Die SchweizerInnen machen Probleme. Sie ernähren sich nicht wie erwünscht. Gemäss einer Studie im Auftrag des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) und des Bundesamts für Gesundheit (BAG) konsumieren SchweizerInnen zu wenig Milchprodukte: Nur zwei statt der empfohlenen drei Portionen pro Tag.
Die Ernährungsempfehlung von drei Portionen pro Tag, welche die ForscherInnen der Uni Lausanne als Referenzwert verwendeten, stammt von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE), die Behörden in Gesundheitsfragen berät. Finanziert wird die SGE von Gönnern wie Emmi, Danone, Unilever, Nestlé, Migros und Coop, die bekanntlich den einen oder anderen Franken in der Milchindustrie verdienen.
Selbst mit diesem „zu wenig“ ist der Milchkonsum von SchweizerInnen im internationalen Vergleich immer noch sagenhaft hoch. In Form von Frischmilch, Joghurt, Butter oder Käse konsumiert jede Person jährlich rund 250kg Milchprodukte. Dank der durch den Bund und daher mit Steuergeldern mitfinanzierten Milchwerbung betrachten viele Kuhmilch offenbar immer noch als wichtiges Lebenselixier.
Alles, aber bitte keine bio-vegane Landwirtschaft
Kuhmilch ist in erster Linie Muttermilch: ohne Kälber, keine Milch. Deshalb nützt es nichts, wenn wir hierfür im Heuhaufen nach einer schöneren Sprache suchen. Selbst bei Bio-Milchkühen ist es unabdingbar, dass sie dauerbesamt werden, dauerschwanger sind und ohne Mutter-Kind-Beziehung leben – bis ihre Milchleistung nachlässt und sie per Bolzenschuss betäubt in die ewigen Jagdgründe entlassen werden.
Zu den ethischen Bedenken kommt hinzu, dass unsere landwirtschaftliche Bodennutzung aufgrund der Milchwirtschaft absurde Züge trägt. Grasland, daran erinnert die Milchlobby andauernd, gibt es in der Schweiz viel. Ackerland hingegen ist ein rares Gut. Dementsprechend sinnvoll sollte es genutzt werden. Fast die Hälfte des Ackerlands wird aber für den Anbau von Tierfutter verschwendet. Im Ausland kommen noch einmal rund 250’000 ha Ackerland für den Anbau von Futtermittel hinzu.
Ehe man sich von einer dystopisch anmutenden globalen bio-veganen Landwirtschaft fürchtet, sollte einem erst einmal der Status quo Sorgen bereiten. Wem er das tut, der hat verschiedene Möglichkeiten. Der Begriff „Milch“ ist rechtlich geschützt und für „das ganze Gemelk der dazu geeigneten Säugetiere“ vorbehalten. Deshalb wird im Folgenden der Begriff „Milch“ verwendet.
Sojamilch
In China werden Sojabohnen bereits seit 2000 Jahren zu Sojamilch verarbeitet. Die Sojamilch im Supermarkt stammt jedoch aus europäischem Anbau und nicht aus China oder Südamerika wie das Kraftfutter. Ein Liter Sojamilch kommt nur auf rund einen Fünftel des Wasserverbrauchs und des CO2-Ausstosses eines Liters Kuhmilch.
Sojamilch hat ähnliche Eigenschaften wie Kuhmilch und lässt sich sogar aufschäumen. Soja enthält wie Eigelb und Kuhmilch den natürlichen Emulgator Lecithin. Deshalb lassen sich mit ihr Saucen binden und Kuchen backen. Soja eignet sich zudem auch für Sojasahne, ‑joghurt, ‑margarine oder ‑eiscreme.
Sojamilch liefert weniger Kalzium als Kuhmilch, aber in etwa gleich viel Eiweiss; und sie ist reich an Folsäure. Kalzium lässt sich zum Beispiel über grünes Gemüse kompensieren. Sie pur zu trinken, ist Geschmackssache. Die einen schätzen den Geschmack, den anderen schmeckt Sojamilch zu penetrant nach Bohnen.
Hafermilch
Geschmacklich weniger umstritten ist Hafermilch. Aufgrund der Verzuckerung der Stärke besitzt Getreidemilch eine natürliche Süsse, weshalb sie gerne pur oder im Kaffee getrunken wird. Für zuckerarmes Gebäck muss ein Schuss Öl der Emulsion nachhelfen. Aufschäumen lässt sich Getreidemilch nicht gut. Dafür kann sie mit Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen punkten. Zudem enthält Hafermilch kein Cholesterin, ja sie hat sogar cholesterinsenkende Eigenschaften.
Für Hafermilch spricht überdies, dass sie aus regionalem Anbau stammen kann. Da es sich bei Hafer um eine heimische und anspruchslose Pflanze handelt, ist Haferdrink eine der nachhaltigsten Milchalternativen. Geschmack, Preis und Nachhaltigkeit? Hafermilch kann überall punkten.
Und wer Verpackung und Plastikmüll sparen möchte, kann Hafermilch auch unkompliziert selbst herstellen. Dazu einfach eine Tasse Haferflocken mit einem Glas Wasser pürieren, bis eine homogene Mischung entsteht. Anschliessend einen weiteren Liter Wasser hinzugeben.
Hanfmilch
Im Gegensatz zur Schweiz ist in Grossbritannien die Hanfmilch bereits weit verbreitet. Hanf ist eine anspruchslose Kulturpflanze, gedeiht auf fast allen Böden, in Berglagen, und ist schädlingsresistent. Hanfmilch weist einen hohen Anteil an Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren auf und liefert neben Vitaminen, Eisen und Kalzium alle essenziellen Aminosäuren zum Eiweissaufbau. Sie schmeckt leicht nussig.
Mit rund 4.50 Franken pro Liter ist Hanfmilch aktuell noch eine der teuersten Kuhmilchalternativen. Grundsätzlich ist jede Pflanzenmilch etwas teurer als Kuhmilch. Subventionen und Preisdruck auf Kosten von Mensch und Tier sind aber erfahrungsgemäss auch nicht gratis.
Nussmilch
Aus Mandeln gewonnene Milch wurde bereits im Mittelalter getrunken. Mandelmilch und Nussmilch allgemein kann überall dort eingesetzt werden, wo zuvor Kuhmilch verwendet wurde. Im Geschmack ist sie mild, leicht nussig und recht süss. Aber Achtung: Mandeln brauchen viel Wasser, die Anbaugebiete liegen in trockenen Regionen und die Transportwege sind lang. Aus ökologischer Sicht ist sie also kein guter Kuhmilchersatz.
Wer aber wegen der Vitamine, Mineralien (Magnesium, Eisen, Kalium, Zink) und der ungesättigten Fettsäuren nicht auf Nussmilch verzichten will, sollte auf Haselnussmilch setzen. Sie ist aus ökologischer Sicht Mandel‑, Cashew- und Macadamiamilch vorzuziehen. Und: Haselnussmilch lässt sich ebenfalls leicht selbst herstellen. Die Nüsse werden dazu eingeweicht, mit Wasser püriert und der Nussbrei anschliessend gesiebt.
Lupinenmilch
Der Eiweissgehalt von Lupinen liegt bei rund 40% und damit sogar über dem Niveau der Sojabohne. Lupinenmilch könnte Soja deshalb in Zukunft als „Soja des Nordens“ ablösen. Der Anbau benötigt fünf Mal weniger Fläche als die Haltung von Kühen. Durch ihre stickstoffbindenden Wurzeln regenerieren Lupinen zudem die Böden.
Arm an Kalorien und Kohlenhydraten, liefert sie viele Mineralstoffe wie Kalium, Magnesium, Kalzium und Eisen. Lupinenproteine sind geschmacksneutral und ebenso wie Soja emulgierfähig. Pur schmeckt Lupinenmilch sahnig-süss.
Was bringt die Zukunft?
Ripple Foods, ein Start-Up mit Sitz in Silicon Valley, hat im Jahr 2016 eine Kuhmilchalternative aus gelben Erbsen auf den US-amerikanischen Markt gebracht. Milch aus Erbsen ist kalzium- und proteinreich, enthält kaum Zucker und wenig Kalorien. Erbsenmilch benötigt 98% weniger Wasser in der Herstellung als Kuhmilch. Die Erbsen bezieht Ripple Foods von weither — aus Frankreich. Deshalb wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis Erbsenmilch auch in Europa auf den Markt kommt.
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