Während in Österreich bereits beim Gang in den Supermarkt Maskenpflicht gilt, erläutert in der Schweiz Daniel Koch, Leiter „Übertragbare Krankheiten“ beim Bundesamt für Gesundheit, in jeder Pressekonferenz dasselbe: Es gebe keine Empfehlung zum generellen Masken-tragen. Trotzdem setzen nun viele Unternehmen auf das Geschäft mit Schutzmasken. Eines davon ist der Onlineshop “Hygieneprodukte24.ch”.
Sowohl auf NZZ online, wie auch auf dem Onlineauftritt der bz, werden heute Werbebanner angezeigt, mit denen ein Unternehmen aus Deutschland mit dem Namen „Hygieneprodukte24.ch“ Schutzmasken verkaufen will. Der Shop verspricht Mundschutzmasken und Desinfektionsmittel, welche in der EU hergestellt wurden, und eine Expresslieferung innert 2–4 Tagen. “Schützen Sie sich und andere” heisst es zum Schluss.
Wer auf den Banner klickt, landet wie angepriesen auf einem Shop für Hygienemasken und Desinfektionsmittel. Was auffällt: Die Preise sind extrem hoch. Ein Liter Desinfektionsmittel kostet 99 Franken; für 50 normale Hygieneschutzmasken zahlt man bei „Hygieneprodukte24.ch“ 149 Franken oder gut 3 Franken pro Maske. Zur Erinnerung: Eine normale Hygienemaske kostete vor COVID-19 laut Tages-Anzeiger rund 10 Rappen. Das ist eine Preissteigerung um den Faktor 30.
Wer steckt hinter dem Onlineshop? Laut Impressum eine Zoila GmbH mit Sitz in Berlin, als Geschäftsführer ist Rylke Schult eingetragen. Die Zoila GmbH verkauft sonst Gesichtscremes und Hautpflegeprodukte. Ein kurzer Blick in die Wayback Machine zeigt, dass der Shop wohl am 22.03.2020 erstellt wurde. Vor zehn Tagen war noch die Schweizer Aktiengesellschaft ‘EFFAG Royal China Europe Investment AG’ mit Sitz in Kirchberg, St. Gallen als Markeneigentümerin eingetragen.
Warum eröffnet eine Deutsche Firma einen Hygienemasken-Shop in der Schweiz, just in den Tagen, in denen auch hierzulande der Ruf nach einer landesweiten Maskenpflicht laut wird? Und wie sind die hohen Preise zu rechtfertigen? Bei der Hotline der Firma mit Sitz in Berlin ist nur eine Sekretärin erreichbar. Sie verspricht, die Lamm-Anfrage dem Geschäftsführer zu schildern. Kurz darauf meldet sich ein Herr Müller von einer Schweizer Handynummer und nimmt Stellung zu den Vorwürfen.
Ausserdem spricht er von Aufträgen aus dem Kanton Zürich. Auf Anfrage bei der Zürcher Gesundheitsdirektion antwortet die KaPo: “Die Kantonspolizei Zürich hat Ihre Anfrage von der Gesundheitsdirektion erhalten. Wir werden das Angebot prüfen und allfällige Massnahmen einleiten. Die Beurteilung liegt schlussendlich bei der Untersuchungsbehörde.”
Interessant: Tippt man die Handynummer bei Google ein, landet man auf der Homepage einer Zürcher Digital Marketing-Firma mit dem Namen addFuture. Der Journalist Johannes Hapig ist ein Kenner der Schweizer Marketingwelt, aber von addFuture hat er noch nie gehört. Laut Moneyhouse ist die Firma seit 2016 in Liquidation.
Laut der Webseite von addFuture gehört die Handynummer allerdings keinem Herrn Müller, sondern einem Ruben Welsch. Den Vorwurf, dass er sich als jemand anders ausgegeben habe, bestreitet Herr Müller: “Das ist eine alte Seite. Mein Name ist Müller”. Im schriftlichen Austausch mit support@hygieneprodukte24.ch zeichnet der Absender seine Nachrichten mit dem Namen Dirk Müller. Der Herr Müller im Schutzmasken-Geschäft heisst anscheinend gleich wie Dirk “Mr. Dax” Müller, ein bekannter deutscher Börsenmakler.
„Hygieneprodukte24.ch“ ist nur ein Beispiel für Unternehmer, die von der steigenden Nachfrage an Hygienemasken profitieren wollen. Der Tagesanzeiger berichtet heute von einem Zürcher Jungnternehmer, der 500’000 Hygienemasken aus China importiert hat und diese an Altersheime, Spitex-Organisationen, aber auch Privatpersonen verkauft. Preis pro Maske: bis zu 1.50 Franken, rund 10mal mehr als vor Covid-19.
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