mich als Stadtmensch immer ein besonderes Erlebnis ist. Sehr gerne bestaune ich all die Gartenwerkzeuge, Töpfe und Sämereien, welche in meinem städtischen Leben leider gerade nur sehr beschränkt zum Einsatz kommen. Eines Ihrer Produkte hat mich aber etwas verwirrt. Im Aussenbereich der Landi war ein ganzes Palett Torf zum Verkauf aufgestapelt. Dazu hätte ich zwei Fragen:
- Da man Torf ja nicht in der Schweiz abbauen kann, würde ich gerne wissen, woher der Torf, den Sie verkaufen, genau stammt.
- Finden Sie es nicht komisch, dass Sie etwas verkaufen, dessen Abbau hier (also in der Schweiz) de facto verboten ist?
Ich würde mich sehr über eine kurze Antwort freuen.
Liebe Grüsse
Das Lamm
Richtig schnell flatterte die Antwortmail von der ländlichen Landi-Filiale in die städtische Lamm-Redaktion. Zur ersten Frage lässt uns die Medienstelle der Landi folgendes wissen:
Der Torf, der in der LANDI verkauft wird, stammt ausschliesslich von staatlich lizenzierten Abbaugebieten. In Estland wird die Lizenzierung durch Keskkonnaamet vorgenommen. Keskkonnaamet ist das Umweltamt, das dem Umweltministerium unterstellt ist. Die Lizenzierung regelt beispielsweise die maximale Jahresmenge oder dass bis 50 cm Restmenge abgebaut werden darf. Zudem müssen die Torflagerstätten nach dem Abbau wieder vernässt werden, so dass sich wieder Moore bilden (Renaturierung).
Die Restmenge von 50 cm und die Wiedervernässungspflicht sind sicher keine schlechten Ideen. Dadurch bleibt immerhin die Möglichkeit bestehen, dass sich die Moore irgendwann einmal wieder erholt haben werden. Schneller als 1 mm pro Jahr werden die Torfmoose aber trotzdem nicht in die Höhe wachsen. Und wie beantwortet die Medienstelle die zweite Frage? Finden es die Landi-Leute nicht seltsam, etwas zu verkaufen, das in der Schweiz einen so hohen Schutz geniesst?
Grundsätzlich ist der Verkauf von Torf in der Schweiz nicht verboten. Da wir uns der Problematik des Torfabbaus bewusst sind, haben wir das Angebot an torfhaltiger Erde in den letzten Jahren kontinuierlich reduziert. Im letzten Jahr haben wir in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Umwelt eine Absichtserklärung unterzeichnet, welche die Torfreduzierung auf 5 % des Verkaufsvolumens von Erde bis 2020 zum Ziel hat.
Was die Landi anspricht, ist eine vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) erarbeitete und auf Freiwilligkeit basierende Absichtserklärung, welche die Landi am 29. Juni 2017 zusammen mit anderen Anbietern von Gartenerde unterschrieben hat. Die Absichtserklärung ist Bestandteil des Torfausstiegskonzepts, das der Bundesrat 2012 verabschiedet hat, um durch Schweizer Konsum verursachte Umweltschäden auch im Ausland zu vermindern. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung 2017 hatte die Landi gemäss eigenen Angaben noch 20 % torfhaltiger Erde in den Regalen. Heute, ein Jahr später, sind es noch 15 %. Hierfür gibt es ein ehrliches Lamm-Lob. Das Engagement der Landi ist gut. Aber die Absichtserklärung ist eben auch das Eingeständnis, dass der Abbau von Torf – egal wo auf der Welt – grundsätzlich problematisch ist.
Wir lagern unsere Umweltschäden im grossen Stil ins Ausland aus
Wieso nimmt man das Produkt dann nicht ganz aus den Regalen, fragt sich der Lammkopf. Weil man nicht muss. Die Medienabteilung der Landi hat nämlich recht: Weder der Import noch der Verkauf von Torf sind in der Schweiz verboten. Lediglich der Abbau. Deshalb werden jährlich 524‘000 m³ Torf (Schätzung BAFU, 2014) in die Schweiz importiert. Das hinterlässt 524’000 metertiefe Löcher in den baltischen Hochmooren. Jedes dieser Löcher wird 1000 Jahre brauchen, um wieder zuzuwachsen. Während also die Schweizer Hochmoore per Volksentscheid durch die Verfassung vollumfänglich geschützt sind, landen die estnischen Hochmoore für 7.50 Franken pro Sack in der Landi. Die Schweizer Biodiversität wird auf Kosten der estnischen geschont.
Dieses Exportieren von Umweltschäden ist keine Ausnahmeerscheinung, wie der neuste Bericht des BAFU zeigt. Weil in der Schweiz viele Importprodukte konsumiert werden, verursachte der Konsum der Schweizer Bevölkerung 2015 rund drei Viertel seiner Umweltbelastung im Ausland. Das BAFU kommt zum Schluss, dass „die resultierenden Fussabdrücke der Schweiz mit den Belastbarkeitsgrenzen des Planeten nicht vereinbar sind, und einer Abnahme der Umweltbelastung im Inland ein stark ansteigender Auslandanteil gegenübersteht.“
Wer ist für diese Umweltschäden verantwortlich?
Doch wer ist für die Umweltschäden verantwortlich, die zwar im Ausland anfallen, aber durch den Konsum von Herrn und Frau Schweizer erzeugt werden? Die estnische Regierung, die den Abbau von Torf unterbinden sollte? Der Hobbygärtner, der für seine Gemüsebeete am Stadtrand von Rapperswil-Jona ein bisschen Torf kaufen geht in der Landi? Die Schweizer Regierung, die trotz strengem Schutz der inländischen Hochmoore Torfimporte zulässt? Auch das Lamm mag es nicht mit Sicherheit sagen. Sicher ist aber, dass es auf längere Sicht auch aus rein egoistischen Motiven sinnvoll wäre, dem Schutz der ausländischen Moore die gleiche Ernsthaftigkeit entgegenzubringen wie dem Schutz der inländischen.
Denn nicht nur die Beschaffungsketten sind global, sondern auch die Auswirkungen unseres Konsums. Auch wenn das Verschwinden der estnischen Moore die Schweizer Bevölkerung auf den ersten Blick nicht gross zu kümmern hat, wirkt sich deren Verlust indirekt auch auf uns aus. Denn Moore speichern gigantische Massen an Kohlenstoff. Wenn die Moore abgebaut werden und als Torf in unseren Gemüsegärten landen, gelangt dieser Kohlenstoff in Form von CO2 in die Atmosphäre, wo er den Klimawandel beschleunigt. Damit lässt der Torf aus Estland nicht nur die Schweizer Gletscher verschwinden, er wird sich auch auf die Anzahl Menschen auswirken, die dereinst als Klimaflüchtlinge Zuflucht suchen werden in der Schweiz – dem Land mit den seit 1987 geschützten Hochmooren.
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